Das Besetzen tagesaktueller Themen ist ein essenzielles Erfolgsrezept, um daraus Gesprächsstoff für die eigene Marke zu erzeugen. Dieser Ansatz ist aktueller denn je. Digitale Medien wirken als Katalysator.
"Für alle, die einen Gauland in der Nachbarschaft haben", oder die sich ähnlich wie der beim Drogenkauf ertappte Grünen-Politiker Volker Beck "(...) zur Abwechslung mal eine Nase frischen Wind" gönnen möchten, bietet Sixt seit Jahren nicht nur Umzugslaster und sportliche Cabrios zur Miete, sondern regelmäßig PR-trächtige Anzeigenkampagnen. Dass das Anwaltsbudget für die Anzeigen zur Kampagne dabei im Mediatopf mit eingeplant ist, ist anzunehmen. Das Besetzen tagesaktueller Themen ist für den Pullacher Konzern essenzielles Erfolgsrezept, um daraus Gesprächsstoff für die eigene Marke zu erzeugen.
Dieser Ansatz ist aktueller denn je. Digitale Medien wirken hier wie ein Katalysator: Einerseits feuern sie das Teilen des neuesten heißen Scheiß, in Echtzeit, an. Gleichzeitig bieten Snapchat, Instagram & Co. Markenbotschaften etwas mehr Flexibilität und Aktionsspielraum als die gute alte Littfasssäule oder ein über mehrere Monate geplanter 30-Sekünder vor der Tagesschau.
Es ist spannend zu beobachten, wie immer mehr Unternehmen ein bisschen mehr Sixt sein möchten. Egal, ob Serien-Anwalt Saul Goodman für Netflix die Nachrichten gefühlt live auf Online-Newsportalen kommentiert oder ob die Social-Media-Redaktionen von Ikea und Tchibo gemeinsam das #FollowMeTo-Hashtag abfeiern: Echtzeit-Content ist nicht nur für Mobilitätsanbieter sexy geworden.
Wer nicht relevant ist, wird ignoriert
Im Zeitalter von Informationsüberflutung, Adblockern und Werbeblindheit ist "Relevanz" Trumpf. Nur wenige Dinge sind relevanter als das, was meine Freunde teilen, liken, kaufen, backen oder empfehlen. Genau jetzt! Erfolgreiche Marken hören deshalb auf, in eindimensionalen starren "Zielgruppen" (Mit einer zentralen Werbebotschaft wird auf eine Gruppe von Menschen gezielt und geschossen) zu denken.
Sie interessieren sich für die Themen, die Menschen bewegen. Was sie inspiriert, welche Fragen sie stellen und wer sie überhaupt sind. Genau jetzt! Wenn Marken nicht riskieren wollen, einfach ausgeblendet zu werden, müssen sie beweisen, dass sie in der Lage sind mit einer vernetzten Welt Schritt zu halten. Wer hat schon Lust, sich mit jemandem zu unterhalten, der nicht die selben Interessen teilt oder nie antwortet? Echtzeit-Content ist eine mögliche Antwort. Er bringt Mensch und Marke auf einen Nenner.
Zwischen Push und Pull
Ideologie-Debatten zum Thema Content Marketing wie sie zu Beginn des Jahres zwischen Digitalen und Klassikern ausgetragen wurden, lassen mich deshalb sehr schmunzeln. "Echtzeit-Content" muss sowohl Tutorial als auch Geschichten erzählen können.
Das Erkennen von Themen und die Fähigkeit, diese innerhalb kürzester Zeit regelmäßig mit eigenen Blogartikeln, YouTube-Videos oder Tweets zu beantworten, ist dabei die größte Herausforderung. Als Preis winkt ihnen mindestens ein Moment ungeteilter Aufmerksamkeit. Vielleicht ist das der Beginn einer wunderbaren Beziehung auf Augenhöhe.
Die größte Wurst des Sommers
Echtzeit bedeutet jedoch nicht nur die Chance, Trendthemen zu erkennen und die eigene Marke von Buzzwellen mittragen zu lassen. Nein, es bringt gleichzeitig auch Verantwortung mit sich. Wie kann zum Beispiel ein Markenunternehmen wie Wiesenhof im Zeitalter der Google-Suche und unzähliger (kostenloser) Echtzeit-Monitoringtools glaubhaft von sich behaupten, dass eine aktuelle Berichterstattung "im Tagesgeschäft übersehen worden ist"? Schnell fliegt einem ein über mehrere Monate geplanter 90-Sekünder im Echtzeitshitstorm um die Ohren.
Ich möchte hier nicht ausführen, wie appetitlich ein Würstchenwerbespot mit Anspielungen wie "Seid ihr bereit für die größte Wurst des Sommers? Hier ist das Ding. Danach müssen Gina und Lisa erstmal in die Traumatherapie" überhaupt ist. Ein Realtime-Gespür bietet in jedem Fall die Chance, auch nachhaltigen Image-Schaden zu vermeiden. Schwerfällige unstoppbare Werbe-Güterzüge mit unflexiblen Mediaschaltplänen und elendig langen Produktionsvorläufen sind im Echtzeitalter endgültig überholt. Sie kommen einfach zu oft zu spät oder gar nicht mehr an.