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Mobile Betriebssysteme im Vergleich
Sonstiges 09.02.2011
Sonstiges 09.02.2011

Mobile Betriebssysteme im Vergleich Im Smartphone-Dschungel

Smartphones sind gefragt wie nie zuvor. Laut Zahlen des Marktforschungsinstituts Canalys wurden im vierten Quartal 2010 rund 101,1 Millionen Geräte verkauft, das entspricht einer sagenhaften Steigerung von 89 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum.

Doch Smartphone ist nicht gleich Smartphone; die unterschiedlichsten Betriebssysteme laufen auf den Geräten und ändern Usability und Nutzererlebnis für die User - und die Voraussetzungen für Dienstleister.

Android

Das Betriebssystem von Googleist zweifelsohne der Aufsteiger des Jahres: Laut den Canalys-Zahlen kletterte der weltweite Marktanteil von Android innerhalb eines Jahres von 8,7 Prozent auf 32,9 Prozent. Damit übernahm Android global die Marktführerschaft bei den mobilen Betriebssystemen. In Deutschland sind Google-Handys noch nicht so weit verbreitet: Etwa jedes zehnte Smartphone läuft hierzulande auf Android.

Das Betriebssystem glänzt durch große Offenheit. Google macht keine Vorgaben hinsichtlich Hardware und gestattet individuelle Oberflächen. Daher sind die Smartphones unter Android so vielfältig wie bei keiner anderen Plattform: Vom winzigen Sony EricssonXperia X10 Mini mit einem herstellereigenen Menü bis hin zum HTC Desire Z mit seinem riesigen Touchscreen mit einer Diagonalen von fast elf Zentimetern und QWERTZ-Tastatur gibt es sämtliche Spielarten. Die Upgrade-Pflicht liegt allein bei den Handyherstellern; es kann also nicht davon ausgegangen werden, dass alle Android-Nutzer mit Version 2.2 ausgestattet sind.

Eine allgemeingültige Android-Bedienung fällt damit aus. Die Organisation der Anwendungssymbole liegt ebenso in der Hand von Sony Ericsson, HTC, Samsungund Co. wie die Einbindung sozialer Netzwerke oder die Umsetzung von Augmented-Reality-Anwendungen. Grundsätzlich gilt: Auf Android ist theoretisch beinahe alles möglich, was auch andere Betriebssysteme können – aber wie viel jeder Nutzer von diesen Möglichkeiten tatsächlich hat, liegt an dem von ihm gewählten Gerät.

Vorteile:

 + Vielfalt bei den Geräten
 + großer Market mit über 100.000 Apps
 + Push-Mail und Navigation (ab Google Maps 4.2) kostenlos

Nachteile:

- Updates abhängig vom Hersteller
- unterschiedlichste Oberflächen
- derzeit keine Unterstützung von Hotmail per Exchange

Symbian

Als Google noch eine bescheidene Suchmaschine war, tüftelte Nokia bereits an Handys, die mehr können als nur telefonieren. Das gab den Finnen einen großen Vorsprung auf dem Markt: In Deutschland ist Symbian mit einem Marktanteil von 47,7 Prozent einsamer Marktführer. Aber die Zeichen stehen für den Mobile-Dino Symbian auf Aussterben: Nachdem Nokia die Plattform 2008 in die Symbian Foundation überführt hatte, zählten unter anderem Sharp, Samsung und Sony Ericsson zu den Mitgliedern – die beiden Letztgenannten sind jedoch mittlerweile abgesprungen. Nokia beteuert aber, dass man weiterhin auf Symbian setzen werde: So wurde mit dem N8 letzten Herbst das erste Smartphone unter der neuen Version Symbian 3 vorgestellt.

Für die neue Version hat Nokia vor allem an der Nutzeroberfläche für Touchscreen-Modelle geschraubt. Kein Ruckeln mehr, Schluss mit Doppelklicks. Dabei hat sich die Oberfläche rein optisch kaum verändert: Die altvertrauten Symbole stehen immer noch für eine ebenso breite wie tiefe Hierarchie. Und genau das ist das nächste Problem von Symbian: Während moderne Oberflächen wie iOS, Android und Windows Mobile allesamt eindimensional aufgebaut sind, verharrt Symbian in seinen alten 3-D-Strukturen, die vor allem für Neulinge eine hohe Einstiegshürde darstellen. Wo lag noch mal der Dateimanager: unter „System“ oder unter „Office“?  Wer sich einmal an individuell zusammengestellte, übersichtliche Seiten mit Icons gewöhnt hat, dürfte sich schwerlich auf ein so hölzern wirkendes Betriebssystem einlassen wollen.

Auch hinsichtlich der Software kann der Ovi Store mit etwa 18.000 Apps nicht mit iOS und Android mithalten. Dafür punktet Nokia bei der Navigation: Der Handyhersteller hat Milliarden Euro in die Übernahme des Navigationsspezialisten Navteq investiert; dessen Kartenmaterial steht Symbian-Nutzern nun kostenlos zur Verfügung.

