
Gerrit Seidel, CEO der Sofort AG
Gerrit Seidel, CEO der Sofort AG
Mitte Dezember 2013 hat der Rechnungskaufanbieter Klarna die Sofort AG von Reimann Investors übernommen. INTERNET WORLD Business sprach mit Gerrit Seidel, dem Vorstandsvorsitzenden der Sofort AG, über die Akquisition, die Konzentration auf dem Payment-Markt und starke Marken.
Warum hat Klarna die Sofort AG übernommen?
Gerrit Seidel: Mit Klarna können wir unsere Internationalisierung vorantreiben. Wir waren bislang vor allem im deutschsprachigen Raum sehr stark, jetzt können wir noch europäischer werden als bislang. Und Klarna kennt sich mit Branding und Marketing gegenüber Endkunden aus, da können wir profitieren. Dazu kommt, dass Klarna ein bankenfreundlicher Partern ist, der zugleich aber auch bankenunabhängig ist. Auch unser Verfahren, die Sofortüberweisung, ist bankenfreundlich und bankenunabhängig. Das sind für uns wichtige Argumente.
Etliche Anbieter von gesichertem Rechnungskauf wurden unlängst aufgekauft, beispielsweise Billpay von der britischen Wonga-Gruppe, Paymorrow von Intercard, Payolution von Skrill, früher schon Billsafe von Paypal. Gibt im Markt einen Trend zur Konsolidierung?
Seidel: Ja, das stimmt der Markt der Rechnungsanbieter befindet sich in einer Konsolidierungsphase, die auch noch anhalten wird. Die Gründe für die Konzentration sind Synergien zwischen den einzelnen Anbietern, zum Beispiel beim Vertrieb und Marktzugang, bei Produktkombinationen, im operativen Betrieb sowie den Aufschaltprozessen. Am Ende dieser Konzentration bleiben beim Rechnungskauf unseres Erachtens nach nur einige große Player übrig.
Wie viele Anbieter von gesichertem Rechnungskauf trägt der Markt?
Seidel: Mittelfristig gehen wir von ein bis zwei großen Anbietern im Mid-to Long-Tail, also im E-Commerce-Massenmarkt aus. Das sind Rechnungsanbieter mit hoher E-Commerce-Kompetenz und mit einer zunehmend starken Marke, die auch beim Endkunden gesetzt und damit vertrauenswürdig sind. Dadurch werden sie auch für große Händler interessant. Daneben rechnen wir mit ebenfalls ein bis zwei großen Prozess-Outsourcern, also Unternehmen, die den Rechnungskauf als White-Label-Produkt anbieten und eher vom Factoring und Inkasso-Bereich kommen. Dazu wird es eine Handvoll kleiner, spezialisierter Nischenplayer geben. Weitere Übernahmen durch die großen Player sind dabei mittelfristig nicht ausgeschlossen.
Können Sie die beiden Arten von Anbietern bitte näher beschreiben?
Seidel: Grundsätzlich lassen sich die Anbieter in zwei Kategorien einteilen: Es gibt zum einen die "sichtbaren" Massenanbieter mit dem Trend zum Eigenbranding. Sie entstammen häufig dem E-Commerce- beziehungsweise dem Start-up-Umfeld und sind schnell gewachsen. Diese Anbieter zeigen ganz klar den Trend zur Produktausweitung mit einer starken Ausrichtung auf Endkundenbeziehung, zum Beispiel durch zusätzliche Funktionalitäten wie Finanzierungsmöglichkeiten. Rechnungsanbieter der zweiten Kategorie kommen dagegen eher aus dem Prozess-Outsourcing. Sie bieten die Rechnung als White-Label-Produkt an, insbesondere bei Großkunden mit maßgeschneiderten Anforderungen. Sie sind reine B-to-B-Anbieter und für Endkunden nicht sichtbar.
Warum hat sich die Sofort AG aus dem Geschäftsbereich zurückgezogen?
Seidel: Die Sorfortüberweisung hat einen wesentlichen breiteren Einsatzbereich als Zahlverfahren als der reine Rechnungskauf. Unser Bezahlverfahren ist für alle Branchen und vielschichtige Kaufsituationen des Endkunden geeignet. Der Kauf auf Rechnung dagegen ist klar auf definierte Anwendungsfelder fokussiert - insbesondere auf physische Güter mit ausreichend hoher Marge und flexiblem Einkaufsverhalten des Kunden. Hinzu kam der verstärkte Wettbewerbsdruck durch zahlreiche Anbieter mit hoher Wertschöpfungstiefe, Preiskampf ist die Folge. Das waren die Hauptgründe, uns verstärkt auf das Kerngeschäft der Direktüberweisung zu konzentrieren - auch wenn wir schöne Vertriebserfolge im Rechnungskauf feiern konnten. Der Grundgedanke des Rechnungskaufs als Komplementärprodukt zur Sofortüberweisung ist angesichts der Marktpenetration der Sofortüberweisung bei über 25.000 Shops in Europa allerdings auch rückblickend überhaupt nicht falsch. So werden wir von unserer Kundenseite - auch heute noch - zum Thema Rechnungskauf immer wieder zu Rate gezogen.
