
Was wird in diesem Jahr passieren? internetworld.de hatte nach Vorhersagen für die Bereiche Onlinemarketing, E-Commerce und Technik gebeten. Hier der zweite Teil der Antworten - mit Marcus Tandler, Joel Berger, Pascal Fantou und 17 weiteren Branchenexperten.

Marcus Tandler, Tandler Doerje Partner:
Ich war noch nie ein großer Fan von Voraussagen irgendwelcher zukünftiger Trends, denn gerade in der heutigen Zeit sind die spannendsten Trends diejenigen, die niemand hat kommen sehen. Aber fest steht, dass Search im nächsten Jahr mobiler und lokaler werden wird!

Joel Berger, Managing Director von MySpace/Fox Interactive Media Germany:
Das soziale Web wird sich weiterentwickeln, und anfangen sich von den sozialen Plattformen zu lösen indem es portabel wird. Websites werden meine Präferenzen erkennen indem sie meinen "Interest Graph" auslesen und mir gleich das servieren was mich wirklich interessiert - egal ob Lieblingsfussballklub, meine Musik oder die politischen Diskussionen, die ich verfolge. Damit wird technologiegestützte Personalisierung noch relevanter auf Kosten von redaktionellen Inhalten oder Freundeempfehlungen.

Axel Schmiegelow, Geschäftsführer (CEO) und Mitgründer von sevenload:
Im letzten Quartal 2011 werden wir spektakulär erfolgreiche Kampagnen mit einer massiven Verschiebung von Werbebudgets zugunsten von Social Video und Premium-Web-TV sehen, die gleichzeitig im interaktiven TV, in digitalen Billboards, auf mobilen Endgeräten wie Smartphones und Tablets sowie im Web laufen.

Pascal Fantou, Geschäftsführer cogito ergo:
Onlinemarketing:
Das "Like" löst den "Link" noch nicht ab, macht aber die Angreifbarkeit des Googleschen Ökosystems deutlich. Ob die Partner gerne den einen Monopolisten gegen den anderen tauschen, bleibt abzuwarten, aber zumindest sind zwei große Player besser als einer. Mein persönlicher Geheimtipp bleibt die Frage: Wer gewinnt den Kampf im Wohnzimmer: Die Spielekonsole oder das Settop Device?
E-Commerce:
Auf der einen Seite sehr ich einen sehr grossen Drang von KMUs ins Internet, also die Anbieterseite wächst. Auf der anderen Seite wird es einiges an Übernahmen und Konsolidierung geben. Ich frage mich, ob es im E-Commerce einen Mittelstand geben wird. Ich vermute: Nein. Ob der neue Personalausweis schon eine Rolle spielt? Ich glaube nicht. Aber der Bedarf an einfacher und glaubhafter Authentifizierung wächst. Und an einfacheren Bezahlsystemen wie dem iTunes Store als ASP-Service?
Technik:
Flipboard, RockMelt zeigen, dass sich das ganze Internet vom Seiten-orientierten Sender-betriebenen Medium zur größeren Interaktion von sehr fragmentierten Teilnehmergruppen hinbewegt. Das bedeutet natürlich auch weniger Einfluss für den Einzelnen. Etwas mehr als zehn Jahre nach i-mode und dem mantrahaften Wiederholen von "nächstes Jahr geht's mit mobile richtig los" ist die Devise von Google "mobile first" auch für deutsche Unternehmen zumindest mehr als nur eine ernsthafte Überlegung wert.

Christoph Burseg, Managing Partner TRG - The Reach Group:
Facebook wird ernst machen mit dem Geldverdienen und Google wird ernst machen seine herausragende Stellung im Geldverdienen zu verteidigen und auszubauen. Darunter werden sogenannte "Nachfrage-Veredler" wie Vergleiche oder diverse Verticals leiden.
Wessen Geschäftsmodell das Sortieren, Anreichern und Ausspielen von Daten/Informationen ist, wird sich 2011 warm anziehen müssen. Günstige Heizdecken gibt es in Googles neuer Boutique.
Auf der anderen Seite werden breitgefächerte Reichweitenangebote im kommenden Jahr konsequent weiter daran arbeiten müssen den verpaßten Start im Geldverdienen aufzuholen. Der Trend geht weg vom "Content"-Publisher über den "Paid-Content"-Publisher aber idealerweise zum "My Content pays for itself"-Publisher.

