
Mit der Umsetzung der neuen EU-Verbraucherrechterichtlinie in deutsches Recht ändert sich am 13. Juni 2014 einiges im E-Commerce. Das gilt für Widerrufsfristen und -belehrungen ebenso wie für die 40-Euro-Klausel und das Rückhalterecht. Onlinehändler sollten die Änderungen kennen und sich rechtzeitig darauf vorbereiten.
Normalerweise wird alles nur schlechter - kaum ein neues Gesetz, so die allgemeine Wahrnehmung, bringt einem Onlinehändler echte Verbesserungen. Bei der Umsetzung der Europäischen Verbraucherrechterichtlinie (VRRL) aber ist das anders: Eine Reihe von bislang lästigen und missverständlichen Bestimmungen wird über Bord geworfen. So muss zum Beispiel ab Juni 2014 der Verbraucher im Fall eines Widerrufs grundsätzlich die Rücksendekosten tragen und die 40-Euro-Klausel entfällt. Ob sich das am Markt durchsetzen wird, bleibt vorerst dahingestellt. Vielleicht schaffen große Retailer wie Amazon auch andere Standards und übernehmen die Kosten der Warenrückgabe für ihre Kunden. Für Onlinehändler jedenfalls ist das Widerrufsrecht der bedeutsamste und für die Praxis relevanteste Bereich der neuen Richtlinie. Die gesetzlichen Regelungen hierzu finden sich künftig in den Paragrafen 312g und 355ff. BGB. Hier gibt es die meisten Änderungen.
14 Tage Widerruf nun EU-weit
Im Rahmen der VRRL werden die bislang von Land zu Land unterschiedlichen Widerrufsfristen endlich europaweit angeglichen. So gilt künftig ein 14-tägiges Widerrufsrecht für den Verbraucher in der gesamten EU. Diese 14-Tage-Regelung ist für den deutschen Verbraucher zwar nicht neu, jedoch wird sie erheblich zur Vereinfachung des grenzüberschreitenden Handels beitragen, da keine unterschiedlichen Belehrungen über verschiedene Regelungen mehr erforderlich sind. Ab 13. Juni 2014 können Händler hierfür auf eine übergreifende Musterbelehrung zurückgreifen, die für alle europäischen Staaten passt. Unternehmer sollten sich an die vorgegebenen Texte halten, denn damit erfüllen sie ihre gesetzlichen Informationspflichten. Das entsprechende Muster für die Widerrufsbelehrung sowie die dazugehörigen Gestaltungshinweise sind in der Anlage 1 zu Art. 246a Paragraf 1 Abs. 2 S. 2 EGBGB zu finden.
Maximal zwölf Monate für Widerruf
Eindeutig geregelt ist dann auch, ab wann die Frist für den Widerruf läuft: Sie beginnt, sobald der Verbraucher oder ein von ihm benannter Dritter die Ware erhalten hat. Dies gilt übrigens ganz unabhängig davon, ob der Händler alle Informationspflichten korrekt erfüllt hat oder nicht. Neu hinzugekommen sind allerdings umfangreiche Maßgaben zum Fristbeginn für die Fälle, in denen mehrere Waren oder Stücke gekauft werden (§ 356 Abs. 2 Nr. 1 b bis d BGB). Dies macht es in der Praxis zwar sehr schwierig, mit nur einem Text zu arbeiten, weil zum Zeitpunkt der Bestellung häufig nicht klar ist, wie viele Pakete später geliefert werden. Wenigstens gibt es jetzt aber unmissverständliche Vorgaben, nach denen Onlinehändler sich richten können.
Ein weiteres Problem räumt der Gesetzgeber nun ebenfalls aus: Künftig erlischt das Widerrufsrecht spätestens zwölf Monate und 14 Tage nach Warenlieferung. Diese Begrenzung gilt selbst dann, wenn der Händler den Kunden gar nicht oder nur unzureichend informiert hat. Damit wird das derzeit in Deutschland geltende "unendliche" Widerrufsrecht abgeschafft, welches dem Verbraucher für den Fall, dass der Händler ihn falsch oder gar nicht über seine Rechte und Pflichten belehrt hatte, unbegrenzt Zeit für seinen Widerruf einräumte.
Welche Widerrufsrechte dem Verbraucher beim Kauf von digitalen körperlosen Gütern zustehen, war nach bisheriger Gesetzeslage nicht eindeutig. So war umstritten, ob Waren wie Musik-Downloads oder Smartphone Apps zur Rücksendung ungeeignete und damit vom Widerrufsrecht ausgenommene Waren darstellen oder Dienstleistungen, bei denen ein Widerrufsrecht unter Umständen erlischt. Die Neuregelung schafft klare Verhältnisse (§ 356 BGB Abs. 5 Nr. 1 und 2): Das Widerrufsrecht erlischt bei den oben beschriebenen Gütern nach der Auslieferung - genauer: mit dem Beginn des Downloads. Wichtige Einschränkung: Dies gilt nicht für Inhalte, die auf einem Datenträger (DVD, Speicherchip) geliefert werden. Eine Voraussetzung muss allerdings erfüllt sein: Der Anbieter hat mit der Ausführung des Vertrags erst begonnen, nachdem der Verbraucher dazu seine ausdrückliche Zustimmung gegeben und gleichzeitig bestätigt hat, zur Kenntnis genommen zu haben, dass er sein Widerrufsrecht bei Beginn der Vertragsausführung verliert.
