
Danny Nauth, Senior Conversion Consultant bei TIE Kinetix
Danny Nauth, Senior Conversion Consultant bei TIE Kinetix
Wenn es um die Optimierung der Website oder des Online Shops geht, hilft es manchmal um die Ecke zu denken. Sechs Ansätze, um sehr schnell und kostengünstig Potenziale zu identifizieren, nennt Danny Nauth.
Von Danny Nauth, Senior Conversion Consultant bei TIE Kinetix
Als Christoph Kolumbus 1492 Amerika entdeckte, musste er sich nach seiner Rückkehr mit der Kritik auseinandersetzen, dass es ja ein Leichtes gewesen wäre die neue Welt zu entdecken. Schließlich hätte das ja jeder gekonnt. Christoph Kolumbus entgegnete seinen Kritikern mit der berühmten Aufgabe ein Ei auf dessen Spitze zu stellen. Nach vielen kläglich gescheiterten Versuchen schlug Kolumbus das Ei mit der Spitze auf den Tisch, sodass es schließlich stehen blieb. Als auch hierbei seine Kritiker protestierten, dass sie das auch gekonnt hätten, antwortete er mit dem Satz: "Der Unterschied ist, meine Herren, dass Sie es hätten tun können, ich hingegen habe es getan!"
Wie schon damals zu Kolumbus' Zeiten, liegen auch heute viele Dinge so nahe und werden in Unternehmen dennoch nicht getan. Gründe dafür gibt es reichlich: keine Zeit, kein Budget, der Chef möchte ...
Interessanter sind die neuen, innovativen Themen, die auf Hype-Cycle-Kurven zu finden sind. Dabei werden einfache Sachverhalte verkompliziert und in theoretische Modelle gepackt, um einen professionellen und wissenschaftlichen Anstrich zu erhalten. Und eigentlich müsste man nur das Ei mit der Spitze leicht auf den Tisch schlagen.
Mit den folgenden einfachen Ansätzen kannst du die Optimierung deiner eigenen Website oder deines Online Shops sofort und effizient vorantreiben. Egal auf welchem Maturity Level du dich befindest.
1) Die Kollegen sind meine besten Freunde
Wie auch beim Kolumbus-Ei befinden sich Lösungen und hochinteressante Informationen oft schon längst im Unternehmen. Tausch dich deshalb mit den Kollegen aus anderen Abteilungen zu den Themen Optimierungspotenziale und Ideen aus. Auch wo Probleme der Website liegen oder welche besonderen Verhaltensweisen von Nutzern an den Tag gelegt werden. Die Kollegen der Print- und TV-Werbung betreiben mit gleichem Eifer und dem gleichen Ziel ihren Job und haben ihre ganz eigenen Erfahrungen gesammelt, was bei den Kunden ankommt und was nicht.
Auch der Austausch mit Service-Mitarbeitern ist äußerst informativ und niemand verbietet esn einfach mal selbst den Telefonservice zu kontaktieren. Alle Personen, die nahe am Kunden sind, haben wertvollste Informationen für dich. Jeff Bezos selbst verbringt einmal im Jahr einen Tag im Call Center von Amazon, um sich ein reales Bild von seinen Kunden zu machen, und das gilt für sein komplettes C-Level. Kundenkontakt ist Pflicht.
Wenn es Kontaktformulare auf der Website gibt, sollten deren Inhalte auch ausgewertet werden beziehungsweise die Informationen mit der E-Commerce-Abteilung geteilt werden. Bei einem meiner eigenen Kunden konnten essentielle Schwierigkeiten beim Bestellprozess identifiziert und gleichzeitig neuer Bedarf der Kunden für zukünftige Innovationen erkannt werden. Es benötigt nicht immer aufwändige Innovations Workshops, um dann Features zu entwickeln, die von den Nutzern nicht benutzt werden. In den meisten Fällen teilen die Kunden ihre Bedürfnisse über die unterschiedlichsten Wege mit, man muss nur an der richtigen Stelle hinhören. Dabei schadet es auch nicht immer ein Ohr auf den Social-Media-Kanälen zu haben. Damit wären wir auch bereits beim nächsten Punkt:
2) Einfach einmal nachfragen
Häufig ist es ein Männer-Phänomen, dass sie sich nicht trauen einfach mal nach dem Weg zu fragen. Stattdessen wird der Tank verfahren und beim Wiederauffüllen leise der Tankwart um Hilfe gebeten, wenn man eh gerade hier ist. Dieses Phänomen scheint sich auch unter Conversion-Optimierern verbreitet zu haben.
Ansonsten kann ich mir nur schwer erklären, warum so selten oder nur einmalig Kundenumfragen beziehungsweise Feedback von den Kunden eingeholt wird. Die Möglichkeiten hier sind so günstig wie auch einfach. Zum Beispiel mittels Hotjar. Neben den wunderbaren Erkenntnissen aus dem Mouse Tracking bietet dieses Tool zusätzlich die Möglichkeit Polls, Umfragen und Nutzer-Recruiting auf der eigenen Seite zu verwenden.
- Einmalig eine Zeile Code implementieren
- In einer halben Stunde ist der erste Poll online
- Kosten: keine
Der Vorteil ist, dass man hier mittels regelmäßigen kleinen Befragungen immer "den Finger am Puls" hat und man auch per Net Promoter Score die Zufriedenheit der Nutzer abfragen kann. Messbare Indikatoren, die auch der Geschäftsführung vorgelegt werden können.
