
Ein Vertrag allein macht noch keine Kundenbeziehung aus - davon ist Samy Liechti, Geschäftsführer des Schweizer Sockenabo-Anbieters Blacksocks, überzeugt. Im Interview sprach der E-Commerce-Veteran über Erotik-Abos, die den Ruf der Branche ruinieren, und die Notwendigkeit, zu den Aboprodukten Geschichten zu erzählen.
Herr Liechti, Sie haben angefangen, über das Internet Socken im Abo zu verkaufen, als der E-Commerce selbst noch in den Kinderschuhen steckte. Wie haben Sie 60.000 Kunden davon überzeugt, ab sofort Socken im Abo zu bestellen?
Samy Liechti: Als wir mit Blacksocks angefangen haben, gingen nur zwölf Prozent der Schweizer überhaupt mehrmals pro Woche ins Internet. Zwölf Prozent davon haben eine Transaktion durchgeführt. Das heißt, für uns war nur 1,2 Prozent der Bevölkerung überhaupt relevant. Internet, E-Commerce und Abo-Commerce waren ganz neu. Da ging es in erster Linie darum, Vertrauen aufzubauen. Wir haben ganz schnell gemerkt, dass die Idee und die Marke Blacksocks dafür nicht stark genug sind, wenn die Gründer nicht in Erscheinung treten. Als wir den Kunden schließlich das Gefühl gaben, dass es irgendwo zwei Menschen gibt, denen sie zur Not die Socken um die Ohren hauen können, nahm das Geschäft Fahrt auf.
Wo haben Sie Ihre Gesichter denn gezeigt?
Liechti: Das hat auf der Webseite stattgefunden. Da haben wir einfach Fotos von uns veröffentlicht, später Videos gedreht und unsere Geschichte erzählt. Außerdem haben wir von Anfang an in Sachen Kundendienst extrem viel Aufwand betrieben. Wir haben unser Ohr immer beim Kunden und wollen hören, wie es ihm geht. Denn ein zufriedener Kunde bringt uns neue Kunden.
Können Sie das anhand von Beispielen schilden?
Liechti: Wenn beispielsweise Doppelbestellungen eingehen, liefern wir die nicht einfach aus, sondern rufen an. Wir haben auch von Anfang an mit sauberen Kundendaten gearbeitet. Wir wissen, ob jemand umgezogen oder verstorben ist. Es gibt den Leuten vertrauen, wenn sie merken, dass wir unser Geschäft im Griff haben.
Zurück zur Akquise der mittlerweile 60.000 Kunden. Was waren für Ihr Abo-Commerce-Modell die wichtigsten Erfolgskriterien?
Liechti: Es war uns von Anfang an sehr wichtig, dass Kunden nicht das Gefühl bekommen, in eine Abofalle zu geraten. Ich bin davon überzeugt, dass viele Leute damit im Erotikbereich schlechte Erfahrungen gemacht haben und daher jetzt auch gegen andere Abomodelle Vorbehalte haben. Wenn bei uns jemand mitten im Abo aussteigen will, überweisen wir das Geld zurück. Das liest man vielleicht nicht groß auf der Webseite. Aber weil wir immer kulant sind, spricht sich das rum. Auf diese Weise konnten wir unsere Marke aufbauen. Wir haben bestimmt auch davon profitiert, dass zu Beginn des Online-Hypes viele Journalisten heimische E-Commerce-Anbieter jenseits von E-Trade und Amazon suchten. Während viele Unternehmen mauerten, waren wir bereit, zu kommunizieren und wurden zu einer Art E-Commerce-Vorzeigeunternehmen. Das hat sicherlich auch zu mehr Credibilität geführt. Außerdem habe ich auch relativ früh auf Unis gesetzt. Die brauchen auch immer Case Studies und auch Professoren schreiben voneinander ab. Auf diese Weise haben viele Leute schon am Anfang ihres Berufslebens von uns gehört.
Was halten Sie als Abo-Commerce-Pionier von den Geschäftsmodellen, die gerade in Form von Lebensmittel-, Kosmetik-, Rasierklingen-, Bastel- oder Spielekisten wie Pilze aus dem Boden schießen?
Liechti: Ich glaube, der Hype von Abomodellen wird sich nicht bewahrheiten. Die meisten Leute sehen nur den Finanzaspekt und haben weniger die Kundenbrille auf. Meine Erfahrung ist: Ohne einen regelmäßigen Bedarf am Produkt macht ein Abomodell keinen Sinn. Sie brauchen einen Zyklus mit festen Kontaktpunkten pro Jahr. Und diese Kommunikationsfenster mit dem Kunden müssen Sie nutzen, um eine echte Kundenbeziehung aufzubauen. Viele Anbieter jedoch nehmen diese Chance überhaupt nicht wahr. Dabei ist eine Kundenbeziehung etwas Feines. Denn nur weil ein Kunde einen Vertrag unterschrieben hat, geht das Geschäft nicht weiter.
Wir hatten zu Beginn jedem Paket eine Überraschung beigelegt, um die Beziehung zu unseren Kunden aufzubauen. Unter dem Motto "Steinpilz statt Fußpilz" haben wir beispielsweise Rezepte gegen Fußpilz gesammelt und jedem Paket außerdem eine Tüte Steinpilzsuppe mitgeschickt. Ein anderes Mal haben wir Ahoi-Brause mitgeschickt und unter dem Claim "Mach mal Pause. Ahoi-Brause" vorgerechnet, wieviel Zeit pro Jahr und Lebenszeit insgesamt unsere Kunden dank des Socken-Abos sparen können.