Fortsetzung Regeln beim Widerruf
"Annahme verweigert" gilt nicht
Ob körperloses Gut oder griffige Ware: Ab Juni 2014 muss der Verbraucher seinen Widerruf explizit erklären, wenn er die Produkte nicht behalten will. Die kommentarlose Rücksendung der Ware - oder gar Verweigerung der Annahme - reicht dann nicht mehr aus (§ 355 Abs. 1 S. 2 und 3 BGB). Für die Erklärung ist der Anbieter verpflichtet, ein geeignetes Formular zur Verfügung zu stellen. Dies kann er auch über eine Website ermöglichen. Das Formular kann der Kunde benutzen - muss es aber nicht. Er kann von dem Geschäft beispielsweise auch per E-Mail oder telefonisch zurücktreten. Nutzt der Kunde hingegen ein Onlineformular für seinen Widerruf, muss der Unternehmer "auf einem dauerhaften Datenträger" bestätigen, dass er davon Kenntnis erhalten hat. In der Praxis reicht es aus, dem Kunden eine E-Mail zu schicken, die die übermittelten Informationen enthält.
Ist der Widerruf erklärt, muss das Geschäft Zug um Zug (Ware gegen Geld) rückgängig gemacht werden. Gemäß Paragraf 357 BGB ist hierfür sowohl für Kunden als auch Händler eine Frist von 14 Tagen maßgeblich. Die Frist beginnt für den Verbraucher mit Abgabe und für den Unternehmer mit Zugang der Widerrufserklärung (§ 355 Abs. 3 BGB). Das Risiko, dass die Ware auf dem Rückweg beschädigt wird oder verloren geht, trägt aber nach wie vor der Anbieter (§ 355 Abs. 3 S. 4 BGB).
Besonders unternehmerfreundlich fällt hingegen die Formulierung des Paragrafen 357 Abs. 4 BGB aus. Dieser räumt dem Anbieter ein Zurückbehaltungsrecht für den Kaufpreis ein. Er kann die Rückerstattung des Geldes verweigern, bis die Ware bei ihm eingetroffen ist oder der Kunde ihm einen Nachweis über den Versand übermittelt hat. Dies wurde zwar bislang schon so praktiziert, war aber eine insbesondere bei Verbraucherzentralen umstrittene Vorgehensweise, die nun ausdrücklich legitimiert wird.
Aus der Sicht deutscher Händler vorteilhaft ist zudem die Regelung der Hin- und Rücksendekosten ausgefallen. Zwar muss der Händler gemäß Paragraf 357 Abs. 2 BGB im Fall eines Widerrufs dem Kunden neben dem Kaufpreis auch die Hinsendekosten ersetzen - so hatte es vor einiger Zeit schon der Europäische Gerichtshof entschieden -, der Unternehmer muss nun allerdings nur noch die regulären Versandkosten erstatten, nicht aber etwaige Expresszuschläge für eine besonders schnelle Lieferung.
Im Gegenzug trägt künftig grundsätzlich der Verbraucher die Kosten der Rücksendung, und zwar ohne gesonderte Vereinbarung. Die aktuell geltende, viel zu komplizierte "40-Euro-Klausel" wird damit Rechtsgeschichte. Der Händler kann die Kosten natürlich weiterhin freiwillig übernehmen, um sich damit vom Wettbewerb abzuheben. Er bleibt aber in jedem Fall auf dem Rückporto sitzen, wenn er den Verbraucher nicht richtig informiert hat. Bei nicht paketversandfähiger Ware, die per Spedition transportiert werden muss, reicht ein einfacher Hinweis zudem nicht aus, hier muss der Anbieter genau angeben, wie teuer ein Rückversand kommt.
Keine Regel ohne Ausnahme
Im Zuge der VRRL wird auch die Liste der Ausnahmefälle erweitert und modifiziert (§ 312g Abs. 2 und 3 BGB). So besteht künftig etwa kein Widerrufsrecht bei Verträgen zur Lieferung versiegelter Waren, die aus Gründen des Gesundheitsschutzes oder der Hygiene nicht zur Rückgabe geeignet sind und deren Versiegelung nach der Lieferung entfernt wurde. Was "Hygienegründe" sind und wann eine "Versiegelung" vorliegt, wird aber vermutlich künftig die Gerichte beschäftigen.
Ebenso ausgenommen sind Waren, die nach der Lieferung aufgrund ihrer Beschaffenheit untrennbar mit anderen Gütern vermischt wurden, zum Beispiel Heizöl. Eine weitere Ausnahme hat der Gesetzgeber für den Verkauf alkoholischer Getränke definiert, für die ein Preis beim Abschluss des Kaufvertrags vereinbart wurde, deren Lieferung aber erst nach 30 Tagen erfolgen kann. Maßgeblich dabei ist, dass deren aktueller Wert von Schwankungen auf dem Markt abhängt, auf die der Unternehmer keinen Einfluss hat. Das gilt zum Beispiel für Spekulationsgeschäfte mit Wein.
Einheitliche Widerrufsfristen, klare Regelungen der Hin- und Rücksendekosten, das alles bringt Händlern Planungssicherheit. Neue Belehrungstexte und die Regelungen zum Widerrufsformular bedeuten hingegen Anpassungsaufwand - den man nicht unterschätzen sollte.
Diese Neuregelungen beim Widerrufsrecht stellen sicherlich die tiefgreifendsten Änderungen für Onlinehändler dar, auch wenn es in anderen Bereichen, etwa bei Kunden-Hotlines und bestimmten Zahlungarten oder auch beim Auslandshandel ebenfalls Änderungen gibt.