Inzwischen scheint auch Nokia eingesehen zu haben, dass Symbian ein Auslaufmodell ist: Die Highend-Smartphones der Finnen werden schon bald nicht mehr unter Symbian, sondern auf der neuen Plattform Mee Go laufen, die Nokia zusammen mit Intel und AMD entwickelt hat. Die ersten Smartphones mit Mee Go sollen Gerüchten zufolge im ersten Quartal erhältlich sein. Symbian wird künftig auf Modellen der Mittelklasse zum Einsatz kommen. Entwicklern steht mit „Qt“ eine Umgebung zur Verfügung, mit der sich Applikationen sowohl für Mee Go als auch für Symbian programmieren lassen.
Fazit

Vorteile:

+ Menü vollständig individualisierbar
+ altbekannte Oberfläche der S60
+ Gerätevielfalt (Nokia)

Nachteile:

- komplexe Menüstruktur
- altbacken wirkende Oberfläche
- eingeschränkte Auswahl an Apps

iOS

Eines muss man Apple lassen: Mit dem iPhone haben die Kalifornier den Smartphone-Markt geöffnet und jenseits von  Businesskunden und Technik-Nerds völlig neue Zielgruppen erschlossen. Bedienungsanleitung und Stylus waren zugunsten des Fingers überflüssig geworden.

Seither wurde das Betriebssystem des iPhone, das mittlerweile auf den Namen iOS hört, nur minimal weiterentwickelt. Im Vergleich zu den Anfängen sind inzwischen beispielsweise Copy & Paste und Multitasking (zumindest ab dem 3G aufwärts) möglich, aber das grundlegende Konzept sowie das Design der Icons ist dasselbe wie vor drei Jahren. Dabei folgte Apple seiner Maxime „reducetothemax“, die sich beispielsweise im fehlenden Startbildschirm zeigt: Die Hauptansicht des iPhone ist die erste Seite des Menüs. Verpasste Anrufe werden einfach durch die entsprechende Zahl in einem kleinen roten Kreis über das Telefon-Icon eingeblendet.

Natürlich polarisiert eine solche Strategie. Widgets, die etwa das Wetter, die Börsenkurse oder die Neuigkeiten von Facebook und Twitter anzeigen, brauchen einen Startbildschirm, um auf diesem platziert werden zu können. Das scheint den Apple-Entwicklern aber bereits zu kompliziert zu sein, anders lässt es sich kaum erklären, dass Apple auch nach drei Jahren noch nichts Entsprechendes eingeführt hat.

Vorteile:

+ sehr übersichtliche Oberfläche
+ intuitive Bedienung
+ populärer und gut besuchter App Store

Nachteile:

- keine Startseite, daher keine Widgets 
- volle Kontrolle von Apps und Dateien durch Apple
- kein direkter Datenaustausch via USB

Windows Phone 7

Das jüngste Betriebssystem für Mobiltelefone ist Windows Phone 7 (WP7), das endlich das hoffnungslos veraltete Windows Mobile 6.5 ablöst. Dabei hat Microsoftkeinen Stein auf dem anderen gelassen und eine von Grund auf neue Plattform geschaffen. Musste Windows Mobile in Teilen noch mit einem Stylus bedient werden, lässt sich Windows Phone durchgehend mit dem bloßen Finger steuern. Die Aufteilung ist denkbar einfach: eine alphabetische Liste aller Funktionen und eine komplett konfigurierbare Startseite mit dynamischen Kacheln. Letzteres ist ein echter USP gegenüber Android.

Mit dem neuen Betriebssystem hat Microsoft strikte Regeln eingeführt, mit denen die Redmonder sehr viel mehr Kontrolle über die Smartphones erhalten als bisher. So werden sportliche Vorgaben an die Hardware gestellt: Windows Phones müssen einen „kraftvollen Prozessor“ haben sowie über einen Touchscreen mit vierfachem Multitouch, WLAN, A-GPS, diverse Sensoren und mindestens 256 MB Speicher verfügen. Außerdem dürfen die Hersteller keine eigene Oberfläche über Windows Phone legen. Für Kunden und Dienstleister heißt das: Kennst du ein Windows Phone, kennst du alle.

Der „Market“ für Windows Phone Apps wird noch eine Weile brauchen, um so richtig in Schwung zu kommen. Derzeit sollen laut Microsoft um die 3.000 Anwendungen zum Download bereitstehen, Redmond hat die Entwicklerumgebung „Visual Basic für Windows Phone Developer Tools“ aber auch erst Ende November veröffentlicht. Bis Windows Phone 7 in Sachen Apps zu Apple und Android aufschließt, wird es also noch dauern.

