
Die Entwicklung der IT-Branche in den USA ist uns um einige Zeit voraus - vor allem in Sachen Search-Entwicklungen können Online Marketer hierzulande noch einiges erwarten.
Wenn deutsche Online Marketer einen Blick in die nähere Search-Zukunft werfen möchten, müssen sie nicht etwa in eine Glaskugel, sondern eigentlich nur über den großen Teich schauen. Der englischsprachige Google.com-Index und die dort ausgerollten Neuerungen in der Suche können als Zukunftsprognose für weitere Sprach- und Länderindexe angewendet werden. So war es schon beim Panda-Update, das bei Google.de erst knapp sechs Monate später als im US-Index ausgerollt wurde.
Die Zeiträume werden zwar durch die technische Evolution immer kürzer und sind teilweise - etwa bei Algorithmus-Updates, die oft global ausgerollt werden - nicht mehr vorhanden. Dennoch stellt die Sprachbarriere weiterhin eine Hürde dar. Entwicklungen, die Semantik und Inhalt betreffen, werden mit Verzögerung oder nicht in gleichem Maße im Suchalgorithmus anderer Länder bewältigt.
1. Mobile & Apps
Bereits im Mai 2015 erklärte Google, dass unter anderem in den USA mittlerweile mehr Suchanfragen über Mobilgeräte als über Desktops gestellt würden. Doch nicht nur der "Mobile Shift" bietet Herausforderungen und Möglichkeiten für Online Marketer und SEOs, sondern vor allem auch die verbreitete Nutzung von Apps auf Mobilgeräten. Rund die Hälfte der US-Bürger nutzt laut Google-Untersuchungen ihr Smartphone zur Produkt-Recherche beziehungsweise zum Produkt-Kauf.
Die App-Promotion für den Google Play Store ist weder leicht noch preiswert - dabei gibt es einige Möglichkeiten, die Verbreitung der eigenen App außerhalb des offiziellen Stores zu promoten. So ermöglicht das App-Indexing beziehungsweise App-Deeplinking, dass Google die Inhalte von Apps auslesen und in den Suchergebnissen anzeigen kann. Nutzer, die die App installiert haben, können dann wählen, ob sie das Dokument über die Website oder die entsprechende App öffnen wollen. Für Online Marketer bietet App-Indexing eine gute Möglichkeit, die Zahl der wiederkehrenden Nutzer zu erhöhen - schließlich werden 20 Prozent der Apps nur ein einziges Mal geöffnet. Die Searchmetrics-Studie zum App-Indexing konnte zeigen, dass in den USA bei 30 Prozent Android-Apps und 19 Prozent der iOS-Apps Deeplinking integriert ist. In Deutschland ist die Verbreitung geringer; hierzulande findet sich das Deeplinking bei 26 Prozent der Android-Apps und zehn Prozent der iOS-Apps.

App-Indexing
Searchmetrics
Googles App Packs
Ebenfalls implementiert Google bei einer zunehmenden Zahl von Suchanfragen auf Mobilgeräten sogenannte "App-Packs", bei denen passende Apps zur Installation vorgeschlagen werden. Eine erste Stichprobe für Google.com, die wir im Frühjahr 2016 durchgeführt haben, zeigt, dass in den Branchen E-Commerce und Finanzen gut zehn Prozent der Anfragen mit entsprechenden App-Pack-Integrationen von Google beantwortet werden.
Noch viel spannender als die von Google vorgestellten "Rich Cards", bei denen etwa für Kochrezepte horizontal scrollbare Suchergebnisse in Bildform implementiert werden, sind die "Instant Apps". Dabei können Nutzer direkt aus dem Suchergebnis in die - nicht installierte - App springen und sich darin bewegen.
