
Wikipedia hat bislang immer streng über die Objektivität der Beiträge auf seiner Plattform gewacht. Vergangene Woche wurde bekannt, dass die Online-Enzyklopädie gegen Autoren vorgeht, die sich für wohlwollende Beiträge bezahlen ließen. Doch nun haben sich deutsche Wikipedianer für bezahltes Schreiben geöffnet. Ein Leitfaden will Unternehmen bei dem Verfassen von Artikeln helfen.
Wikipedia und Unternehmen
Wikipedia und PR - das ist ein heißes Eisen. Beiträge, die nicht den Objektivitätskriterien des Mitmach-Lexikons entsprechen, werden gelöscht. Das Verhältnis von Wikipedia und Unternehmen ist geprägt von Problemen und gegenseitigem Misstrauen. In den letzten Jahren wurden mehrere Fälle bekannt, in denen Unternehmen beziehungsweise deren Vertreter die Enzyklopädie missbraucht haben. In der deutschen Wikipedia existiert seit Dezember 2013 ein so genanntes WikiProjekt, das sich mit dem "Umgang mit bezahltem Schreiben" befasst. Bis 21. Oktober 201 haben Teilnehmer ein Meinungsbild erarbeitet. Ergebnis der Abstimmung: 82 Prozent der Autoren legten fest, die Regeln im Umgang mit Unternehmen nicht zu verschärfen. Damit ist es Unternehmen grundsätzlich erlaubt, in der deutschen Wikipedia mitzuarbeiten - solange sie die Regeln beachten. Anlässlich dazu haben Anja Floetenmeyer (Aufgesang Public Relations) und Markus Franz (Sucomo) den Leitfaden "Public Relations in Wikipedia" verfasst, der zeigt, was Autoren mit wirtschaftlichen Interessen beim Schreiben oder Ändern von Artikeln auf Wikipedia beachten sollten. Denn dort drohen zahlreiche Fallstricke.
Warum Wikipedia?
Wikipedia gehört zu den zehn am häufigsten besuchten Webseiten der Welt und besitzt damit eine deutlich höhere Reichweite als viele klassische Medien. Google bewertet Artikel aus Wikipedia sehr positiv, sie gehören häufig zu den ersten fünf Ergebnissen. Auch Facebook nutzt Wikipedia als Datenquelle, um Informationen über Unternehmen und Orte ohne eigene Seite anzubieten. Zudem genießt Wikipedia ein hohes Vertrauen, sogar in Gerichtsurteilen taucht das Lexikon als Quelle immer öfter auf.
Relevanzkriterien für Artikel
Oft scheitern Unternehmen schon an den Relevanzkriterien. Denn die deutsche Wikipedia stellt Unternehmen normalerweise erst dann dar, wenn sie mehr als 100 Millionen Euro Umsatz oder 1.000 Mitarbeiter aufweisen. Ausgenommen werden davon beispielsweise Weingüter, Architekturbüros und andere Betriebe, die diese Größenklasse nicht erreichen, aber trotzdem wichtig sind. Über den sogenannten Relvanzcheck können Autoren im Vorfeld prüfen, ob sich das Schreiben eines Eintrags überhaupt lohnt.
Die drei goldenen Regeln
- Transparenz: Wikipedia garantiert jedem Autor uneingeschränkte Anonymität und befürwortet gleichzeitig Transparenz. Ein verifiziertes Konto ist daher am besten geeignet, um die Herkunft eines Autors auszuweisen und mit kommerziellem Hintergrund Artikel zu ändern.
- Quellenarbeit: Wikipedia ist eine Enzyklopädie - und nicht der verlängerte Arm der Website des Unternehmens. Der Leser soll in der Lage sein, sämtliche Angaben durch reputable Quellen zu überprüfen.
In den meisten Fällen sind PR-Informationen, die Website des Unternehmens sowie Blogs nicht als Quelle geeignet.
- Lernfähigkeit: Wikipedia verlangt nicht, dass ein neuer Autor sämtliche Regeln und Richtlinien auswendig kennen muss. In der Regel belohnt die Community mutige Autoren und verzeiht gravierende Fehler - sofern sie nicht absichtlich geschehen.