Kathinka Arlit, Director Sales bei eprofessional:
Top-Trend ist und bleibt Social Media. Hier geht es 2011 vor allem um das Aufzeigen von Wegen, wie man über soziale Netzwerke Branding, Kundenbindung und Abverkauf sinnvoll kombinieren kann. Bislang wurde viel ausprobiert, jetzt geht es um Performance. Außerdem sehe ich im nächsten Jahr das Thema Local Search und die effiziente Nutzung von Mobile für Kommunikationsziele jenseits von Branding.

Heiko Genzlinger, Stellvertretender Geschäftsführer und Commercial Director Yahoo! Deutschland:
Rosige Zukunft im Onlinemarketing: Klassische Werbung im Netz sei im Gegensatz zur Werbung in Zeitschriften weder verkaufsfördernd noch wirklich markenbildend - das provokante Zitat von Philipp Welte hat in 2010 für reichlich Diskussionsstoff gesorgt. Was im laufenden Jahr 2010 schon nicht zutraf, wird in 2011 noch stärker widerlegt - denn das Web wird in Zukunft seinen Siegeszug fortsetzen und sich zum zweitstärksten Werbeumfeld mausern. Denn: Kein anderes Medium inszeniert Marken so interaktiv und streuverlustfrei wie das Internet. Wer das nicht sieht, ignoriert konsequent die zahllosen Wirkungsnachweise und Erfolgskampagnen der größten Marken. So entdecken beispielsweise auch immer mehr Luxusmarken von Cartier über Rolex bis Dior das Internet als idealen Ort, um ihre High-End-Produkte mit maßgeschneiderten Werbelösungen zu inszenieren – ein Trend, der sich 2011 quer durch alle Branchen weiter festigen bzw. ausbauen wird. Und auch der kontinuierliche Shift von großen Budgets aus TV in Online wird im nächsten Jahr weiter stark an Fahrt aufnehmen.
Technologie als zukunftsweisender Enabler: Für alle Werbetreibenden wird es immer wichtiger, ihre Streuverluste zu minimieren, das heißt auch in Zukunft: die richtige Botschaft zur richtigen Zeit an den richtigen Nutzer. Und das kann kein Medium derartig sicherstellen wie das Web. Mit speziellen Targeting-Lösungen realisieren Werbetreibende so die gezielte Ansprache bestimmter Interessensgruppen ohne Streuverluste, und das über diverse Web-Angebote hinweg. Neben Branding bietet das Internet wie kein anderes Medium Performance-Lösungen, sowohl im Rahmen von Suchanzeigen als auch in Form von Display-Werbung. Yahoo! Direct Response (DR) ist Yahoo!s Lösung für effizientes und transparentes Performance-Marketing im Display-Bereich und bietet Werbetreibenden dank strategischer Partner wie sueddeutsche.de, AOL, Netlog und IASH-zertifizierter Partnerseiten eine enorme Reichweite.

Michael Hoffmann, Geschäftsführer der kajomi GmbH:
Meine zwei Prognosen: Der Umsatz mit E-Mail-Werbung steigt 2011 um 30 Prozent und Facebook wird kostenpflichtige Fanseiten für Unternehmen einführen.

Volker Wiewer, CEO von eCircle:
Ich gehe davon aus, dass die Nutzung von Social-, Email- und Mobile Marketing weiterhin boomen wird. Vor allem Social Commerce wird eines der beherrschenden Themen in 2011 sein. Die Herausforderung dabei ist die sinnvolle Verknüpfung aller digitalen Kommunikationskanäle, um Konsumenten im Internet ganzheitlich zu erreichen. Klassische Werbespendings werden in den nächsten Jahren weiter zurück gehen und massiv zu den digitalen Kanälen abwandern.

Wolfhart Fröhlich, Geschäftsführer von IntelliAd Media:
Die Verzahnung der einzelnen Online-Werbekanäle wie SEA, SEO, Affiliate-, Newsletter-, Social-Media- und insbesondere Display-Marketing wird 2011 stark zunehmen. Daher wird es für alle Werbungtreibenden umso wichtiger sein, die Abhängigkeiten zwischen den verschiedenen Kanälen zu erkennen und ihre Budget-Allokation entsprechend auszurichten. Eine der größten Herausforderungen wird dabei sein, den Einfluss von Post-View-Effekten im Display-Bereich innerhalb der Conversion-Kette zu analysieren und richtig zu nutzen.