Technisch gelöst wird dies durch das Segmentieren der App in Teilbereiche. Bei einem Aufruf soll dann nur das benötigte App-Segment heruntergeladen werden. Im Gegensatz zu bisherigen Web-Apps soll dies ein schnelles, natives App-Erlebnis ermöglichen - und würde die Grenze zwischen einem aus Verlinkungen bestehenden, offenen Netz und der geschlossenen Welt der Apps komplett einreißen. Die "Instant Apps" sollen noch 2016 erscheinen.
2. Voice Search
Eine weitere Auswirkung der Nutzung von Mobilgeräten ist die Zunahme von Sucheingaben über Sprachassistenten. Schon jetzt kämen 20 Prozent der Anfragen über Voice Search, so Google-CEO Sundar Pichai auf der hauseigenen Entwicklerkonferenz Google I/O 2016. Dabei wird Voice Search hauptsächlich für Anrufe, zur Navigation und zur Zeitansage verwendet. Auch für das aktuelle Kinoprogramm und zum Musikspielen wird die Sprachsuche verwendet.
Entsprechend entwickelt Google bereits seit einigen Jahren Lösungen für die "Conversational Search" - schließlich werden laut einer Schätzung des US-Statistikunternehmens Comscore im Jahr 2020 bereits 50 Prozent aller Suchanfragen als Voice Search ausgeführt werden.
Google Home, Extendend Search Integrations und Semantische Suche
3. Google Home
Was die Anzahl der Suchanfragen via Sprache anbelangt, wäre Google-CEO Pichai sicher noch optimistischer - schließlich arbeitet der Konzern mit dem "Google assistant" und der eigenen Tensor Processing Unit (TPU) an einer auf Machine-Learning basierenden Spracherkennungstechnik, die nicht nur Search verändern wird.
Der Konzern entwickelt mit dem WLAN-Assistenten "Google Home" eine Steuerungszentrale für vernetzte Haushalte, dessen Basis der "Google assistant" ist. Die WLAN-Steuerungszentrale soll auch Search integrieren und auf kontextbasierte Nachfragen reagieren können. Das Gerät wird laut Google noch 2016 erscheinen. Man darf gespannt sein, welche Ergebnisse von Google ausgespielt werden, wie sich dies auf CTRs und Conversions auswirken wird - und wie Online Marketer und SEOs in den USA diesen Trend für sich nutzen werden.
4. Extendend Search Integrations
Klar ist bereits heute, dass die gesprochene Suche zu veränderten Anfragen führt. Bei Textsuchen tippen Nutzer meist ein bis drei Wörter ein; die Sprachsuche führt vielfach zu längeren Suchen - meist in Frageform.
In einer nicht-repräsentativen Stichprobe haben wir im Frühjahr relevante Suchanfragen für die fünf wichtigsten Fragewörter in Deutsch und Englisch untersucht - und analysiert, wie häufig Direct Answers als Ergebnis ausgespielt werden - also Antwortboxen über den organischen Suchergebnissen, die meist von thematisch autoritativen Webseiten extrahiert werden.
Während Google.com für jede fünfte Suchanfrage eine Direct-Answer-Integration ausspielt (21 Prozent), sind es in Deutschland bisher nur ein Prozent. Eine der wichtigsten Ursachen hierfür ist sicherlich der deutlich größere Sprach-und Entitäten-Korpus, den Google für die englische Sprache bereits besitzt und der in semantisch komplexeren Sprachen wie dem Deutschen sicher schwerer zu erstellen ist. Schauen wir auf die Fragewörter, die Google mit Direct Answers beantwortet, so liegt in den USA "How" und "What" vorn, in Deutschland sind es "Wann" und "Wer".
Diese zusätzlichen Widgets sind nicht neu - den Beginn machte die Universal Search mit News, Bildern und Videos im Jahr 2007. Inzwischen liegt die Anzahl von Widgets, mit denen die zehn organischen Ergebnisse angereichert werden können, in einem dreistelligen Bereich. Google experimentiert stets mit neuen Möglichkeiten - vor allem durch eine Implementierung solcher Widgets in den US-Suchergebnissen. Oft von Online Marketern mit Skepsis betrachtet, bieten solche Extended Search Integrationen bei korrekter Optimierung eine zusätzliche Möglichkeit, viel organischen Traffic für die eigenen Web-Projekte zu generieren.
