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Sonstiges 02.09.2012
Sonstiges 02.09.2012

Mobile Gaming Die wollen doch nur spielen

Immer mehr Menschen spielen digitale Games, dennoch sprechen Branchenvertreter von einem „schwierigen Marktumfeld“: Denn die Spiele-Apps für Smartphones und Tablets sowie kostenlose Social Games erhöhen den Preisdruck.

Die Spielebranche leidet unter der gleichen Entwicklung, die auch den Verlagen, der Film- und der Musikindustrie zu schaffen macht: Verbraucher mögen digitale Angebote am liebsten kostenlos. Und ein zweiter Trend setzt die Spieleanbieter unter Druck: Smartphones und Tablets machen den Konsolen- und Browser Games Konkurrenz – in mehrfacher Hinsicht: Durch die Verbreitung von App Stores ist die Zahl der Spiele für mobile Geräte in den vergangenen Jahren enorm gestiegen. Während vor 2008, dem Start von Apples App Store, nur große Spiele- Anbieter Verträge mit Herstellern von Mobilgeräten hatten und ihre Spiele auf den Geräten vorinstallieren konnten, haben die App Stores den Zugang zum Mobile- Markt geöffnet, erklärt David MacQueen, Director Wireless Media Strategies beim Beratungsunternehmen Strategy Analytics in Milton Keynes. Heute konkurrieren die traditionellen Anbieter wie Electronic Arts oder Capcom mit zahlreichen kleinen App-Entwicklern, die Spiele für das iPhone, für Android oder Tablet-PCs entwickeln. Diese Spiele- Apps kosten jedoch nur einen Bruchteil der viel aufwendiger produzierten Konsolen- und PC-Spiele – oder sie sind kostenlos.

Die Zahlen zum deutschen Spielemarkt, die der Bundesverband Interaktive Unterhaltungssoftware (BIU) im Vorfeld zur Spielemesse Gamescom veröffentlicht hatte, zeigen, wie sich bislang bewährte Geschäftsmodelle mit der Zeit verändern: Der Verkauf von Datenträgern beziehungsweise Downloads macht traditionell das größte Stück des Umsatzkuchens bei Spielesoftware aus. Im ersten Halbjahr 2012 ging der Umsatz mit dem Verkauf von Datenträgern und mit Downloads um 3,7 Prozent auf 616 Millionen Euro zurück. Der Umsatz mit Spiele-Abonnements und Gebühren für Browser-Spiele schrumpfte gar um 21 Prozent auf 84 Millionen Euro im Vergleich zum Vorjahreszeitraum.

Die Bereitschaft der Konsumenten, für digitale Spiele einen größeren Betrag hinzublättern, nimmt offenbar ab, schließlich können sie im sozialen Netzwerk Facebook oder auf dem Smartphone kostenlos spielen. Der BIU spricht daher von einem „insgesamt schwierigen Marktumfeld“. Er rechnet damit, dass aufgrund sinkender Preise für Games-Software der Gesamtumsatz 2012 „im unteren einstelligen Bereich rückläufig sein“ wird.

„Das erste Halbjahr 2012 wurde besonders vom Geschäftsmodell des Item-Selling geprägt“, berichtet der Verband. Mit dem Verkauf von virtuellen Gütern wurden in den ersten sechs Monaten 2012 in Deutschland nach Hochrechnungen des BIU rund 145 Millionen Euro umgesetzt. „Der Umsatzanteil von virtuellen Zusatzinhalten ist im Vergleich zu den klassischen Geschäftsmodellen noch gering – aber er wächst kontinuierlich und äußerst dynamisch“, erklärt Maximilian Schenk, Geschäftsführer des BIU.

Die Zahlen des Verbands belegen auch die Beliebtheit von mobilen Games und den Preisdruck: Das größte Wachstum beim Vertrieb von Spielen wies der Bereich Mobile aus. Der Umsatz ist hier im ersten Halbjahr 2012 um 40 Prozent auf 20,4 Millionen Euro gewachsen. Die Durchschnittspreise der Spiele gingen um 14 Prozent zurück.

Zwar spielen immer mehr Menschen digitale Spiele am PC, auf dem Tablet und auf dem Smartphone, doch 41 Prozent der Spieler nutzen ausschließlich kostenlose Angebote, das hat eine Umfrage des IT-Branchenverbands Bitkom ergeben. „Der Gaming-Markt steht vor tiefgreifenden Umbrüchen“, stellt Ralph Haupter vom Bitkom-Präsidium fest. Die Nachfrage verlagere sich vom traditionellen Handel ins Internet, aus der Offline- in die Online-Welt, vom stationären Bildschirm zum mobilen Handy.