Was passiert mit der "Rechnung by Sofort", die Sie im Sommer 2013 eingestellt haben? Wird es das Produkt wieder geben?
Seidel: Wir sagen uns "Schuster, bleib bei deinen Leisten", also bei unserem Kerngeschäft. Wir haben das Produkt eingestellt und werden es nicht wiederbeleben.
Ist der Rechnungskauf ein Modethema?
Seidel: Nein, der Rechnungskauf ist kein Modethema mehr. Sehen Sie, der Kauf auf Rechnung kommt zwar aus einem tradierten Geschäftsmodell, nämlich aus dem Versandhandel mit Quelle & Co. Das Bezahlverfahren passt aber voll in die Full-Service-Mentalität der E-Commerce-Unternehmen: Alles um die Rechnung herum kann ausgelagert werden, das heißt kein eigenes Risiko-, Cash-, und Debitorenmanagement mehr. Das bedeutet höhere Liquidität und Bilanzentlastung. Außerdem wird der Rechnungskauf durch neue Funktionalitäten, wie beispielsweise die Finanzierung, derzeit auch für den klassischen Bankensektor wieder attraktiv. An den Banken wird das Geschäft trotzdem zunächst auch weiterhin vorbeigehen.
Ist es vorwiegend ein deutsches Thema, weil nur in Deutschland der Rechnungskauf bei Kunden so beliebt ist?
Seidel: Nein, auf keinen Fall! Der Rechnungskauf ist kein rein deutsches Thema, vielmehr gibt es eine west- und nordeuropäische Orientierung, das heißt der Rechnungskauf ist in der der DACH-Region, in Benelux und in den skandinavischen Ländern populär. Das liegt vor allem an der besseren Infrastruktur beim Scoring und den logistischen Voraussetzungen. In Süd-/Osteuropa ist die Rechnung heute dagegen kein Thema, auch der angelsächsische Raum ist immer noch kartenlastig.
Worauf sollte ein Shop-Betreiber bei der Auswahl eines Dienstleisters für den gesichterten Rechnungskauf achten?
Seidel: Bei der Auswahl der Anbieter ist nach wie vor Sorgfalt und der Rundum-Blick gefragt. Das entscheidende Kriterium ist sicherlich die Seriosität des Anbieters. Das zeigt sich unter anderem an der Unternehmens-Historie und aufsichtskonformen Prozessen - zum Beispiel in Deutschland über die BaFin. Beständigkeit, Verlässlichkeit und operative Prozessqualität kommen in Verbindung mit einem profunden E-Commerce vor marginalen Preisvorteilen, denn: Die Endkundenzufriedenheit ist für den E-Commerce-Händler langfristig entscheidend.
Welche allgemeinen Trends kennzeichnen derzeit den Payment-Markt?
Seidel: Wir spüren derzeit Bewegung im Markt. Die Internet-Bezahlverfahren wie Wallets und Direktüberweisungsverfahren wie die Sofortüberweisung werden in den kommenden Jahren weiter stark an Marktanteilen hinzugewinnen. Dies geht zu Lasten "klassischer" Bezahlmethoden wie Nachname und Vorkasse. Kreditkarten werden unter dem Wegfall der Interchange-Gebühren unter Margendruck kommen. Beim E-Commerce-Händler wird das Thema Reduzierung der Payment-Kosten (Total Cost of Payment) noch stärker in den Vordergrund rücken. Auf Endkundenseite erwarten wir neben einer Prozessoptimierung - Stichwort "one-click-Optionen" -, dass E-Payment auch über mobile Endgeräte zunehmen wird und künftig grenzüberschreitend funktionieren muss. So ist die zum Beispiel die Sofortüberweisung bereits in zehn europäischen Ländern nutzbar. Bei allen Trends wird aber ein Thema nicht aus der Mode kommen: Beim Bezahlen im Netz bleibt Sicherheit und Vertrauen ohne wahrnehmbare Störfälle auch künftig immer die übergeordnete Grundvoraussetzung.
Ist absehbar mit ganz neuen Produkten zu rechnen?
Seidel: Die Branche ist jung und innovativ, daher wird es sicher zur Entwicklung neuer Produkte kommen. Zum Beispiel die Kombination bestehender Zahlverfahren wie zum Beispiel Anzahlungen von Rechnungen beziehungsweise Abo-Modelle. Gänzlich neue Produkte könnten aus dem Umfeld der "Online"-Konsumentenfinanzierung kommen. Natürlich sind auch viele Mobile-Szenarios denkbar, denken Sie an das Handy als Geldbeutelersatz. Und natürlich der ganze mobile Banking und Personal-Finance-Bereich, der ein komplett eigenes Kapitel füllen würde.