Immer wieder dasselbe zu erhalten, wird schnell extrem langweilig. Damit es nicht langweilig wird, muss man es aufladen. Außerdem bin ich überzeugt, dass es im E-Commerce immer noch ein Versandkostenproblem gibt. Wenn sich jemand zu einem Abo verpflichtet, ist er nicht bereit, mehr zu bezahlen als im stationären Handel. Handling, Verpackung und Versand frisst aber extrem viel Marge. Sie brauchen also Produkte, deren Marge diese Kosten trägt.
Gleichzeitig müssen die Produkte leicht zustellbar sein. Es gab in der Schweiz zwei Versuche für Toilettenpapier-Abos. Totaler Schwachsinn. Das sind riesige Pakete. Wenn die Leute nicht zuhause sind und die Pakete dann in der Poststelle landen, haben die Kunden mehr Aufwand, wenn sie das Paket abholen müssen, als wenn sie das Toilettenpapier einfach an der nächstgelegenen Tankstelle kaufen würden. Wir haben den Vorteil, dass unsere Socken per Briefpost verschickt werden. Das kommt immer an. Außerdem glaube ich, dass es Produkte sein müssen, um die der Kunde sich entweder nicht kümmern will oder die ihn überraschen.
Wie bei der Birchbox, meinen Sie?
Liechti: Das sind ja im Grunde Produktbemusterungen, für die Kunden plötzlich Geld bezahlen. Ich glaube, für solche Modelle gibt es jeweils nur verhältnismäßig kleine Zeitfenster von zwei bis drei Jahren, in denen sie funktionieren. Doch Kundenakquise ist teuer. Wenn man diese Kunden dann nicht über Zeit bedienen kann, weiß ich nicht, ob sich das rechnet. Ich sehe Überraschungsabos eher im Bereich Food. Da gibt es Konglomerate von Biobauern, die wöchentlich Boxen mit frischem Obst und Gemüse an die Kunden verschicken. Oder Probierabos im Weinbereich oder für Tee. Das funktioniert, weil es nicht um das Produkt geht, sondern um die Geschichten, die drumherum erzählt werden. Man bekommt drei Flaschen Wein, zwei Monate später wieder und lernt dadurch etwas dazu. Ich glaube, dieses Drumherum ist sehr wichtig.
Warum gibt es Ihre Socken nur für Männer?
Liechti: Weil Männer anders einkaufen als Frauen. Männern schickt man etwas und wenn es nicht falsch ist, sind sie zufrieden. Frauen haben oft eine klare Vorstellung von dem, was sie suchen oder was sie erhalten sollten. Und das führt zu exorbitanten Retourenquoten. Ich hatte immer Angst vor diesem Logistikwahnsinn und wollte daher niemals Socken für Frauen anbieten. Doch meine Mitarbeiterinnen haben mich ein bisschen unter Druck gesetzt. Daher sind wir im Moment dabei, ein frauengerechtes Sockenabo zu finanzieren. Ohne zu viel vorab zu verraten: Ich glaube, mit unserem neuen Ansatz schaffen wir es, die Vorteile des Abos und die Einkaufsvorlieben von Frauen unter einen Hut zu bringen.
Was sehen Sie denn gegenwärtig als Ihre größten Herausforderungen?
Liechti: Ich sehe momentan ein Riesenproblem für Nischenanbieter wie uns. Kunden stellen an uns in technischer Hinsicht ähnlich hohe Ansprüche wie an Riesenkonzerne. Hinzu kommen verschiedene Bildschirmgrößen und Verbindungsgeschwindigkeiten. Wenn man das alles aktualisieren und anpassen will, kommen auf die Kleinen unheimliche Investitionen zu. Ich finde auch die Tendenz, dass jetzt alles vom Web in Apps geht, keine gute Entwicklung. Es gibt ja auch keine Sicherheit, wie sich das weiterentwickelt. Das iPhone gibt es schließlich erst seit fünf Jahren. Trotzdem muss man investieren. Wir haben in den vergangenen drei Jahren mehr in unsere IT investiert als die ganzen sechs Jahre davor. Weil wir einfach müssen. Auch die Zustellung wird weiter ein Thema bleiben. Es gibt viele hybride Modelle mit Pick-Up-Stellen. Ein großer Elektronik-Online-Pure-Player aus der Schweiz, Digitec, hat jetzt seine eigene Logistik aufgebaut und liefert in stark bewohnten Gebieten selbst aus. Wir selbst kämpfen momentan mit Cross-Border-Vertrieb. Vor allem in Deutschland entstehen da riesige Probleme. Seit es die Schweizer Grenze nicht mehr gibt, wurde ja kein Zöllner abgebaut. Stattdessen kontrollieren die einfach mehr, unter anderem die Einhaltung von Freigrenzen. Und während wir in die USA bis 200 Euro ohne Probleme verschicken dürfen, liegt in Deutschland die Freigrenze bei 22 Euro – inklusive Mehrwertsteuer und Versand. Das ist doch auch nicht im Sinne des Kunden.
Ihr Fazit zur Zukunft des Abo-Commerce?
Liechti: Der Hype wird auch wieder verfliegen, denn er kommt von der falschen Seite. Man braucht nicht für jeden Mist ein Abo, sondern sollte immer vom Kundenbedürfnis ausgehen. Ich hoffe, dass das Thema Abo nicht von zu vielen blödsinnigen Business-Konzepten verbrannt wird.