3) Was Nutzer wirklich tun
Wenn bereits ein Mouse Tracking Tool implementiert wird, dann sollte dies auch genutzt werden. So einfach wie die Umfragen aufgesetzt sind, sind auch Heatmaps und Recordings angelegt. Die Erkenntnisse daraus sind sehr mächtig. Es sind nicht nur Daten, die zu einem bestimmten Zeitpunkt betrachtet werden, sondern das ganz eigene, individuelle Verhalten der Nutzer kann beobachtet werden unverfälscht!
Diese Maßnahme zeigt dir ohne großen Aufwand wie Nutzer sich wirklich durch deine Seiten bewegen und vor allem wie sie sich darauf verhalten. Lange Seitenverweildauer und viele Seitenaufrufe können ein positives Zeichen sein, dass sich der Nutzer für die Inhalte interessiert und sie konsumiert. Es kann aber auch die verzweifelte Suche nach den relevanten Informationen sein, die nicht gefunden werden.
Formulare können nach allgemeingültigen Empfehlungen und Standards optimiert werden oder individuell auf die Bedürfnisse bzw. Schwierigkeiten der eigenen Nutzer. All dies lässt sich mit Hilfe des Mouse Trackings nachvollziehen.
4) Kein Mensch ist perfekt
Ein wirklich vernachlässigtes Thema ist die Accessibility auf Webseiten. Tritanopie, Protanopie, Deuteranopie oder Achromasie ist nur eine kleine Auswahl an Einschränkungen bei der Farbwahrnehmung. Die eigene Seite auf solche Barrieren zu testen, dauert nur wenige Minuten und liefert einige Potenziale.
Auch die perfekte Farbabstimmung mancher Designer kommt bei einer solchen Analyse nicht immer gut davon. Klassische Usability Standards, W3C konformes Coding und viele weitere grundlegende Punkte können hier ausfindig gemacht werden. UITest.com stellt zu diesem Thema eine sehr große Sammlung an Analyse Tools zu Validation, SEO / SEM, Performance und viele mehr zur freien Verfügung. Auch das Tool answerthepublic.com ist im Grunde ein SEO Tool, eröffnet aber auch für Content-Zusammenhänge ganz neue Welten.
5) Der Blick nach links und rechts
Ein wichtiger Aspekt ganz allgemein, aber auch für Verbesserungsideen ist das Beobachten des Wettbewerbs.
- Wo liegen die Unterschiede?
- Was machen die anderen besser beziehungsweise was sind best practices?
- Was mache ich besser als meine Wettbewerber?
Den Benchmark im Blick zu haben, ist äußerst wichtig und vergleichbar mit einem Rennen. Stell dir vor, du nimmst an einem Rennen teil. Dabei fährst du Runde für Runde eine neue Bestzeit und fühlst dich wie der uneinholbare Sieger. In dem Moment, in dem du dich jedoch nach den anderen Fahrern auf der Strecke umsiehst, realisierst du vielleicht, dass du nur im Mittelfeld mitfährst oder gar zu weit zurückliegst, um zu gewinnen.
Halte auch bei branchenfremden Anbietern die Augen offen. So einiges lässt sich adaptieren oder spornt zu neuen Ideen an. Jeder hat Webseiten, die ihm besonders gefallen oder die viral geteilt werden. Immer auf der Lauer nach neuen Eindrücken zu sein, zahlt sich aus.
6) Gesunder Menschenverstand
Einer der einfachsten, aber auch oft unterschätzten Möglichkeiten Verbesserungspotenziale zu entdecken, ist der gesunde Menschenverstand und Erfahrung. Damit sind nicht subjektive Meinungsdiskussionen gemeint, sondern der Blick von außen. Die Einschätzung von unbedarften Menschen ohne der altbekannten Unternehmensbrille.
Frag abteilungsfremde Kollegen, Freunde oder Familie. Ein kleines Experiment zuhause gibt oftmals sehr viele Erkenntnisse, wie zum Beispiel mit dem Medium umgegangen wird oder wie das Browsing-Verhalten von anderen aussieht.
Ebenso ist auch die Bewertung von Experten ein sehr schnelles und probates Mittel um Quick Wins und weitere Verbesserungspotenziale aufzudecken. Auch hier ist die unternehmensinterne Sichtweise nicht vorhanden und die Erfahrung über viele Branchen und unterschiedliche Projekte können mit eingebracht werden.
Abschließend möchte ich nochmals betonen, dass diese 6 Ansätze zwar helfen sehr schnell und kostengünstig Optimierungspotenziale zu identifizieren, aber keine tiefgehenden Analysen ersetzen können. Man sollte bei der heutigen Komplexität auch die einfachen Wege nicht aus den Augen verlieren. Es gibt viele Tools, die uns dabei helfen ganz grundlegende Dinge immer wieder zwischendurch zu prüfen, um sicherzugehen, dass die Basis stimmt, und verhindern, dass man sprichwörtlich den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr sieht.
Und denk immer an die Worte von Kolumbus: Man muss die Dinge anpacken! Websiten optimieren sich leider noch nicht von alleine.