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Expert Insights
Sonstiges 14.08.2018
Sonstiges 14.08.2018

Expert Insights Give your brand a voice: Sprache als Interface

Franziska von Lewinski, Vorstand fischerAppelt

Franziska von Lewinski, Vorstand fischerAppelt

In welchen Situationen wird das neue Voice User Interface der Sprachassistenten (VUI) die traditionellen grafischen Bedienelemente (GUI) ablösen? Welche Potenziale ergeben sich daraus für Marken?

Erstaunlicherweise liefert Science Fiction immer wieder treffende Einblicke in unsere Zukunft - egal ob es um künstliche Intelligenz, Gentechnik, Raumschiffe oder neue Formen der Interaktion mit Maschinen geht. Legendär ist dabei eine Szene aus dem Film "Star Trek IV: Zurück in die Gegenwart". In dieser Szene sitzt Scotty vor einem traditionellen Computer und versucht, mit ihm zu sprechen. "Computer? Computer? Hallo? Computer?" Als nichts passiert, entgegnet ihm Dr. Nichols: "Das da ist die Tastatur". Scotty: "Tastatur? Wie rückständig!" Was können wir daraus für das Marketing lernen?

Tastatur war gestern

Tatsächlich sprechen wir in unserem Alltag immer häufiger mit Maschinen. Wir nutzen dazu text- und sprachbasierte Bedienelemente, auch bekannt als Conversational Interfaces. Insbesondere Messenger-Dienste und Chatbots arbeiten dabei textbasiert. Mit Sprachassistenten kommunizieren wir hingegen mittels gesprochener Sprache. Letztere sind vor allem auf Smart Speakern, Smartphones, Wearables und in IoT- beziehungsweise Smart Home-Anwendungen integriert. Beide Technologien basieren auf künstlicher Intelligenz und ermöglichen uns eine Annäherung an unsere persönlichen Gesprächsgewohnheiten. Doch in welchen Situationen wird das neue Voice User Interface der Sprachassistenten (VUI) die traditionellen grafischen Bedienelemente (GUI) ablösen?

VUI-Marktentwicklung noch am Anfang

Der Markt für Smart Speaker und deren Anwendungen wächst, ist aber verglichen mit anderen Märkten noch klein. Laut einer Studie von CIRP lag die Marktdurchdringung in den USA Ende 2017 bereits bei 45 Millionen Exemplaren und hat sich zwischen Juni und Dezember des Jahres mehr als verdoppelt. Nichtsdestotrotz sind wir weit davon entfernt, dass jeder Haushalt einen Smart Speaker besitzt.

Daher wundert es nicht, dass VUIs derzeit im Bereich der überzogenen Erwartungen des Gartner Hype Cycles eingeordnet werden. Wir dürfen jedoch nicht außer Acht lassen, dass Sprachassistenten ebenso auf vielen anderen Endgeräten wie Smartphones genutzt werden können. VUIs könnten daher schnell eine Schnittstelle zu Millionen Nutzern und neuen Zielgruppen werden.

Wo VUIs helfen

Laut einer Befragung des BVDW nutzte Ende 2017 bereits jeder Zweite Deutsche (56 Prozent) einen Sprachassistenten. Doch warum nicht mehr? Laut Splendid Research liegt dies insbesondere daran, dass noch keine sinnvollen Anwendungen verfügbar sind. Mit 53 Prozent liegt dieses Argument noch vor den Datenschutzbedenken (25 Prozent) auf Platz 1. Viele der heutigen Anwendungen sind lediglich mit zwei von fünf Sternen bewertet. Welche Use Cases sind also für Sprachassistenten relevant? Die kurze Antwort: Immer dann, wenn wir kein GUI bedienen können - in der Küche beim Kochen, mit dem Kind auf dem Arm, unterwegs im Auto oder beim Schuhe zubinden. Aber auch im B2B-Umfeld können VUIs interessant sein: Zum Beispiel kann ein Mechaniker die nächsten Montage-Schritte abfragen, während er noch unter dem Auto liegt.

Chancen für First Mover

Sprachassistenten bieten einen Medienzugang in Situationen, in denen dies bisher nicht möglich war. Darüber hinaus ist Sprache die natürlichste Form der Kommunikation und die technischen Hürden sind nicht besonders hoch. Im Gegenteil: die technische Weiterentwicklung verläuft rasant. Da gute Anwendungen bisher rar gesät sind, gibt es enorme Chancen für First Mover, um frühzeitig aus der Masse herauszustechen. Hinzu kommt, dass Unternehmen heute mit dem Erfahrungen sammeln können, was morgen mit Selbstverständlichkeit genutzt werden wird. Manch einer mag hier an die mobile Revolution erinnert werden, die immer noch nicht von allen Unternehmen gelöst wurde.

Mit Know-how und Verantwortungsgefühl Risiken begegnen

Sprach-Interfaces haben jedoch auch einige Risiken. Dazu gehört die Tatsache, dass Sprache komplex ist. Denn so kann ein hohes Frustpotenzial entstehen, wenn Assistenten nicht zufriedenstellend auf den User reagieren. Erforderlich ist deshalb umfangreiches Know-how in der Konzeption und Umsetzung. Vergleichbar mit sozialen Netzwerken begeben sich Unternehmen wieder in eine Abhängigkeit von Plattformen wie Amazon und Google.

Dazu gesellen sich Datenschutzbedenken und ethische Fragen: Ist es für den User in jeder Situation ersichtlich, dass er mit einer künstlichen Intelligenz spricht? Stichwort: Google Duplex. Das sind Punkte, über die wir gemeinsam sprechen und mit denen wir verantwortlich umgehen müssen.

Qualität, Mehrwert, Systeme - die Herausforderungen

Drei Herausforderungen müssen gelöst werden. Erstens muss sich die Qualität der Voice-Plattformen verbessern. Derzeit gibt es noch zu viele Mängel in der Spracherkennung und Sprachsynthese. Kleine Nuancen können dabei entscheidend sein.

Zweitens brauchen wir durchdachte Konzepte, die einen Mehrwert liefern - Relevanz und nicht ein weiteres Feature um des Features willen. Hier hilft es, empathische Dialoge aus Sicht des Kundenservices oder Vertriebs zu denken und den Sprachassistenten selbst erstmal gedanklich auszublenden.

Drittens benötigen Unternehmen umso stärker sogenannte Future Friendly Systems, das heißt Systeme, die Inhalte kanalunabhängig speichern und auch ausspielen können. Wer zum Beispiel in den Voice Commerce einsteigen möchte, der muss Produkt- und Kundendaten auch so anlegen, dass sie über Voice abrufbar sind.

Alle Kommunikationskanäle nutzen

Heutzutage operieren viele - wenn überhaupt - mit unabhängigen Einzellösungen für unterschiedliche Aufgaben. Wie praktisch wäre es aber, einen digitalen Butler zu haben, der in jeder Situation versteht, was ich wirklich brauche. Der mir vorausschauend ein Taxi ruft, wenn ich spät dran bin. Mich auf Artikel hinweist, die mich gerade wirklich interessieren. Mich an die Einnahme eines Medikaments erinnert, wenn ich krank bin.

Mein Butler sollte mit mir dann auch über jedes Device kommunizieren können, per Voice, Text, Bild oder Video. Daher dürfen sich Marken heute nicht mehr auf einen Kanal beschränken, wenn sie morgen plötzlich ganz woanders sein müssen. Sie müssen Content und seine Verknüpfung zukunftsfähig machen.

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