Rasmus Giese, Geschäftsführer von United Internet Media
Rasmus Giese, Geschäftsführer von United Internet Media
Eine Nachricht mit Signalwirkung: Die Spiegel-Online-Homepage wird per Programmatic Buying verkauft. Das ist nicht der Niedergang der Online-Werbung, sondern die nächste fällige Evolutionsstufe.
Die Nachricht schlug ein wie ein Fausthieb von Mike Tyson: Die Spiegel-Online-Homepage wird per Programmatic Buying verkauft - wenn auch zunächst nur medienwirksam am zweiten dmexco Tag. Doch das reichte schon, um Branchenexperten in helle Aufregung zu versetzen. "Ein Armutszeugnis für die ganze Branche", warnte etwa der Media-Experte Thomas Koch und sprach sogar von Internet-"Verramschung". Warum nur gleich immer so apokalyptisch?
Betrachten wir die Dinge nüchtern. Fakt eins: Ja, Programmatic hat ein Inventarproblem. Damit beschäftigen sich die Agenturen intensiv. Die Probleme sind teilweise gelöst, zum Beispiel durch die Verifizierung von Werbeaussteuerungen und die Prävention von Platzierungen in markengefährdenden und unerwünschten Umfeldern. Teilweise aber auch nicht.
Denn während früher händisch aussortiert wurde, kommen alte Themen wie Fraud nun durch die programmatische Hintertür zurück. Eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit dem Qualitäts-Vermarkter des Vertrauens ist für Agenturen und Werbungtreibende der entscheidende Erfolgsfaktor. So kann sichergestellt werden, dass echte Werbung auch auf echte Nutzer trifft. Wer nur auf den Preis schaut, muss sich nicht wundern, wenn er Low Quality einkauft.
Retargeting-getriebene Revolution
Fakt zwei: Programmatic war zweifellos das Hype-Thema der vergangenen drei Jahre. Mit den Automatisierungsplattformen kamen völlig neue Player auf den Markt. Statt manuell wurde Werbung nun nach dem Modell des Börsenhandels in Echtzeit eingekauft. Viele sprachen von einer echten Revolution im Online-Marketing. Wenn man sich die Kraft dahinter anschaut, kommt man allerdings zur Erkenntnis, dass die Revolution primär Retargeting-getrieben war. Dies ist allerdings nicht endlos skalierbar. Daher glaube ich, dass nun eine neue Phase anbricht, die ich eher als Evolution bezeichnen würde.
Die neue Online-Disziplin wird weiter wachsen, wenn auch nicht mehr so rasant. Denn es geht um einen Strukturwandel im Markt hin zu einer neuen Logistik. Und das ist alles andere als ein Ausverkauf; vielmehr ein nachhaltiges Upgrade, für das es ganz einfach Zeit braucht. Zeit, die alle Marktplayer sich nehmen sollten, um Kompetenzen aufzubauen und die neuen Möglichkeiten mit Augenmaß zu realisieren.
So hat es auch lange gedauert, bis die ersten Qualitätsanbieter bereit waren, ihr Inventar programmatisch anzubieten. Wer es wagt, wird überrascht feststellen, dass sich gute TKPs auf diesem Weg erzielen lassen. Das Bieterverfahren führt zu einer optimalen Inventarallokation. Der Werbungtreibende mit der besten Verwendungsmöglichkeit gewinnt das Bid. Entsprechend werden auch immer weitere Premium-Formate programmatisch angeboten. Die Ankündigung von Spiegel QC ist die logische Konsequenz. Nicht der Niedergang der Online-Werbung, sondern die nächste fällige Evolutionsstufe. Herzlichen Glückwunsch, Spiegel!
