Zahlungsausfälle im Auslandsgeschäft sind doppelt ärgerlich, weil das Mahnwesen international ungleich komplizierter ist. Gerade deshalb sollten sich Online-Händler, die auch im Ausland verkaufen wollen, vorab über Möglichkeiten und die speziellen Gegebenheiten vor Ort informieren.
Pinkorblue.pl, dem polnischen Ableger des Kinderwaren-Versenders Baby-Markt, ist die deutsche Mutter nur auf den zweiten Blick anzusehen: Der Online Shop ist komplett ins Polnische übersetzt, Hilfesuchende werden an nationale E-Mail-Adressen und polnische Ansprechpartner weiterverwiesen. Den Versand der Waren übernimmt der in Polen führende Logistikunternehmer DPD. Und auch bei den Zahlungsarten passt sich Baby-Markt den polnischen Gepflogenheiten an und bietet den dort sehr beliebten Kauf per Nachnahme an. Der Kauf auf Rechnung, auf Baby-markt.de die beliebteste Zahlungsart, gibt es auf Pinkorblue.pl nicht. Das hat seinen Grund: "Im Ausland bieten wir generell nur gesicherte Zahlungsverfahren an", berichtet Philip Lütgenau, Leiter Debitorenmanagement bei Baby-markt.de. "So haben wir mit Zahlungsausfällen keinerlei Probleme."
Zahlungsausfälle verhindern
Mit dieser Strategie steht Lütgenau nicht allein da: Viele deutsche Online-Händler, die ins Ausland verkaufen, gehen dort lieber kein Risiko ein und nehmen nur gesicherte Zahlungsverfahren im Ausland ins Portfolio auf. Denn so sehr sich die verschiedenen E-Commerce-Märkte auch voneinander unterscheiden mögen, eines haben sie doch gemeinsam: Es gibt überall Kunden, die ihre Rechnungen nicht bezahlen. "Im Vergleich zu lokal agierenden Online-Händlern sehen sich internationale Shop-Betreiber mit einem höheren Risiko an Zahlungsausfällen konfrontiert", warnt Christa Wagner, Executive Vice President Consumer Goods beim Zahlungsanbieter Wirecard. "Gleichzeitig haben diese Händler auch mit vielfältigeren Betrugsmustern zu kämpfen. Aus rechtlicher Sicht ist hier vor allem die Strafverfolgung im Ausland schwierig." Der Einsatz lokaler Zahlarten wie iDeal in den Niederlanden oder Dankort in Dänemark bietet Zahlungsgarantien und senkt so die Ausfallquote für die Händler. "Wo das nicht möglich ist, können gute Payment Service Provider die Bestellungen oder den Umsatz pro Computer, pro IP-Adresse oder pro Kreditkarte begrenzen", rät Ralf Gladis, Geschäftsführer von Computop. Manche Zahlungsanbieter bieten darüber hinaus zumindest für das europäische Ausland eine Bonitätsprüfung an. Beim Schmuck-und Uhren-Spezialisten Fossil ist die integrierte Bonitätsprüfung von Computop im Einsatz. "Die Prüfung warnt uns rechtzeitig beziehungsweise bricht den Bezahlvorgang selbstständig ab", erläutert Antonio Nigro, Director E-Commerce Europe bei Fossil. "So können wir die Mehrzahl der Zahlungsausfälle verhindern."
Verschlungene Wege zum Geld
Wenn alle Vermeidungsstrategien versagen und es doch im Auslands-Shop zu einem Zahlungsausfall gekommen ist, müssen Online-Händler das nicht mit einem resignierten Seufzer hinnehmen, ganz so einfach wie die Verfolgung der Angelegenheit im deutschen Shop (Erinnerungs-Mail, 1. Mahnung, 2. Mahnung, Übergabe an ein Inkassobüro) ist die Sache im Ausland aber nur im Ausnahmefall. Ein dem deutschen System vergleichbares Mahnwesen gibt es in der DACH-Region und in den Niederlanden. "In anderen Ländern ist ein Mahnwesen dagegen praktisch nicht existent", warnt Mirko Hüllemann, Geschäftsführer der Heidelberger Payment GmbH. "In romanischsprachigen Ländern wie Italien, Spanien, Frankreich und Portugal ist es deshalb völlig unüblich, Waren auf Rechnung zu bestellen."
Ist eine Mahnung nicht erfolgreich oder im betreffenden Land nicht praktikabel, muss ein Inkassobüro ran. "Dabei muss man die länderspezifischen Präferenzen und rechtlichen Gegebenheiten vor Ort über lokale Kooperationspartner berücksichtigen, die über profunde und langjährige Landeskenntnisse verfügen", meint Kai-Uwe Mokros, Geschäftsführer Geschäftsbereich Billing & Payment von Arvato Infoscore. "Zudem kann meist nur ein lokal ansässiges Unternehmen eine Inkassozulassung beantragen." Das Problem: Im Ausland gibt es nur selten zertifizierte Inkassounternehmen. In manchen Ländern kümmern sich Rechtsanwälte um das Debitorenmanagement, in anderen Ländern sind Zoll oder Polizei für die Zustellung einer offiziellen Zahlungsaufforderung zuständig. Die richtige Adresse für jedes Land finden Online-Händler am besten über ein deutsches Inkassobüro, das mit ausländischen Partnern zusammenarbeitet. Ist der ausländische Vertreter gefunden, muss im nächsten Schritt die Provision ausgehandelt werden. In Deutschland verlangen Inkassobüros von ihren Mandanten meist weder Mitgliedsbeiträge noch Einstell-und Bearbeitungsgebühren. "Im Ausland ist dies leider meist anders", warnt Alfons Winhart, Vorstand der PNO Inkasso AG. "Deshalb ist es wichtig bei der Entscheidung für den Inkassodienstleister darauf zu achten, dass er Zahlungskonditionen anbietet, die sich für den Gläubiger rechnen." Am besten fahren Online-Händler mit einer Geschäftsbeziehung auf Erfolgsbasis: Der Mandant zahlt dann nur im Erfolgsfall eine Provision, die zwischen 25 und 40 Prozent des Forderungswerts liegt. Dabei richtet sich die Höhe der Provision im Allgemeinen nach dem zu leistenden Aufwand: So ist eine Übersetzung der Mahnung ins Chinesische oder Arabische meist kostspieliger als ins Spanische. "Auch die jeweilige Gesetzeslage und die Umstände, unter denen der Inkassopartner in einem Land agiert, wirken sich auf die Höhe der Erfolgsprovision aus", fügt Winhart hinzu.
Wenn alles Mahnen, Drohen und auch ein Inkasso-Verfahren erfolglos bleiben und der Zahlungsausfall die Bilanz des ausländischen Shops empfindlich drückt, bleibt dem Online-Händler als letzte Möglichkeit der Forderungsverkauf an einen so genannten Factor, etwa ein Kredit- und Finanzierungsinstitut. Der Abschlag von bis zu 80 Prozent des Forderungswerts als Provision an den Factor macht diesen letzten Ausweg aber recht unattraktiv.