Smart Wearables liegen voll im Trend. Sie sammeln alle möglich Daten über den User und sollen Aufschluss über den Kalorienverbrauch und den Gesundheitszustand geben. Doch die echte Anbindung an das Internet der Dinge sucht der Nutzer leider noch vergeblich.
Zwölf Monate ist es her. Was war ich aufgeregt, als ich dich aus der Verpackung nahm. Dann die erste gemeinsame Nacht, die erste Joggingrunde um den See, die erste Synchronisation mit der App. Endlich ging es los mit dem Tracking meiner Aktivitäten - Wearable, Willkommen in meinem Leben!
Über viele Wochen fühlte sich das Ganze richtig gut an. Ich wurde angespornt mich mehr und regelmäßiger zu bewegen und zu schlafen. Doch das genügte mir nicht. Es kamen weitere Apps dazu - eine um die aufgenommenen Kalorien zu bestimmen, eine um meinen Schlaf noch besser zu messen und mich in der Aufwachphase zum richtigen Zeitpunkt zu wecken und eine, die wirklich all meine Sportaktivitäten aufzeichnen konnte.
Wirklich spannend wurde es, als ich die Apps und das Armband verbinden wollte. Das war gar nicht so einfach - denn einen Standard dafür gibt es nicht. Und so habe ich auch schon mal mit einer Sporteinheit gleich zweifach Kalorien verbrannt. Wie das geht? Ganz einfach! Es wurde doppelt getrackt. Das mag für den ein oder anderen natürlich verlockend klingen - mal einfach so die doppelte Kalorienanzahl zu verbrennen - ist aber natürlich Unsinn! Und so musste ich jedes Mal manuell eine Sporteinheit aus der Kalorien-App löschen.
366 Tagesdatensätze - und jetzt?
Und nun - zwölf Monate später? Ein ganzes Jahr an Daten habe ich gesammelt. Tag und Nacht. Wertvolle, persönliche Daten. Aber wie geht es jetzt weiter? Was habe ich davon? Eine echte Optimierung meiner Gesundheit, das wäre eigentlich mein Ziel für 2017 gewesen - basierend auf den 366 Tagesdatensätzen des letzten Jahres. Doch genau hier stehe ich grad in der Sackgasse. Die Lernkurve der ersten Wochen ist schnell deutlich flacher geworden. Auch die Motivation, mich täglich nach den Daten zu richten, verebbte mit der Zeit. Der nächste Schritt, mit den Daten letztlich auch etwas anzufangen, fehlt. Die echte Anbindung an das Internet der Dinge? Fehlanzeige!
Klar, ich könnte mir jetzt die neueste Fitnessarmband-Generation kaufen, mit GPS, Pulsmesser, Weckfunktion und mehr. Aber bringt mich das weiter? Warum schlägt mir das Armband nicht vor was ich essen sollte? Warum erstellt es nicht - wenigstens halbautomatisch - die Einkaufsliste für den nächsten Supermarktbesuch? Warum spricht keine App mit den ganzen tollen, smarten Küchenmaschinen und schlägt gesunde Gerichte vor?
Mein Fazit
Was das Internet der Dinge angeht, stehen wir noch ziemlich am Anfang. Das hat mir der Ein-Jahres-Selbstversuch gezeigt. Kaum ein Gerät spricht mit dem anderen; geschweige denn mit weiteren Instanzen, die sich für mein gesundes Leben interessieren könnten. Und wenn, dann nur zufällig oder durch Kooperationen vereinzelter Anbieter und Hersteller.
Warum aber bekommt meine Krankenkasse die Daten nicht für eine Art digitales Bonusheft; ganz ohne Stempel vom Fitnessstudio? Meine Krankenkasse kennt meine Sportakte nicht. Und selbst wenn sie Interesse daran hätte, sie wüsste sicher nicht, wie sie drankommen sollte. Denn einen Standard zum Datenaustausch gibt es nicht und bisher ist auch - mal abgesehen vom Internet-Protokoll - noch keiner in Sicht. Genau hier muss sich in der nächsten Zeit etwas tun, um den wirklichen Mehrwert des Internet of Things zu nutzen.
Die Vermessung meiner eigenen kleinen Welt
Gefühlt landen meine Daten in den Datensilos einzelner Anbieter, die diese dann sicher auf die eine oder andere Art und Weise vermarkten. Für mich als Endnutzer endet die User Experience jedoch an der Silogrenze. Was schade ist, sind Wearables doch ein hoch-emotionales Thema und eine der wenigen Ausnahmen, für die ich sogar bereit wäre, bei einem echten Mehrwert der Weiterreichung meiner höchstpersönlichen Daten zuzustimmen. Für einen solchen Mehrwert müssen die privaten Dateninseln, die wir uns durch Fitnessarmbänder, Schrittzähler und Smart Watches schaffen, jedoch anschlussfähig gemacht, die vermessene Welt erweitert werden. Hier sind nicht nur die Hersteller der einzelnen Wearables und zugrundeliegender Infrastruktur in der Pflicht, sondern auch Interessensverbände, die von den gesammelten Daten profitieren können, also Ärzte, Ernährungsberater oder Versicherungen. Und das nicht erst in ein paar Jahren, sondern jetzt.
Die DKV-Versicherung hat in einer Studie aus dem vergangenen Jahr geschlussfolgert, dass Wearables für gesunde Menschen mit nur durchschnittlichem sportlichen Ehrgeiz auf Dauer nicht sehr spannend seien. Anders sähe es aber bei Menschen aus, denen zum Beispiel der Arzt die Überwachung bestimmter Körperfunktionen empfohlen hat oder die an einer chronischen Erkrankung leiden. Wenn ein Armband in der Lage sei, Puls und Blutdruck verlässlich zu messen und automatisch zu übertragen, könne das das Leben von Patienten wirklich erleichtern.
Stimmen Messung und Anbindung - sprich automatische Übertragung - dann bin ich durchaus der Meinung, dass es genügend Anwendungsfälle für alle Nutzer gibt, vom Sportmuffel bis hin zum Enthusiasten. Das angesprochene Bonusheft ist nur eine Möglichkeit, wie Versicherungen ihre Kunden zu mehr Bewegung motivieren könnten. Wenn... ja, wenn sie denn an die Daten kämen.
Die Zeit ist jetzt, nicht in zehn Jahren!
Ob im medizinischen Bereich, versicherungstechnisch oder bei der Ernährung - das Potenzial von Fitnessarmbändern und Co ist längst nicht ausgereizt. Die Branche muss hier schnell reagieren und entsprechend verknüpfte Einsatzszenarien schaffen, sonst haben die Endverbraucher die Technologie längst hinter sich gelassen und das Interesse verloren, wenn es anfängt spannend zu werden. Das ist ein Credo, das im Übrigen für die gesamte IoT-Branche gilt, von Küchengeräten bis hin zu vernetzten Autos.
Der Nutzer wurde über Jahre mit einer Zukunftsvision der vernetzten Welt geködert. Jetzt gibt es vernetzte Geräte aller Couleur, die aber eher Insellösungen sind. Wir müssen dem Verbraucher eine wirkliche Vernetzung bieten. Jetzt! Und nicht erst in zehn Jahren. Denn ansonsten hat er das Interesse an der vernetzten Welt längst verloren, wenn diese endlich soweit ist.