Immer, wenn mit der dmexco das zentrale Branchenevent naht, steigt die gefühlte Trenddichte im digitalen Marketing sprunghaft an. Wir sind gut beraten, Innovationen zu schaffen, die reale Probleme lösen, statt Trend-Hopping zu betreiben.
Haben Sie sich schon Gedanken über Marketing mit Pokémon gemacht? Oder überlegt, ob das neue Instagram das bessere Snapchat ist? Und machen Sie noch was mit Vine? Oder doch schon etwas mit HoloLens und Oculus Rift? Immer, wenn mit der dmexco das zentrale Branchenevent naht, steigt die gefühlte Trenddichte im digitalen Marketing sprunghaft an. Unterhaltsam ist das allemal, aber: Trotz neuer Player und großer Fortschritte im Bereich Programmatic - alles neu im Jahresrhythmus erfinden kann selbst unsere so dynamische Branche nicht. Wir sind gut beraten, Innovationen zu schaffen, welche die realen Probleme der Marketingverantwortlichen lösen, statt Trend-Hopping zu betreiben.
"Pure business" lautet deshalb zu Recht das Motto der diesjährigen dmexco. "Business enough" gibt es im Markt. 44 Milliarden Euro (elf Prozent mehr als im Vorjahr) werden laut Handelsverband Deutschland (HDE) 2016 in Deutschland allein im E-Commerce mit den Verbrauchern umgesetzt. Dabei entfällt das Gros des Umsatzes auf immer weniger Player im Markt, der Druck auf die Webshops steigt. Nicht nur im E-Commerce, sondern im digitalen Marketing generell: Vermarkter werden zusammengelegt, Agentur-Netzwerke kaufen Digital-Know-how im Wochenrhythmus und Anbieter vertikaler Technologien müssen sich zunehmend zu horizontalen Lösungsansätzen formieren. Auch deshalb, weil Werbungtreibende ohne Marketing-Automation nicht mehr auskommen, wenn sie den Kunden wirklich in den Mittelpunkt ihrer Bemühungen stellen.
Programmatic, Customer Centricity und Personalisierung, so die zentralen Buzzwords, brauchen jede Menge Technologie im Hintergrund, um dem User wirklich die richtige Botschaft zur richtigen Zeit (idealerweise am richtigen Ort) anzubieten. Und bei der Umsetzung dieses Ziels haben viele Unternehmen noch einige Hausaufgaben vor sich. Zusätzlich zu den heißesten Trends sollten wir auf der dmexco also auch grundlegende Fragen beantworten und die richtigen Technologien dafür identifizieren. Hier ein paar ganz konkrete Beispiele:
1. Wie schaffen wir es, alle Kanäle optimal zu verstehen und zu optimieren?
Viel zu häufig gibt es in den Unternehmen noch einen Verantwortlichen für jeden Kanal, der die Performance isoliert bewertet. Der SEA-Verantwortliche schaut beispielsweise auf den CPC und CPO, der Verantwortliche für Displaywerbung eher auf den CPM und die Newsletter-Abteilung auf ihre Öffnungsraten und direkten Conversions. Das mag aus der Historie so gewachsen sein, aus Sicht des gesamten Unternehmens ist diese Trennung nicht ideal. Die Kanäle sollten ganzheitlich betrachtet werden und auf den Customer Lifetime Value (CLV) hin optimiert werden: Wenn der User im Mittelpunkt stehen soll, müssen alle Verantwortlichen für die verschiedenen Kanäle eine gemeinsame (KPI-)Sprache lernen und auch Wechselwirkungen zwischen den Kanälen miteinbeziehen.
2. Wie schaffen wir es, Datenschutz und Smart Data unter einen Hut zu bringen?
Für personalisiertes Marketing werden immer mehr anonyme Bewegungsdaten und pseudonymisierte Datensätze gesammelt. Eine wichtige Grundlage für Smart Data sind deshalb zertifizierte Schutzmaßnahmen - bei den Unternehmen selbst und den Cloud-Diensten, die diese Daten speichern. Besonders im Hinblick auf die neue EU-Datenschutzgrundverordnung müssen Unternehmen ganz genau darauf achten, wie und wo die Daten gespeichert und verarbeitet werden. Insbesondere der Datentransfer aus der EU sollte kritisch hinterfragt werden. Denn wer seine Hausaufgaben im Datenschutz nicht macht, kann Smart Data nicht umsetzen.
