Insbesondere Anbieter von virtuellen Gütern wie redaktionellen Inhalten, Items für Online Games oder Download-Ware sind auf die Abrechnung von Kleinbeträgen angewiesen. Damit sich diese lohnt, müssen die Kosten für die entsprechenden Verfahren allerdings auch kalkulierbar sein.
Es liegt ein Grauschleier über dem Bildschirm. Dahinter verbirgt sich - für den Nutzer unsichtbar - die dringend benötigte Kursprognose der Lieblingsaktie. Was hier Frust beim Leser verursacht, ist eine "Metered Paywall", eine Vorrichtung, die auf der Basis von Browser Cookies dafür sorgt, dass der Nutzer nur eine begrenzte Zahl von Seiten ansehen darf, ohne zu bezahlen. Immer mehr Inhalteanbieter setzen auf solche oder ähnliche Verfahren, um auch Web-Leser an den Kosten ihrer Angebote zu beteiligen. Zur Abrechnung von Kleinbeträgen für solche digitalen Güter haben etliche Dienstleister Micropayment-Lösungen im Angebot.
Was Micropayment ist, darüber gehen die Expertenmeinungen indes auseinander. "Micropayment wird in erster Linie zur Bezahlung digitaler Güter angewandt, die so günstig sind, dass sie mit orthodoxen Bezahlverfahren nicht profitabel verkauft werden können." Die Definition des Payment-Experten Achim Himmelreich von Mücke Sturm & Company verweist auf eine entscheidende Herausforderung: Die traditionellen Vergütungsmodelle der Banken und Kreditkartenfirmen sind nicht wirtschaftlich, sofern es um kleine Transaktionen geht. Die meisten Experten nennen die Range zwischen einem Cent und maximal fünf Euro als Indikator für Micropayment. Himmelreich zieht die Grenze bei zwei Euro. Unter dieser Linie gibt es ein breites Spektrum digitaler Güter von der Fachinformation bis zum Klingelton, von der Sportwette bis zur VoIP-Verbindung, vom Erotik-Video bis hin zum Item für das Online-Spiel.
Mit diesen Produkten wären auch schon die wichtigsten Interessenten für Micropayment-Verfahren genannt: Verlage und sonstige online-gestützte Textmedien-Anbieter, Betreiber von Online Games sowie Download-Portale.
Je nach Zielgruppe und Geschäftsmodell fällt deren Auswahl der Zahlungsanbieter mit ihren Besonderheiten hinsichtlich Übertragungstechnik und Billing, also dem Zahlungseinzug, höchst unterschiedlich aus. Beim Micropayment für Barzahler kommt zusätzlich der stationäre Handel ins Spiel. Noch komplexer wird es, wenn Anbieter bei Micro-und Macropayment verschiedene Wege gehen. Das ist auch meist der wirtschaftlichste Weg. Das "Hamburger Abendblatt" der Axel Springer AG etwa verkauft seine Online-Abos über Bankeinzug oder Rechnungskauf. Der 1-Tages-Zugang wird über Clickandbuy gewährt, den in Deutschland wohl bestetablierten Micropayment-Anbieter, der seit 2010 eine hundertprozentige Telekom-Tochter ist.
Was will der Händler, was der User?
Die Gebühren, die der Leistungsanbieter zu tragen hat, können 50 Prozent vom Umsatz überschreiten. Umso wichtiger ist es für die Rentabilität, durch optimale Passform von Zahlungsarten und Zielgruppen die Durchsetzung am Markt zu forcieren. Prepaid-oder treuhänderische Verfahren können das Risiko von Zahlungsausfällen ausschließen. Diese sind - je nach Art des digitalen Gutes - durchaus ein Thema, auch wenn es sich nur um "ein paar Kröten" handelt.
Der Nutzer ist anspruchsvoll und nicht unbedingt loyal. Er wird eine Payment-Methode akzeptieren, wenn folgende Fragen zufriedenstellend gelöst sind:
- Anbindung: Ist seine Bank, sein Kreditkarten- oder sein Mobiltelefonie-Anbieter überhaupt eingebunden?
- Einfachheit der Abwicklung: Muss er die Webseite verlassen und einen externen Checkout durchlaufen?
- Geschwindigkeit: Kann er sofort loslegen und lesen, spielen oder hören, oder läuft im Hintergrund eine langwierige Bonitätsprüfung? Der Game Shop Mmoga.de, nach eigener Einschätzung europäischer Marktführer für virtuelle Güter, Gamecards und "World of Warcraft"-Accounts, garantiert eine Bereitstellungszeit von maximal fünf Minuten.
- Anonymität persönlicher Daten: Müssen Name und Bankverbindung angegeben werden oder taucht das gekaufte Gut auf persönlichen Abrechnungen oder Kontoauszügen auf?
