
In der Rubrik "Die wichtigsten Urteile für Shop-Betreiber" fassen die Rechtsanwältinnen Dr. Julia Blind und Rebekka Stumpfrock Urteile aus dem Digitalbereich zusammen. Der aktuelle Beitrag beschäftigt sich mit E-Mail-Werbung und dem Teilen auf Facebook.
Von Julia Blind und Rebekka Stumpfrock
Trotz großartigen Sommerwetters haben sich auch im dritten Quartal 2018 wieder viele Gerichte mit rechtlichen Themen rund um den Online Shop beschäftigt. Wir haben die wichtigsten Urteile zusammengefasst.
Dauerbrenner E-Mail-Werbung
Dank der großen Aufregung um die DSGVO rückte auch die unerlaubte E-Mail-Werbung wieder in den Fokus der Aufmerksamkeit. Eine Vielzahl von Unternehmen sah sich im Zuge der Umsetzung der DSGVO gezwungen, die Einwilligung zum Erhalt von Werbe-E-Mails zu aktualisieren oder erstmals rechtlich korrekt einzuholen. Dabei ist unerlaubte E-Mail-Werbung (SPAM) kein (rein) datenschutzrechtliches Problem.
Vielmehr begeht der Versender von unerlaubter E-Mail-Werbung einen Wettbewerbsverstoß, aufgrund dessen er von Konkurrenten oder Wettbewerbsverbänden abgemahnt werden kann. Die unerlaubte E-Mail-Werbung ist außerdem ein Eingriff in das Persönlichkeitsrecht bzw. bei Unternehmen in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb. Auch der Empfänger, der kein Wettbewerber des Versenders ist, kann den Versender also auf Unterlassung in Anspruch nehmen.
1. Was ist Werbung?
Unerlaubte Werbung liegt aber natürlich nur dann vor, wenn es sich bei der jeweiligen E-Mail auch tatsächlich um Werbung handelt. In einer aktuellen Entscheidung des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 10.07.2018, Az. VI ZR 225/17) hat er festgestellt, dass Kundenzufriedenheitsbefragungen oder Feedbackanfragen vom Begriff der Werbung umfasst seien. Werbung seien alle Maßnahmen eines Unternehmens, die auf die Förderung des Absatzes der Produkte oder Dienstleistungen gerichtet seien. Damit sei außer der unmittelbar produktbezogenen Werbung auch die mittelbare Absatzförderung beispielsweise in Form der Imagewerbung umfasst. Kundenzufriedenheitsabfragen oder die Bitten um positives Feedback dienten zumindest auch dazu, so befragte Kunden an sich zu binden und künftige Geschäftsabschlüsse zu fördern. Dem Vorwurf der unerlaubten E-Mail-Werbung stehe es auch nicht entgegen, dass die E-Mail zusätzlich zur Werbung auch zulässigen Inhalt habe. Im vom BGH zu entscheidenden Fall war die Kundenzufriedenheitsanfrage nämlich gemeinsam mit der Übersendung der Rechnung erfolgt. Der BGH entschied, dass die nicht zu beanstandende Rechnungsübersendung der E-Mail insgesamt nicht den Charakter der Werbung nehme.
Eine ähnliche Entscheidung erging auch vom AG Bonn (Urteil vom 09.05.2018, Az. 111 C 136/17). Das AG entschied, dass Werbung allein in der Signaturzeile einer E-Mail ausreiche, um die E-Mail insgesamt zu unerlaubter Werbung zu machen. Zwar sieht § 7 Abs. 3 UWG eine Ausnahme zum Versand von E-Mail-Werbung in bestehenden Geschäftsbeziehungen vor. Die entsprechenden Voraussetzungen lagen aber im vorliegenden Fall nicht vor.
2. Wann greift die Ausnahme des § 7 Abs. 3 UWG?
Zu den Voraussetzungen des § 7 Abs. 3 UWG erging eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf. Die Voraussetzungen der Ausnahme für E-Mail-Werbung gem. § 7 Abs. 3 UWG sind, dass das Unternehmen die E-Mail-Adresse eines Kunden im Zusammenhang mit dem Verkauf von Waren und Dienstleistungen erhalten hat, die E-Mail-Adresse für Direktwerbung für ähnliche Waren und Dienstleistungen verwendet, der Kunde der Verwendung nicht widersprochen hat und der Kunde sowohl bei erstmaliger Erhebung der Adresse als auch bei jeder Verwendung klar und deutlich darauf hingewiesen wird, dass er der Verwendung jederzeit widersprechen kann und das hierfür keine Kosten anfallen.
