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Customer Experience Management
Sonstiges 01.09.2012
Sonstiges 01.09.2012

Customer Experience Management Mission Kundenzufriedenheit

Um Kunden zufriedenzustellen, müssen Unternehmen heute mehr leisten als früher: Der Käufer will etwas erleben. Und er entscheidet zunehmend selbst, wie und über welche Kanäle kommuniziert wird. 

Der Kunde ist seit jeher ein anspruschsvolles Wesen. Seitdem Menschen aber am liebsten über soziale Netzwerke kommunizieren, sind die Ansprüche noch einmal ein gutes Stück gewachsen. Im Wettbewerb um zufriedene Kunden müssen Unternehmen heute wahre Kommunikationsprofis sein. Und sie müssen ihre Klientel so gut wie möglich kennen, um deren Wünsche zu befriedigen. Hier setzt das Kundenerlebnismanagement oder Customer Experience Management (CEM) an, das auf die Schaffung positiver Kundenerlebnisse auf allen relevanten Kommunikationskanälen abzielt.

„Das Kundenerlebnis in den Mittelpunkt zu stellen, heißt, seine Zielgruppen zu kennen, zu segmentieren sowie ihren Bedürfnissen entsprechende Angebote bereitzustellen“, erklärt Julia Pilz, die sich als Consultant bei TRG – The Reach Group mit den Beratungsschwerpunkten Suchmaschinenoptimierung und Conversion Optimization beschäftigt. Eine optimale Website Usability sei genauso Voraussetzung wie ein verfügbarer und hilfsbereiter Kundenservice. Außerdem müssten die Kundenbedürfnisse regelmäßig überprüft werden, um auf mögliche Veränderungen rechtzeitig reagieren zu können.

Gestiegene Anforderungen

In den letzten Jahren sind die Anforderungen an die Kommunikation mit den Kunden deutlich gestiegen: Facebook und Twitter haben einen Trend weg vom Monolog, hin zum Dialog mit den Kunden bewirkt, die immer mehr selbst entscheiden, auf welchem Kanal dieser Dialog stattfindet. „Kunden erwarten heute einfach mehr von Unternehmen, bei denen sie Waren oder Dienstleistungen kaufen“, sagt Carsten Rust, Manager Solution Consulting beim Anbieter für Business-Process-Management-Systeme Pegasystems: „Daher müssen Kundeninteraktionen personalisiert und alle Interaktionen transparent sein; der Kunde muss also immer wissen, in welchem Stadium sich sein Anliegen befindet.“ Und Matthias Gouthier, Direktor des Center for Service Excellence an der European Business School (EBS) stellt fest, dass das Customer Relationship Management, also das Kundenbeziehungsmanagement, nicht die dafür gewünschten Lösungen gebracht habe. Er fordert deshalb ein „neues Konzept, das Kundenerlebnisse und auch emotionale Aspekte in den Vordergrund rückt“. Da das CEM ein ganzheitlicher Ansatz sei, der Kundenerlebnisse „wie aus einem Guss erscheinen lassen möchte“, bestünde die eigentliche Kunst in seiner Umsetzung, erläutert Gouthier: Zuerst müsse das Unternehmen mittels einer Stärken-Schwächen-Analyse (SWOT-Analyse) ermitteln, wie gut es ihm gelingt, positive Kundenerlebnisse über alle Kanäle hinweg zu schaffen und wie mit negativen Erlebnissen umgegangen wird. Die Zufriedenheit, aber auch Begeisterung des Kunden sollten kanalspezifisch gemessen, analysiert und optimiert werden (siehe Checkliste).

Ein Anbieter müsse zudem die Fähigkeit besitzen, alle relevanten Kanäle der Kundenkommunikation, online und offline, miteinander in Verbindung zu setzen, „um Muster, Abhängigkeiten und Zusammenhänge darin zu erkennen, wie sich Änderung A auf Kundenverhalten B auswirkt“, erläutert Andreas Helios, Senior Group Manager Enterprise Marketing Central Europe bei Adobe. Ganzheitliche Strukturen würden eine wichtige Rolle spielen, da sie „dabei helfen, isoliertes Denken einzelner Abteilungen wie Marketing, Sales, Support, Logistik oder Finance zu überwinden“. Schließlich dürfe nicht vergessen werden, dass alle Bereiche zur Markenidentität beitragen. Außerdem seien „Backoffice-Funktionen heute viel sichtbarer, da Kunden sich vernetzen und offen kommunizieren“.