Um möglichst vielen Wünschen der User Rechnung zu tragen, folgen einige Anbieter der Devise "Viel hilft viel" und integrieren wie Mmoga mehr als zehn Zahlungsmethoden. Andreas Gebauer, als Chefredakteur der Stiftung Warentest für das Verbraucherportal Test.de verantwortlich, empfiehlt dagegen Beschränkung und eine schärfere, dynamische Auswahl: "Wir haben unterschiedliche Zielgruppen, die wir möglichst bedarfsgerecht bedienen wollen. Bei drei bis vier Micropayment-Methoden im Angebot dürfte allerdings die Komplexität den Vorteil der Vielfalt neutralisieren." Bei Gebauer stehen viele Anbieter Schlange, denn ins Zahlungsportfolio der Stiftung aufgenommen zu werden ist für jeden Anbieter eine gute Referenz. So hat die Stiftung Warentest vor über zehn Jahren geholfen, Clickandbuy groß zu machen. Was für Gebauer zählt: "Die Sicherheit und das Vertrauen der Verbraucher. Wichtig darüber hinaus auch: die Bekanntheit." Dass der Wettlauf der Anbieter um attraktive Kunden längst begonnen hat, merkt Gebauer an den verhandelten Preisen: "Die Provisionen, die wir gegenwärtig zahlen, sind sehr vergleichbar."
Fortsetzung Micropayment-Verfahren
Heterogene Payment-Landschaft
Die Palette an Zahlvarianten für Kleinbeträge ist groß - und das wird auf absehbare Zeit wahrscheinlich auch so bleiben, so die Erwartung von Payment-Spezialist Achim Himmelreich: "Kunden und Anbieter (siehe Tabelle) werden auch langfristig in Deutschland eine heterogene Micropayment-Landschaft finden, da die verschiedenen Verfahren unterschiedliche Vorteile und Nachteile haben und auf unterschiedliche Use Cases zugeschnitten sind."
So kann etwa die Paysafecard unter dem Gesichtspunkt der reinen User Experience kaum als optimal bezeichnet werden. Der Nutzer muss sich nämlich erst in den stationären Handel begeben, dort mindestens zehn Euro auf den Tisch legen und sich dafür einen Bon samt Bezahlcode ausdrucken lassen. Diesen Code kann er beim Checkout auf Anbieter-Websites so oft eingeben, bis das Guthaben verbraucht ist. Der Grund für die Akzeptanz dieses Verfahrens: Es funktioniert auch, wenn man weder Handyvertrag noch Bankkonto hat, und es ist unübertroffen in seiner Anonymität. Es ist traditionell beliebt bei Erotik-und Spiele-Anbietern - aber auch bei Anbietern im Umfeld jugendlicher Gamer, etwa bei Steam oder Gamigo.
Das älteste Verfahren, das "Operator Billing" oder "Carrier Billing", besteht im Zugriff auf die Telefonrechnung des Verbrauchers und eignet sich besonders für Handy-nahe Güter. Kundendaten und Einwilligung werden authentifiziert, indem der Anbieter per SMS eine mobile TAN übermittelt, die der Verbraucher nur noch in seine mobile oder seine Desktop-Anwendung eingeben muss.
Die jüngsten Lösungen, die mobilen E-Wallets, sind sehr komfortabel und haben Experten zufolge im Micropayment-Monopoly eine glänzende Zukunft. Der Charme für Verbraucher liegt in ihrer hohen Flexibilität und in ihrem kanalübergreifenden Charakter. E-Wallet-Inhaber können eine Vielzahl von Zahlungsmitteln ihres Vertrauens beliebig kombinieren und so genau steuern, auf welcher Abrechnung eine bestimmte Transaktion erscheint. Anmeldung und Kontenverwaltung können sie hinter der Firewall am heimischen PC erledigen und nur die Transaktionen per Handy ausführen.
E-Wallets im Handel
Auch der stationäre Handel öffnet sich zunehmend der Zahlung über E-Wallet, deren Übertragungstechniken vielfach die Interaktion mit Kassenterminals erlauben. Darüber hinaus lockt den Handel eine Vielzahl von Marketing-Chancen: Auch Apps für Rabattsysteme, Gutscheine, und Local Based Services lassen sich in E-Wallets integrieren. Multichannel-und Präsenzhandel werden auf E-Wallets setzen, um der mobilen Generation ihre spezifischen Stärken zu demonstrieren.
Der Markt beim Micropayment wird klar getrieben von der Verbreitung immer leistungsfähigerer Smartphones. "Die Nutzer sind bereit, für Inhalte zu zahlen. Dies zeigte iTunes mit Musik, Apps oder Büchern. Convenience ist das Erfolgsrezept für bezahlten Content. Mobile Geräte sind inzwischen erste Wahl bei der Nutzung und erfordern besondere Beachtung bei Zahlungslösungen," fasst Payment-Berater Balduin Müller-Platz die Chancen zusammen. Man darf gespannt sein, was der Wettbewerb an weiteren Neuerungen bringen wird, sobald die Systemanbieter damit wirklich Geld verdienen.