Konkurrenz macht das System hingegen Apple in Sachen „Walled Garden“-Prinzip: Ein echtes Ärgernis stellt vor allem der fehlende Festplattenmodus dar. Mit dessen Hilfe taucht normalerweise der Inhalt des Speichers automatisch auf dem PC auf, sobald man das Handy über ein USB-Kabel an den Rechner anschließt. Auf Telefonen mit Windows Phone 7 gibt es derlei nicht, weshalb sich Dateien nicht einfach zwischen Handy und PC austauschen lassen. Sie gelangen lediglich per E-Mail oder über Internet-Speicher aufs Handy.

Vorteile:

+ sehr übersichtliche Oberfläche
+ intuitive Bedienung
+ informative Startseite

Nachteile:

- weder Multitasking noch Copy & Paste oder Modemfunktion
- USB-Datenaustausch auf Multimediadateien via Zune beschränkt
- keine USB-Synchronisation 

Blackberry OS

Research in Motion visiert mit der neuen Version seines Betriebssystems nicht nur Geschäftskunden an, sondern auch Privatnutzer. Blackberry 6 wartet mit einer eigenen Rubrikenstruktur auf, die das Anwendungschaos etwas ordnen soll.

Zudem hat RIM an der Integration sozialer Netzwerke gearbeitet, auch wenn hier in Sachen Komfort vor allem Android weiterhin deutlich die Nase vorn hat. Unter „Social Feeds“ werden die Neuigkeiten aus sämtlichen Netzwerken chronologisch dargestellt, der Kalender signalisiert über Farben, woher die jeweiligen Einträge stammen. Geblieben ist die generelle Textlastigkeit der Blackberry-Oberfläche, die im Vergleich zur auf Icons festgelegten Konkurrenz altbacken daherkommt. 

Vorteile:

+ meist gute QWERTZ-Tastatur
+ übersichtlicher als die Vorgängerversionen
+ sichere Integration in Firmennetzwerke

Nachteile:

- textlastige Oberfläche
- teilweise komplizierte Handhabung
- Mail-Anhänge ohne Originalformatierungen

Bada

Ende 2009 startete Samsungsein eigenes offenes Betriebssystem. Ein halbes Jahr später präsentierten die Koreaner mit dem Wave S8500 ihr erstes Highend-Vorzeigemodell mit Bada. Mittlerweile positioniert Samsung Bada auch im Mittelfeld: Die jüngsten Neuvorstellungen, das Wave 525, das Wave 533 und das Wave 723, zeugen eher von Sparsamkeit als von einem Hang zum Überschwang. Dennoch: Mit dem neuen Flaggschiff Wave II dampft auch wieder ein Luxusliner in der Bada-Flotte. Samsung will aber auch weiterhin Geräte unter Android und Windows Phone produzieren.

Optisch erinnert Bada an einen Mix aus Samsungs Oberflächenkonzept „Touch Wiz“ und iOS: drei Startseiten für Widgets, drei Menüseiten, allesamt bei Bedarf erweiterbar. Jederzeit über eine am unteren Bildrand fixierte Leiste erreichbar sind Telefontastatur, Telefonbuch sowie Nachrichten; beim iPhone sind es Browser und Mediaplayer anstelle der Kontakte. Einen eigenen App Store hat sich Samsung selbstverständlich auch gegönnt, der aber mit rund 2.300 Downloads eher einen Bazar für weitere Widgets, Tools und Themen darstellt, die folgerichtig zumeist kostenlos sind.

Unterm Strich wartet Bada nicht mit Besonderheiten auf, weder im positiven noch im negativen Sinn. Optisch und funktional wirkt es ein wenig wie der kleine Bruder von Android. Da die Plattform (derzeit) auf einen Hersteller beschränkt ist, dürfte der App Store kaum gigantische Dimensionen annehmen, ebenso wenig wie der von Nokia; hier sind Android und Windows Phone klar im Vorteil. Dafür gibt es aber auch durchaus preiswerte Bada-Geräte, die alle wichtigen Funktionen an Bord haben. 

Vorteile:

+ Startbildschirme mit Widgets wie bei Android
+ mehrseitiges, anpassbares Menü wie beim iPhone
+ unterstützt Exchange, auch mit Hotmail

Nachteile:

- keine Verknüpfungen und Ordner auf Startbildschirm
- überschaubare Zahl an Apps im Shop

Neben den beschriebenen Betriebssystemen versucht auch Palmsich mit seiner hauseigenen Plattform Web OS bei den Nutzern zu platzieren. Microsoftarbeitet an einem zweiten Betriebssystem für Business-Anwender. Im vergangenen Jahr übernahm der Handyhersteller Motoroladie Linux-basierte Plattform Azingo Mobile und bastelt seither an einem eigenen Betriebssystem für seine Geräte. Der mobile Markt bleibt also in Bewegung.

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