Knapp die Hälfte (47 Prozent) der vom Bitkom Befragten ist bereit, für digitale Spiele zu zahlen. Für klassische Computerspiele wird am meisten ausgegeben: im Schnitt 18 Euro pro Monat. Für Gaming Apps auf mobilen Geräten werden hingegen im Schnitt nur 2,20 Euro pro Monat aufgewendet. „Gaming Apps und Social Games haben einen enormen Preisdruck ausgelöst“, sagt Haupter.

Mit der Verbreitung der Smartphones wandeln sich Mobiltelefone zum Spielzeug. Die Anbieter stellen sich darauf ein und entwickeln mobile Strategien. Der Online-Games-Anbieter Gameforge aus Karlsruhe plant zum Beispiel, bis Ende dieses Jahres zehn Mobile Games zu veröffentlichen. Für die Anbieter sei es eine strategische Entscheidung, auf mobilen Geräten präsent zu sein, meint Alexander Rösner, Vorstandsvorsitzender von Gameforge. Stefan Beckmann, der Country Manager Deutschland des niederländischen Anbieters Spil Games, bestätigt das. Spil Games hat seine Portale mit HTML5 für das mobile Web optimiert.

Mobile Strategien gefragt

Die Spiele von Gameforge sind in unterschiedlichen App Stores kostenlos erhältlich. „Umsätze erwirtschaften wir mit dem Verkauf virtueller Güter und mit Währungspaketen in den Games. Auf dieser Basis erwarten wir schon im nächsten Jahr mehrere Millionen Euro Umsatz aus unserer Mobile-Sparte“, erklärt Axel Schmidt, der Unternehmenssprecher von Gameforge. Dass die Spielzeit auf dem Smartphone zulasten der Spielzeit auf dem PC oder auf Konsolen geht, glaubt er nicht, da sich die Nutzungssituationen unterscheiden. Vergleichsweise einfache Mobile Games werden zwischendurch auf dem kleinen Screen gespielt, die komplexeren 3-D-Online-Rollenspiele laufen abends auf dem großen PC-Bildschirm.

Das Berliner Social-Gaming-Unternehmen Wooga stellte vor Kurzem ebenfalls seine mobile Strategie vor. Wooga plant, seine erfolgreichsten Facebook-Titel auf mobile Geräte zu bringen. Mittlerweile arbeitet die Hälfte der über 200 Mitarbeiter an mobilen Titeln, während die andere Hälfte Flash Games für Facebook entwickelt. „Das unglaublich schnelle Wachstum des App-Marktes für Smartphones und Tablets zeigt, dass mobilen Plattformen die Zukunft gehört“, prognostiziert Jens Begemann, Gründer und Geschäftsführer von Wooga. Auch Woogas Geschäftsmodell basiert auf dem Verkauf virtueller Güter, Werbung wird in den Spielen nicht eingeblendet.

Ingame Advertising sei heikel, beobachtet David MacQueen von Strategy Analytics. Der Analyst erklärt, warum sich Spieleanbieter mit Werbeeinblendungen zurückhalten: Für die Unternehmen gehe es darum, Spieler für das eigene Angebot zu gewinnen und eine langfristige Beziehung zu ihnen aufzubauen. Die Spieler sollen nicht abwandern, denn der Fokus liege zunehmend auf dem Wert eines Kunden während des gesamten „Lebenszyklus“ (Englisch: „lifetime value of a customer“). Die Logik dahinter: Wenn die Umsätze verstärkt über den Verkauf virtueller Güter in den Spielen generiert werden, ist es strategisch wichtig, mit den Spielern eine möglichst lange und intensive Kundenbeziehung zu pflegen. Werbung in Spielen werde jedoch häufig von anderen Anbietern gebucht, die Spieler auf ihre Titel aufmerksam machen wollen, so David MacQueen. Wenn Spieleanbieter Werbung einblenden, riskieren sie folglich, die Gamer an andere Unternehmen zu verlieren.

Diese zögerliche Haltung der Spieleanbieter hält andere nicht davon ab, auf Werbung in Spielen zu setzen: Das Hamburger Start-up Elblabs hat ein Netzwerk für Ingame Advertising mit Fokus auf Social, Online und Mobile Games gestartet. Die Hamburger Beteiligungsfirma iVenture Capital hat die Traffic Captain GmbH, ein Werbenetzwerk für Mobile und Online Games, gegründet. Beide Werbenetzwerke präsentierten sich auf der Gamescom.

Abseits von der Kölner Spielemesse hat ein anderes digitales Schwergewicht den Einstieg in die Spielebranche angekündigt: der Online-Marktplatz Amazon. Mit dem neuen Team „Amazon Game Studios“ hat der Web-Händler den ersten Titel „Living Classics“ für Facebook veröffentlicht, andere Games sollen folgen. Das zeigt: Die Konkurrenz in der Spielebranche wird weiter zunehmen

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