Ein Chat-Tool zur Kundenbindung

Auf den gestiegenen Kundenwunsch nach Dialog, schnellen Antworten und persönlicher Ansprache hat der 2008 gegründete Online-Fotoservice Photobox.com mit der Entwicklung eines Chat-Tools reagiert. Der Chat sei ein wichtiges Instrument für den Kundenservice, das eine große Rolle für die Kundenloyalität, den durchschnittlichen Warenkorb und die Conversion Rate spiele, sagt Kirstin Weiß, Country Manager Europe bei Photobox: „80 Prozent unserer Kunden, die im Chat eine Anfrage stellen, tätigen in den darauffolgenden drei Tagen eine Bestellung. Ein weiterer Vorteil des Chats ist, dass sich die Abbruch-und Retourenquote verringern.“

Kunden können über einen Button am oberen Bildschirmfenster eine Frage eingeben, etwa zur Gestaltung eines Fotobuchs. Oft seien sie überrascht, wie schnell die Antwort kommt, so Weiß. Das Chat-Instrument dient als Ergänzung zu den herkömmlichen Kanälen Telefon und E-Mail, wo der Umgangston formeller ist. Mit dem Tool „Right Now“ kann das Unternehmen eingegangene Fragen tracken und nachvollziehen, welche Fragen in welchen Kanal eingehen. Die Erkenntnisse aus dem Kundenservice fließen in die Produktentwicklung mit ein: „Das kann hilfreich sein, wenn sich Fragen zu einem bestimmten Thema häufen“, so Weiß.

Der Online-Mode-Shop Modcloth.com will seine Kundinnen in Zukunft ebenfalls via Live-Chat beraten. Grundlage für die Beratung sind dabei Konfektionsgröße, Kaufhistorie und eine Wunscheinkaufs-liste des Kunden. Besonders herausgefordert sind Online-Händler bei beratungsintensiven Produkten wie Brillen. So zeigt etwa Brillen.de auf seiner Website Brillen in mehreren Perspektiven an, zusammen mit einer detaillierten Produktbeschreibung und der Funktion der Online-Anprobe. Hierzu kann der Kunde ein Modell auswählen oder ein Foto von sich selbst hochladen, um es mit der Brille seiner Wahl zu kombinieren. Brille24.de bietet zudem einen virtuellen Catwalk, bei dem der potenzielle Käufer andere Kunden bewerten lassen kann, wie gut das ausgewählte Brillenmodell zu ihm passt.

Mit dem Siegeszug des Web 2.0 haben Kundenbewertungen an Bedeutung gewonnen und sind mittlerweile ein fester Bestandteil des Kundenerlebnisses. Käufer vertrauen immer mehr den Einschätzungen anderer Kunden als der Selbstdarstellung einer Marke. Den Einfluss von Produktempfehlungen auf Kaufentscheidungen hat zum Beispiel der Elektronikanbieter Euronics in einer Case Study getestet. Zwölf Prozent der Bestellungen enthielten demnach ein Produkt, das beim selben Besuch empfohlen wurde. Firmen können von diesem Potenzial profitieren, indem sie Bewertungsplattformen auf ihren Webseiten einbinden.

Ganz allgemein ließe sich die Zufriedenheit des Kunden auch mit einer Klärung aller gängigen Kundenfragen verbessern, meint Silvan Dolezalek, der Geschäftsführer des Shop-Software-Herstellers Zaunz Publishing: „Je schneller und eleganter er durch den Shop geleitet wird, desto zufriedener ist er.“ Für den Kunden Europapark Rust sei beispielsweise das Ticketing-und Gutscheinsystem überarbeitet worden: „Die Zustellung per Mail-Anhang war problematisch – zu viele Kunden wollten die angefügte PDF-Datei nicht öffnen, da sie wohl einen Virus befürchteten“, erläutert Dolezalek. Nun können sie das PDF direkt nach dem Abschicken der Bestellung downloaden. Seitdem gebe es keine diesbezüglichen Rückfragen mehr von verunsicherten Endkunden.

Erwartungen erfüllen

Ein wesentlicher Aspekt für die Kundenzufriedenheit sei der Erfüllungsgrad von Erwartungen, konstatiert Timo von Focht, Regional Director DACH bei dem Anbieter von Conversion-Management-Lösungen Maxymiser: „Er ist ein Schlüsselindikator für die Qualität von Angebot, Service und Kundenbindungsmaßnahmen.“ Verschiedene Tools, wie das „Insight Portal“ von Emnos, können Unternehmen helfen, die Bedürfnisse und Motivationen von Kunden besser zu verstehen. Maxymiser bietet verschiedene Lösungen für die Personalisierung von Websites und E-Commerce-Angeboten an, die unter anderem Besuchergruppen identifizieren und individuelle Produktempfehlungen ermöglichen. Das Tool „Capalogic“ hingegen erlaubt eine interaktive Begleitung des Kunden durch den Webshop.

Ab einer gewissen Unternehmensgröße könne es sich auch lohnen „einen oder mehrere Arbeitsplätze für die Optimierung der Kundenbetreuung zu besetzen“, rät Dolezalek. Gouthier nimmt das ganze Personal in die Pflicht: „Nur wenn im gesamten Unternehmen ein Bewusstsein für die Relevanz und Notwendigkeit der Ausrichtung an den Kunden vorherrscht, kann ein CEM erfolgreich implementiert werden“, so sein Fazit.

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