3. Wie schaffen wir es, Werbekanäle besser miteinander zu vernetzen?
Beispielsweise indem wir das Wissen über das Suchverhalten der Kunden auch mit Display Advertising direkt in Bezug setzen. Ein User, der über Google & Co. nach dem Produkt einer konkreten Marke sucht, ist in seinem Kaufprozess in der Regel schon sehr weit. Wenn er dann nicht direkt kauft, besteht eine große Chance darin, ihn über Displaywerbung - basierend auf seiner Sucheingabe - erneut anzusprechen. Aber auch weitere Kanäle lassen sich miteinander vernetzen: Nach TV-Spots - egal ob es der eigene oder der des Wettbewerbers ist - steigen, dem Second Screen sei Dank, kurzfristig auch die Suchanfragen im Web. Warum sich diesen Effekt nicht zu Nutze machen und über ein intelligentes Bidding Gebote für die passenden Keywords und Display-Platzierungen für einen kurzen Zeitraum anheben? Durch derartiges Triggering gelingt es ganz gezielt, den Großteil des durch den TV-Impuls verursachten Traffics auf die eigene Seite oder in den eigenen Shop zu lenken.
4. Wie gelingt uns erfolgreiches Content Marketing?
Auch wenn viele Marketer diese Buzzwords wahrscheinlich nicht mehr hören können, AdBlocker und Banner Blindness bleiben im Display-Bereich zentrale Herausforderungen. Das mobile Zeitalter stellt zusätzlich neue Anforderungen an "Werbung". Und Content Marketing braucht neben attraktiven Inhalten in der Regel auch Paid Media - so ist sichergestellt, dass die Botschaften über Social und Native Advertising genügend Aufmerksamkeit bekommen. Publisher müssen deshalb Werbeformen anbieten, die aufmerksamkeitsstark sind, aber nicht penetrant auf den User wirken. Und Advertiser sollten Content und Marketing Performance sinnvoll durch zielgenaue Botschaften und Stories besser vernetzen, um sich von einer reinen Display Ads-Logik zu verabschieden.
5. Wie schaffen wir es, ein Gefühl dafür zu kriegen, wie sich Erlöse entwickeln, wenn Werbungtreibende künftig mehr Geld in digitale Kanäle investieren werden?
Wenn der Umsatzanteil digitaler Kanäle am Gesamtumsatz steigt, sind Werbungtreibende eher bereit mehr Geld in digitales Marketing zu investieren. Nicht weil sie besoffen sind von digitalen Medien (wie der Media-Experte Christof Baron kürzlich diagnostizierte), sondern weil sie messen und nachweisen können, dass Online-Marketing funktioniert. Bleibt Werbung aber so effizient, wenn man das Budget einfach erhöht? Was passiert, wenn man 10, 20 oder 30 Prozent mehr investiert? Steigt der Umsatz ansatzweise linear oder wann ist der Grenznutzen in einzelnen Kanälen erreicht? Mittlerweile gibt es Technologien, die diese Fragen beantworten und konkrete Entscheidungshilfen liefern.
Pauschale Antworten auf all diese Fragen zu geben, ist nahezu unmöglich. Zu unterschiedlich "ticken" einzelne Branchen und sogar Subsegmente, zu unterschiedlich "reif" sind sie entwickelt.
Mein Fazit
Bevor wir mit dem Marketing in der virtuellen Realität starten, liegen noch jede Menge ganz realer Hausaufgaben vor uns. Insights über das Verhalten der Kunden zu gewinnen, wird für Werbungtreibende zentral. Aber noch wichtiger wird es, diese Insights auch in konkrete Umsätze umzuwandeln. Am besten fangen wir auf der dmexco schon mal damit an.