Zur Frage, wann der Empfänger von E-Mail-Werbung ein Kunde ist, hat sich das OLG Düsseldorf (Urteil vom 05.04.2018, Az. I-20 U 155/16) geäußert. Für das Tatbestandsmerkmal "Erlangung der Adresse im Zusammenhang mit dem Verkauf von Waren oder Dienstleistungen" sei Voraussetzung, dass es tatsächlich zum Abschluss eines Vertrages zwischen dem Versender und dem Empfänger der E-Mail-Werbung gekommen ist. Es reiche nicht aus, dass der "Kunde" zwar Informationen über das Angebot des Werbenden eingeholt, sich aber dann doch nicht für ein entsprechendes Angebot entschieden habe. Ein Interessent sei kein Kunde im Sinne des § 7 Abs. 3 UWG.
Unser Tipp:
Beim Versand von E-Mail-Werbung müssen Online Shop-Betreiber sorgfältig darauf achten, dass das Double-Opt-in-Verfahren eingehalten wird und auch entsprechend dokumentiert ist. Die Ausnahme des § 7 Abs. 3 UWG gilt nur für Bestandskunden und wenn die formellen Anforderungen eingehalten wurden. Wer lediglich ein Kundenkonto anlegt, ohne eine Bestellung aufzugeben, ist kein Kunde. Verzichten Sie in jeglichen Auto-Reply-E-Mails auf Werbung!
Pflichten des Unterlassungsschuldners
Mit einem anderen Dauerbrenner im Wettbewerbsrecht haben sich das OLG Dresden und das OLG Frankfurt beschäftigt. Beide trafen Entscheidungen zum Umfang der Pflichten von Unterlassungsschuldnern. Wir haben schon öfters darüber berichtet, dass derjenige, der eine Unterlassungserklärung zum Beispiel wegen eines Wettbewerbsverstoßes oder einer Markenverletzung abgibt, dafür Sorge zu tragen hat, dass er seiner Unterlassungsverpflichtung umfassend nachkommt und hierzu gehört oft nicht nur das reine Unterlassen, sondern auch die Beseitigung von bereits eingetretenen Störungen.
1. Diese Beseitigungspflicht hat das OLG Frankfurt (Beschluss vom 01.08.2018, Az. 6 W 53/18) nochmals unterstrichen und verschärft. In der zugrundeliegenden Entscheidung war ein Unternehmen dazu verurteilt worden, ein Produkt, ein Reinigungsmittel, nicht mehr als "kennzeichnungsfrei" zu bewerben. Das Unternehmen nahm sodann auch den entsprechenden Werbehinweis von der eigenen Webseite. Weiter unternahm es jedoch nichts.
Das OLG Frankfurt entschied, dass das Unternehmen gegen das Unterlassungsverbot dadurch verstoßen habe, dass es nicht versucht habe, durch Information der Weiterverkäufer den geschaffenen Störungszustand zu beseitigen. Das OLG bekräftigte, dass die Abgabe einer Unterlassungserklärung auch zu einer Beseitigung der weitergehenden Störungen verpflichte. Die Verpflichtung zur Beseitigung des Störungszustandes bestehe im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren auch durch Einwirkung auf Dritte. Der Schuldner sei gehalten, auf Dritte, deren Handeln ihm wirtschaftlich zugutekomme, einzuwirken, wenn er mit einem Verstoß ernstlich rechnen müsse. Zwar bedürfe es grundsätzlich keines Widerrufs der irreführenden Werbeangaben gegenüber allen Kunden, die diese mutmaßlich zur Kenntnis genommen haben, denn dies würde die Anforderungen aus der Unterlassungsverpflichtung überspannen.