5. Semantische Suche
Auch für deutsche Online Marketer und Search-Profis gilt seit einigen Jahren, dass alte SEO-Taktiken wie die Keyword-Optimierung von Landingpages nicht mehr funktionieren. Warum dies so ist, zeigt ein Blick in die Suchergebnisse von Google.com, etwa für die Longterm-Suchanfrage "Movie where they make fun of Star Wars". Auf Platz 1 landet direkt der entsprechende IMDB-Eintrag zu Spaceballs, der Mel-Brooks-Parodie auf den Krieg der Sterne - ohne, dass sich das Keyword "Star Wars" im Title, in der URL oder in der Description finden würde.
In Deutschland dagegen fällt die Treffergenauigkeit von Google auf Suchanfragen nach der "Filmparodie auf Star Wars" längst nicht so präzise aus. Hierzulande belegt der Wikipedia-Eintrag zu "Star Wars" auf Platz 1. Möge (trotzdem) das Keyword mit dir sein? Nun, das scheint keine Strategie zu sein, die angesichts des semantischen Fortschritts im US-Suchalgorithmus von Google von langfristigem Erfolg gekrönt sein dürfte.
Auch ein Blick auf die Ranking-Faktoren, die Searchmetrics jedes Jahr erstellt, zeigt diesen Unterschied bereits deutlich - zum Beispiel bei den in Deutschland im Vergleich noch deutlich verbreiteteren Keyword-Domains. So fanden sich im vergangenen Jahr in den Top-10-Suchergebnissen von Google.com nur halb so viele Keyword-Domains wie in Deutschland. Während es Deutschland zehn Prozent waren, lag der Anteil bei Google.com bei fünf Prozent.
Statt auf Keywords liegt der Fokus in den USA bereits deutlich stärker auf einem Nutzer- und Content-zentrierten Ansatz, der auch Nebenaspekte zu einem Haupt-Topic thematisiert und damit eine holistischere und viel umfangreichere Informationsleistung für den User erbringen kann. Dies zeigt sich etwa an der Verwendung von Relevant Terms, also semantisch weiter entfernten Verwandten des Haupt-Keywords. Während 53 Prozent der in den Top 10 platzierten US-Landingpages solche Relevant Terms verwenden, lag der Anteil in Deutschland im vergangenen Jahr nur bei 41 Prozent.
Fazit
Nirgends lassen sich aktuelle Technik-Trends besser beobachten als in den USA. Möglich werden diese Entwicklungen durch die Fortschritte, die Google im Bereich der semantischen Suche erzielt - vor allem in englischer Sprache. Wenn dieser Machine-Learning-Ansatz jetzt mit dem "Google assistant" auch auf den Bereich Spracherkennung ausgeweitet wird, dürfte dies Search einmal mehr auf ein neues Level heben.
Gleichzeitig zeigen die Datenerhebungen für den US-Google-Index, welche Aspekte auch für deutsche Online-Marketer interessant sein können - zum Beispiel für die App-Promotion außerhalb des Play Stores oder die Seiten-Optimierung für die Google-Widgets, die künftig auch in Deutschland eine stärkere Rolle spielen werden.
Klar sein dürfte, dass taktische SEO-Ansätze, die sich auf Keywords und Backlinks fokussieren, keinen langfristigen Erfolg haben werden. Stattdessen wird es angesichts dieser Veränderungen im Bereich Search immer wichtiger, nutzwertigen Content anzubieten, der möglichst umfassende Antworten auf Nutzerfragen liefert und technisch sauber auf allen Devices läuft. Die Investition in guten, einzigartigen Content ist die beste Möglichkeit, auch künftig mit seinem Online-Business wachsen zu können.