
Ingo Kahnt, Managing Director der Agentur Newcast
Ingo Kahnt, Managing Director der Agentur Newcast
In den vergangen Jahren hat sich die dmexco zu einer der weltweit führenden Digitalmessen entwickelt. Auch die Anzahl der Aussteller sowie der Teilnehmer ist jedes Jahr gestiegen. Doch der bisherige Erfolg hat auch eine Kehrseite.
Die Erfolgsgeschichte der dmexco ist beachtlich. Als Nachfolger der OMD hat sie sich seit ihrer Erstauflage 2009 zu einer der weltweit führenden Digitalmessen entwickelt. Dabei ist die Anzahl der Austeller von Jahr zu Jahr beträchtlich gestiegen - allein im letzten Jahr waren es über 1.000 Firmen. Gleichzeitig wurde die dmexco immer globaler, so dass internationale Aussteller mittlerweile die Hälfte aller Stände ausmachen. Englisch ist somit längst zur dominierenden Vortrags- und Verhandlungssprache geworden. Auch bei den Teilnehmerzahlen konnte die dmexco Rekorde vermelden: 2016 kamen über 50.000 Besucher nach Köln. Ob der Zuspruch für die dmexco 2017 auf diesem Level bleiben wird, ist jedoch - aufgrund erstmals kostenpflichtiger Tickets - noch offen.
Der bisherige Erfolg hat aber auch eine Kehrseite. Manch einem fehlt bei der dmexco ein klarer, strukturierter Überblick, um aus dem riesigen Themenkomplex Digital Marketing die wichtigsten Inhalte und Erkenntnisse herauszufiltern. Mangelnde Übersicht ist mit Sicherheit ein entscheidender Grund, warum sich manche große Aussteller von der Messe zurückziehen. Renommierte Namen wie Havas, Zalando oder Group M sucht man dieses Jahr vergebens. Der ein oder andere Besucher mag sich fragen, ob eine Teilnahme überhaupt noch lohnt. Für alle, die dies mit nein beantworten, findet sich hier zur Orientierung eine Guideline mit den spannendsten und wichtigsten Themenkomplexen dieses Jahres.

Erfolgsgeschichte Dmexco 2009-2016
Newcast
Zukunftsthema Hyper-Personalisierung
Selbstverständlich wird die Messe viele Einzeltrends aufnehmen. Dagegen spricht per se auch nichts. Umso wichtiger jedoch, das wichtigste, weil zukunftsträchtigste Thema auszumachen und zu fokussieren: die Hyper-Personalisierung. Getrieben wird dieser Trend in erster Linie durch das Bedürfnis der User nach Relevanz.
Das digitale Individuum lässt nur noch gefilterte Inhalte zu, welche die individuelle Reiz- und Relevanzschwelle durchbrechen. Die zunehmende Zahl von Adblocker-Installationen ist nur ein Spiegelbild dieser Entwicklung. Marketer stoßen mit ihren aktuellen Kommunikationsstrategien und Durchoptimierungen an Grenzen. Eine neue Waffe muss her. Und hier kommt Hyper-Personalisierung genau zur richtigen Zeit: Zielgerichtetes, individuelles Aussteuern kommunikativer Inhalte in Echtzeit entlang der Customer Journey ist hier das Mittel der Wahl.
Dialogmarketing trifft auf höchst präzise Digitalisierung
Die Idee Inhalt, Zeit und Kanal perfekt auf die Bedürfnisse des Users abzustimmen, ist indes nicht neu und hatte bereits in den 90er und frühen 2000er Jahren Saison. Das Stichwort hieß: Dialogmarketing. Damals war man aber noch mehr oder minder analog unterwegs, weshalb lange Vorlaufzeiten und begrenzte Erfolgsmessungen eine realistische Steuerung erschwerten.
Jetzt sind wir dank Daten und Technologien jedoch so weit, User auf ihrer Journey sehr präzise zu begleiten und ansprechen zu können. Die Preisgabe von Nutzerdaten verliert für Konsumenten immer dann an Schrecken, sobald sie selbst den Wert von relevanten Inhalten erleben dürfen und einen echten Mehrwert davon haben. Diesen Benefit greift Facebook sogar in seiner aktuellen Printkampagne auf und bewirbt die Möglichkeit, Werbung auf die persönlichen Bedürfnisse abzustimmen. Die aktuellen Diskussionen zur neuen EU-Datenschutzrichtlinie könnten dem Bedürfnis nach personalisierter Werbung aber einen Dämpfer erteilen.
Dabei würde eine strengere Richtlinie nur den großen drei Digitalgiganten einen Wettbewerbsvorsprung verschaffen, da sie in ihren semigeschlossenen Systemen auch weiter alle Userdaten erheben und nutzen können. Dieser Vorsprung wird aber nur temporär sein. Es wird schnell rechtskonforme, unabhängige Angebote am Markt geben.