Im vom OLG Frankfurt entschiedenen Fall handelte es sich aber bei der irreführenden Angabe gerade um das zentrale Verkaufsargument, dem unique selling point des Produkts, die auch nach der Entfernung von der Webseite im Gedächtnis geistig fortlebe. Das Unternehmen war daher verpflichtet, den Markt, zumindest die ihm bekannten Händler und Abnehmer, über die Verurteilung zu informieren.
2. Das OLG Dresden (Urteil vom 24.04.2018, Az. 14 U 50/18) hat sich zu den Pflichten des Unterlassungsschuldners im Onlinebereich geäußert. Im zu entscheidenden Fall hatte sich ein Hotel als 4-Sterne-Hotel bezeichnet, obwohl es nicht entsprechend klassifiziert war. Das Hotel nahm den Hinweis von der Webseite, schrieb Booking.com und (angeblich) auch Google an. Dennoch tauchte der Hinweis auf die 4-Sterne-Klassifizierung in der Google-Suche auf. Das OLG Dresden betonte, dass der Unterlassungsschuldner dafür Sorge zu tragen habe, dass der wettbewerbswidrige Hinweis auf die 4-Sterne-Klassifizierung nicht mehr im Internet aufgerufen werden könnte, jedenfalls nicht über die Trefferliste von Google als eine der gängigsten Suchmaschinen.
Um seiner Verpflichtung aus der Unterlassungserklärung nachzukommen, habe der Unterlassungsschuldner die gängigen Suchmaschinen, sowie in diesem Fall auch die gängigen Portalanbieter für Hotelbuchungen wie etwa "booking.com" anzuschreiben. Der Schuldner sei zudem verpflichtet, bei Google einen Anspruch auf Löschung des Google-Cache zu stellen und nachzuhalten.
Unser Tipp:
Schon vor Abgabe der Unterlassungserklärung sollte sich der Schuldner Gedanken machen, was er alles tun muss, um seiner Verpflichtung aus der Unterlassungserklärung nachzukommen. Neben der Entfernung von rechtswidrigen Inhalten auf der eigenen Homepage muss der Schuldner auch Google und die - im Einzelfall - gängigen Portale anschreiben. Mit einer einzigen E-Mail ist es aber nicht getan. Der Schuldner muss nachweisen, dass er sich ernsthaft um die Löschung bemüht hat. Etwaige E-Mail-Korrespondenz oder Telefonanrufe sollten dokumentiert werden.
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Händler und Hersteller, die für bestimmte Produkte werben, haben umfassende Informationspflichten zu beachten. Dann gelten Regelungen mit schönen Namen wie Pkw-Energieverbrauchskennzeichnungsverordnung oder die EU-Waschmaschinen-Kennzeichnungsverordnung.
Solche Regelwerke sind auch bei der Online-Werbung, zum Beispiel über die eigene Webseite oder Facebook zu beachten. Wann aber genau eine Werbung über Facebook vorliegt, damit hat sich das OLG Celle befasst. In dem zugrundeliegenden Fall (OLG Celle, Hinweisbeschluss vom 08.05.2018, 13 U 12/18) hatte ein Autohaus auf seiner Facebook-Seite einen Facebook-Eintrag eines Dritten über ein Testergebnis eines bestimmten Pkw geteilt. Dieser Facebook-Eintrag enthielt keine Angaben über CO2-Emmissionen wie es die Pkw-EnVKV vorschreibt.
Das OLG entschied, dass das Teilen eines solchen Testberichts auf der eigenen Facebook-Seite Werbung im Sinne der Verordnung darstelle. Den Einwand des Autohauses, man habe ja nicht zum Kauf aufgefordert, sondern lediglich einen Link geteilt, wies das OLG zurück. Das Autohaus betreibe seinen Facebook-Auftritt nicht lediglich mit dem selbstlosen Zweck, Verbraucher über die Tests, der von ihm verkauften Fahrzeugmodelle zu informieren. Der Sinn und Zweck des Postings des Autohauses sei vielmehr Aufmerksamkeit über die sozialen Medien zu erregen und damit den Absatz von Produkten und Dienstleistungen zu fördern.
Unser Tipp:
Was offline gilt, gilt auch online. Und was für die eigene Webseite gilt, gilt in der Regel auch auf Verkaufsportale oder soziale Medien.