Achim Himmelreich, Partner bei Mücke, Sturm & Company:
Mit iPad, Tablets und Co. wird die Brücke zwischen Print und Online geschlossen. Wir werden in 2011 Zeugen der ersten erfolgreichen Hybrid-Medien-Angebote werden. Auch aus Print wird "Smart-Print", so dass Print in die Netzwelt integriert wird.
Aus E-Commerce wird Everywhere-Commerce – mit den neuen mobilen Geräten ist das Missing Link zwischen PC und Filiale gefunden. Der zukünftige Kaufprozess wird deviceunabhängig und unterbrechungsfrei funktionieren.

Markus Schönmann, Gesellschafter wunder media production:
2011 wird ein Facebook- ein Mode-Online-Shopping Jahr. Facebook bietet eine perfekte zeitgemäße Mischung aus Kommunikation und Content und deckt damit die Interessen der Nutzer sehr gut ab. Meiner Meinung nach wird Facebook daher noch viel stärker werden, insbesondere auch als Distributionsweg für Content und für Shopping-Empfehlungen. Im Fashion-E-Commerce sehe ich den zweiten starken Trend: Viele Marken arbeiten derzeit an ihren eigenen Shops um die Chancen und Vorteile vertikaler Distribution zu nutzen. Zeitgleich entstehen Malls, Online-Stores, Shopping-Clubs und die Handelsunternehmen geben Gas um ihre großen Zentral-Shops zu positionieren. Alle Beteiligten wissen, dass der Konsument am Ende nur ein begrenztes Set an Anbietern nutzen und sich dort binden wird. Insofern sehe ich hier einen spannenden Wettbewerb und eine dynamische Entwicklung - im Massenmarkt genauso wie mittlerweile auch im Premium-und Luxus-Segment.

Jochen Urban, Geschäftsführer von Vibrant Media:
Der Online-Werbemarkt wird 2011 durch drei Entwicklungen gekennzeichnet sein: besseres Targeting, relevantere und damit nützlichere Werbung und Interaktion mit dem Werbemittel. Online-Werbung wird dazu dynamisch an Umfelder und die Interessen der Leser angepasst. Die Werbung muss den Anspruch erfüllen, Mehrwert zu bieten und unterhaltsam zu sein. Beispielweise Live-Feeds oder Branded-Content am POI mit Interaktionsmöglichkeiten entsprechen dieser Anforderung. Voraussetzung dafür sind einheitlichere und einfachere Strukturen bei den Vermarktern. Daher erwarten wir, dass Werbungtreibende 2011 noch stärker auf Netzwerke setzen, die eine nachhaltige Targeting-Lösung mit hoher Reichweite bieten und dem Werbetreibenden einen messbaren Mehrwert bieten.

Christoph Benning, Managing Director DACH bei MediaMind:
Das Jahr 2011 wird das Jahr der Kampagnen-Vernetzung. Die gilt sowohl für Kampagnen die on air sind wie genau geplante Flights auf TKP-Basis als auch für Affiliatekampagnen auf CPX-Basis, Search oder Mobile Kampagnen. Aber auch im Kreativebereich werden wir sehen wie die Vernetzung der Systeme dynamisch das passende Werbemittel aus der Datenbank des Kunden für die jeweiligen Kampagnen erstellen wird. Ganz zu schweigen von Schnittstellen der Adserver zu den unterschiedlichen Buchungs- Planungs- und Rechnungssystemen. Der Markt braucht holistische Lösungen im digitalen Marketing, und dafür braucht es Generalisten.

Peter Christmann, Geschäftsführer SnackTV Media:
Im Zeitalter von Facebook und Co. wird es noch wichtiger, der Marke ein klares Profil über die klassische Kommunikation zu geben - Markenführung kann nicht demokratisiert werden.

Oliver Hülse, Commercial Director bei Adconion:
2011 wird das Thema "Branded Entertainment" auch in Deutschland Fahrt aufnehmen. Dabei geht es um relevante wie bewegende Inhalte, aber auch darum, Video für nachhaltige Markenbildung einzusetzen.