Die drei Säulen der Hyper-Personalisierung
Zur Beantwortung der Anforderungen in der Hyper-Personalisierung bedarf es dreierlei zentraler Elemente: Content, Data/Technology und Media. Guter Content ist glücklicherweise vorhanden oder kann von vielen Marktteilnehmern in hoher Qualität erstellt werden. Das Media-Know-how und die Flächen sind ebenfalls vorhanden, wobei gerade im Content Marketing täglich neue Anbieter den Markt mit nativen Formaten betreten. Häufig sind diese neuen Werbeformen an Data oder Technologie geknüpft, die Marketern dabei helfen, mehr über User zu lernen oder sie zielgerichteter anzusprechen.
Die massivste Entwicklung dürfen wir hier durch Machine Learning und Künstliche Intelligenz (KI) erwarten. Selbstlernende Maschinen werden innerhalb kurzer Zeit besser als alle Strategen und Analysten in der Lage sein, die Wahrscheinlichkeit eines passenden Anstoßes zu berechnen und in Echtzeit auszuführen. Wer dabei auf den großen Knall des Durchbruchs wartet, wird sich wundern. Er wird ausbleiben. KI wird sukzessive wie selbstverständlich in die digitale Welt Einzug halten.

Relevante, personalisierte Inhalte steigern die Relevanz
Newcast
Hyper-Personalisierung auf der dmexco
Hyper-Personalisierung findet sich auf der dmexco in drei Themenkomplexen wieder, die isoliert aber auch integriert miteinander die großen Aufgaben für Marketer 2018 darstellen werden. Eine gezielte Suche auf der dmexco lohnt schon heute.
1. Programmatic Creative
Hierunter versteht man das individuelle Erstellen und Ausspielen von user-spezifischen werblichen Inhalten in Echtzeit. Wer hierbei an endlose Retargeting-Strecken denkt, liegt schlichtweg falsch. Programmatic Creative nutzt die Möglichkeiten und Mechaniken programmatischer Ausspielungen qualitativ hochwertig und kreativ. Ein Blick in die Gewinnerliste der Cannes Lions 2016 lohnt. Das Tennessee Department of Tourism hat beeindruckend gezeigt, wie kreativ mit Daten gespielt werden kann. Aber auch hierzulande gibt es erfolgreiche Beispiele. Publicis Media hat in einer digitalen Kampagne für "Weiße Ware" 85 Prozent höhere CTRs erzielen können als in nicht individualisierten Kampagnen. Der Erfolg spricht für sich, verlangt aber für die Zukunft neue Herangehensweisen in Strategie und Kreation. Hierauf werden sich insbesondere Agenturen einstellen müssen.
2. Marketing Automation
User hinterlassen durch Interaktionen mit Inhalten wertvolle Daten. Diese können und sollten innerhalb der Leadqualifizierung und Umwandlung zielgerichtet genutzt werden. Dies reicht von automatisierten, individuell und in Echtzeit gestalteten Websites bis zum Newsletter-Marketing. Anbieter wie HubSpot bieten die technologische Grundlage für eine deutliche Steigerung der Umwandlungsquoten. Je länger und konsequenter Daten erhoben und genutzt werden, desto größer der ROI. Auf der dmexco werden wir sicher einige neue Anbieter finden, die das Feld der Marketing Automation bereichern.
3.E-CRM
E-CRM entwickelt sich klammheimlich zur Königsdisziplin im Marketing. Traditionell liegt die Stärke in der endkundenorientierten, systemischen Kommunikation mit klarem Fokus auf Interaktion. Da verwundert es nicht, dass sich die Verbindung von Content Marketing und CRM immer klarer abzeichnet. In der Kombination ist das CRM-orientierte Content Marketing fähig, die komplette Customer Journey abzubilden. Diese Kombination ist zwar nicht zwingend notwendig, erschließt aber zusätzliches Potenzial. Darüber hinaus wächst E-CRM gerade sowohl in der Bedeutung als auch in den Budgets, da der Wertbeitrag deutlich gestiegen ist. Hilfreich für alle Marketer ist dabei der Einstieg zahlreicher Branchenriesen in den CRM-Data und -Softwarebereich. Die Lösungen etwa von Adobe und Salesforce bieten einen hohen Grad der Spezialisierung, die es Unternehmen ermöglicht, auf Eigenentwicklungen zu verzichten.
Die To-Do's für Unternehmen
Was beim Blick auf die dmexco deutlich wird: Das Zukunftsthema Hyper-Personalisierung in all ihren Facetten macht neue, grundlegende Initiativen notwendig. Die Herausforderung für Unternehmen ist es daher jetzt, Partner zu finden, welche die einzelnen Bereiche vernetzt in eine zielführende Strategie übersetzen. Nur wenige Agenturen sind derzeit in der Lage, diese komplexe Aufgabenstellung zu lösen, und in praktikable, zielführende Lösungen zu überführen. Marketer auf Unternehmensseite sowie in Agenturen haben die Aufgabe, jetzt in Maßnahmen zur gezielten Ansteuerung Ihrer Potenziale zu investieren. Nur wer jetzt die richtigen Schritte unternimmt, wird den nächsten großen Evolutionsschritt im Marketing mitmachen können. Denn der User wird in naher Zukunft keine unpräzisen Anstöße mehr dulden. Es bleibt spannend, wie sich der Markt hierdurch verändern wird.