Bewertung vor der Bearbeitung
Zu den Schwierigsten Aufgaben gehört es, einen bestehenden Artikel zu beurteilen. Ein wichtiger Anhaltspunkt sind Bausteine: Befindet sich zum Beispiel ein rot gekennzeichneter Hinweis im Artikel, der fehlende Belege bemängelt, besteht Handlungsbedarf. In der Versionsgeschichte lässt sich nachlesen, ob andere Autoren einen Artikel regelmäßig aktualisieren.
Verifiziertes Benutzerkonto anlegen
Wer ernsthaft in Wikipedia arbeiten will, verwendet am besten ein so genanntes verifiziertes Benutzerkonto. Dabei handelt es sich um ein gewöhnliches Profil, dessen Inhaber das Support-Team offiziell bestätigt. Andere Autoren können so sehen, wer hinter dem Konto steckt. Unternehmen können die Verifizierung eines Kontos selbst veranlassen, dazu senden sie eine formlose E-Mail an das Support-Team unter info-de@wikimedia.org.
Änderungen sorgfältig vorbereiten
Angaben auf der Profilseite
Wikipedia schreibt über das verifizierte Konto hinaus niemandem vor, welche weiteren Angaben auf der Benutzerseite zu hinterlassen sind. Allerdings kann für das Profil eines Unternehmens in Wikipedia ein Impressum erforderlich sein, vergleichbar mit Facebook oder Twitter. Bisher ist diese Frage ist allerdings noch nicht geklärt. Auf ein Logo sollten Unternehmen auf der Benutzerseite allerdings verzichten: Es lässt das Profil zu werblich aussehen.
Hilfe auf der Diskussionsseite
Auch wenn Unternehmen Artikel bearbeiten dürfen, ist es ratsam, zunächst Hilfe auf der Diskussionsseite zu suchen. Dort können Unternehmen ihre eigene Sichtweise schildern oder konkrete Fehler anmerken. Wer Wikipedia-Autoren überzeugen will, einen Artikel zu verändern, braucht starke Quellen, also Belege neutraler Stellen. Informationen im Pressebereich einer Unternehmenswebsite reichen nicht aus. Zusätzlich kann auch das das Support-Team bei Problemen helfen.
Direkter Eingriff in Artikel
Bevor Unternehmen einen Artikel bearbeiten, der sie oder einen Kunden direkt betrifft, sollten sie alle anderen Möglichkeiten ausgeschöpft haben. Dazu zählt insbesondere das Vortragen eines Anliegens auf der Diskussionsseite. Die Unterseite eines verifizierten Kontos eignet sich gut dazu, die Änderung eines Artikels sorgfältig vorzubereiten. Im Idealfall arbeiten Unternehmen über mehrere Wochen Schritt für Schritt an der Unterseite, bis diese gut genug für die Enzyklopädie ist. Außerdem kann man die Wikipedia-Community zur Mitarbeit an der Unterseite einladen. Ist die Unterseite abgeschlossen, wir sie in den öffentlichen Bereich verschoben.
Bilder und Lizenzauswahl
Grundsätzlich muss jedes Bild in Wikipedia, beziehungsweise Wikimedia Commons, unter einer freien Lizenz stehen. Das heißt, dass Unternehmen einzelne Rechte daran abgeben: Im Fall der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland (CC BY 3.0 DE) ist es Dritten erlaubt, Bilder beliebig zu verwenden und zu bearbeiten, sofern sie die Quelle angeben. Vor dem Hochladen muss geklärt werden, ob das Unternehmen überhaupt entsprechende Rechte besitzt, ein Bild unter einer freien Lizenz freizugeben.
Nicht selten sind Wikipedia-Artikel, der erste Eintrag, der bei der Suche nach einem Begriff auf Google erscheint. Bei dem Ranking der beliebtesten Marken, den die Markt- und Meinungsforscher von YouGov jedes Jahr erstellen, gab es 2012 einen großen Wechsel: erstmals lag Wikipedia vor Google.