Simon Putzer, Sales Director Emailvision:
Um erfolgreiches Marketing zu betreiben, müssen E-Mail und Social Media crossmedial integriert werden. Das Publikum im Web 2.0 ist in erster Linie Community und nicht Kundschaft. Das heißt, Unternehmen sollten auf Facebook, Blogs und Co. in einen offenen Dialog mit Fans und Followern treten und Plattformen schaffen, um die Netzwerker als Meinungsführer und Markenbotschafter zu gewinnen. Gezielte Werbung ist tabu und sollte dem Newsletter via Mail vorbehalten sein.
E-Mail und Social Media müssen deshalb als Plattformen mit unterschiedlicher Ansprache, Zielsetzung und Interaktivität begriffen werden. Bei der Zusammenführung der unterschiedlichen Kommunikationsmodelle ist auf Konsistenz zu achten. Dadurch können die Kanäle über einheitliche Botschaften integriert werden und steigern somit direkt oder indirekt den Abverkauf.

Peter Herold, Geschäftsführer Xamine:
Prognose #1: MSN wird Search-Anteile gewinnen - Suchmaschinen bleiben auch weiterhin die #1 für Suche nach Produkten/Marken.
Suchmaschinen werden auch im Jahr 2011 die erste Anlaufstelle für die Suche nach Produkten und Marken bleiben. Zwar hat Google seinen Marktanteil 2010 weiter ausbauen können, doch durch die geplante Verschmelzung von MSN und Yahoo in 2011 wird MSN weitere Marktanteile gewinnen und sich als zweitstärkste Suchmaschine in Europa etablieren. Auch wenn Facebook weiter wächst, ist davon auszugehen, dass in diesem Bereich eher das Empfehlungsmarketing funktioniert. Wenn man aber "nur" nach einem bestimmten Produkt sucht, ist man bei den Suchmaschinen besser aufgehoben.
Prognose #2: Display ist tot - lang lebe Display: Was heute der CPC (Cost-Per Klick bei Suchmaschinenwerbung) ist, wird morgen der TKP.
Um die Reichweite der eigenen Kampagnen zu erhöhen, wird man auch zukünftig in Displaywerbung investieren müssen. Bestes Beispiel hierfür ist die derzeitige Werbekampagne von Google im Display-Bereich. In einem rein TKP-basierten Abrechungsmodell kann man günstig eine Vielzahl an Auslieferungen erzielen. Betrachtet man aber die Conversion-Rates in diesem Modell, so zeigt sich, dass ähnlich hohe Beträge wie bei der klassischen Suchmaschinenwerbung einzusetzen sind, um einen Abverkauf zu erzielen. Im Display Bereich fehlen alternative, tragfähige z.B. performance-basierte Abrechungsalternativen. Darüber hinaus gibt es zum Glück alternative Werbeformen (zum Beispiel Videowerbung), die auch in Verbindung mit viralem Marketing (Social Media) eine bessere Nachhaltigkeit erzielen dürften.
Prognose #3: Markenüberwachung wird zur #1 Disziplin - Markenartikelhersteller erkennen, dass Ihre Marken im Web wachsen, aber auch vernichtet werden können.
Seit dem 14. September bietet Google keinen eigenen "Markenschutz" mehr. Markeninhaber müssen sich seitdem verstärkt selbst um den Schutz ihrer Marke kümmern. In den von uns analysierten Branchen (wie Mode, IT, Banken) zeigt sich ein deutlicher Anstieg der Fremdeinbuchungen unter geschützten Markenbegriffen. Dies bedeutet nicht nur eine verminderte Sichtbarkeit für den Markeninhaber, sondern zieht auch eine zum Teil drastische Erhöhung der Klickpreise nach sich (Beispiele: 4 Cent pro Klick auf die Anzeige unter dem Markenbegriff vor dem 14. September 2010; 78 Cent pro Klick zum heutigen Zeitpunkt). Hier nicht mit eingerechnet ist ein möglicher Imageschaden durch Einbuchung "unseriöser" Anbieter. Verboten bleibt auf jeden Fall das Verwenden fremder Markenbegriffe im Anzeigentext oder der Display-URL.

Christian Egli, Leitung Strategie & Kreation bei Inpromo:
Social Media wird sich 2011 endgültig als strategisch wichtiger Bestandteil des Marketing-Mix etablieren. Marketing im Social Web wird strategischer, konvergenter und nachhaltiger. Und auch in den Bereichen Kunden-Support, PR und HR werden die sozialen Plattformen wichtiger. Unternehmen professionalisieren entsprechende Abteilungen und Arbeitsabläufe. Zudem löst sich die Trennung zwischen statischem Web und Social Media weiter auf. Standards und APIs werden wichtiger. Gleichzeitig zeichnet sich ein Wechsel von Pull nach Push und somit der Anfang vom Ende der Website ab.