
Mit der diesjährigen f8, Facebooks legendärer Entwicklerkonferenz, fing alles an. Offiziell wohlgemerkt. Halboffiziell, zumindest aber mit dem Segen von Facebook, gab es zuvor in Deutschland schon den Bild-Ticker.
Bild war mit ihrem Transferticker die erste deutsche Brand, die auf dem Facebook Messenger einen News-Bot realisieren durfte. Zwei Monate nach der f8 schaut es schon ganz anders aus. Inzwischen gibt es zahlreiche News- und Chat-Bots, die auch zu Business-Zwecken genutzt werden.
Aber sind sie auch hilfreich? Bieten sie uns Mehrwert? Oder ist es nicht vielmehr so, das sie uns schlicht nerven, weil sie ständig per Push-Benachrichtigung aufpoppen und bei kleinsten Fragen "Schluckauf" bekommen?
In der Folge stellen wir einige Beispiele von Messenger-Bots vor, die wir getestet haben.
Wir beginnen mit den drei Bots, die von Facebook gefeatured werden. Wie nicht anders zu erwarten, fielen die Urteile unterschiedlich aus.
CNN
Der CNN-Bot ist neben dem Poncho-Bot (Wetter) und dem Spring-Bot (Online Shopping) einer von drei von Facebook gefeatured-ten Bots auf dem Facebook Messenger. Egal mit wem man spricht, die meisten, die ihn anfangs abonniert hatten, waren ein wenig von ihm genervt und haben ihn wieder abbestellt. Inhaltlich wird das daran liegen, das die News weniger auf Europa oder gar Deutschland bezogen sind. Klar, geht es hier doch um World News. Aber eine wie auch immer geartete Personalisierung/Regionalisierung wäre von Vorteil.
Ansonsten erhalten Abonnenten einmal am Tag im Messenger eine Nachricht mit Attachement, das wiederum eine Auswahl von drei Artikeln beinhaltet. Unter jedem Artikel befindet sich die Auswahl zwischen "Read Story", "Stories for You" und "Ask CNN". Immer wenn der CNN Bot eine neue Meldung ausliefert, pusht er zugleich eine Benachrichtigung auf den Home Screen, die erneut kommt, wenn der Nutzer die Nachricht nicht abruft. So gehen im übrigen alle Chat- oder Newsbots auf dem Facebook Messenger vor.
Das Abonnement des CNN-Chatbots ist einfach. Man geht per Browser (mobile oder per Desktop) auf CNN.com. Dort sieht man zunächst noch keinen Hinweis auf den Facebook Messenger. Geht man aber direkt in einen Artikel (wie das Beispiel zeigt), sieht man sofort die Social Buttons, an deren erster Stelle das Messenger-Plugin steht.
Wird das angeklickt, öffnet sich ein kleines Pop-up, das es ermöglicht, in den Messenger zu wechseln. Dafür muss man sowohl mobil als auch via Desktop im Browser bei Facebook angemeldet sein. Das heißt für viele Nutzer, Mailadresse und Passwort eingeben zu müssen, obwohl sie die meiste Zeit in der App verbringen.
Warum dieser Schritt nicht userfreundlicher mit der Abfrage nach der Messenger App und der Option, diese direkt zu öffnen, bewältigt werden kann, leuchtet mir nicht ein.
Hat man den Schritt vollzogen, kommt sofort die Push-Benachrichtigung einer neuen Nachricht von CNN. Der Bot fragt sofort, was man zu dem ausgewählten Artikel wünscht (siehe oben). Kommuniziert man hier nicht weiter, meldet sich der Bot am nächsten Tag zur selben Zeit mit einer neuen Meldung, die thematisch nichts mit dem Erstling zu tun haben muss.Erst durch eine eigene Nachricht mit dem Inhalt "Stop" an den Bot wird das Abonnement umgehend beendet.
Urteil: Technisch weitgehend solide, inhaltlich keine Regionalisierung oder Personalisierung.
Poncho, die Wetterkatze und Spring
Poncho, die Wetterkatze
Der Poncho-Bot kommt insgesamt wesentlich umgänglicher daher. Das Abonnement über die Messenger-Plattform sowohl mobil als auch via Desktop kein Problem. Auch in der Messenger-Suche findet man ihn recht fix.
Gerade weil er eher locker ist, kommt es zum Problem. Denn folgt man nicht seinen impliziten Vorgaben, gerät Poncho, die Wetterkatze, rasch an ihre technischen und verbalen Grenzen...
Natürlich ist die Sprache Englisch. Mit Deutsch kommt man da nicht sehr weit. Aber die Wetterkatze weiß, wo München liegt, muss aber zugeben, dass es mir keine täglichen Updates schicken kann. Eigentlich schade. Morgens um 7 erfahren, wie der Tag wird, das wäre es doch.
Das Angebot, nochmal nachzufragen, ob ich denn eine Sonnenbrille benötige, nehme ich gerne an. Und da man im Messenger sowieso nicht ewig lange Texte schreibt, reduziere ich es auf das Wesentliche. Allerdings versteht Poncho meine Frage nicht und beendet das Gespräch mit dem Vorschlag, ich sollte künftig mehr bunte Kleidung tragen...
Urteil: Technisch solide, locker im Umgang, wenig Personalisierung/ Regionalisierung.
Spring
Der Dritte im Bunde ist der Bot des Online Retailers Spring aus New York City. Vom Glamour und der Faszination Big Apples bleibt nüscht übrig. Der Bot bleibt komplett unsichtbar, weshalb man gar nicht viel Worte darüber verlieren kann.
Im Shop war mobil noch alles gut (via Desktop nicht). Das Plugin zum Messenger ist eingebaut. Klickt man darauf zeigt sich aber, dass er nicht existiert.
Oder vielleicht gibt es ihn doch, aber er will unerkannt bleiben? Ein schüchterner, in sich gekehrter Chat-Bot? Das wäre es. Aber es ist viel schlimmer: Man kann ihn nicht einmal einer Facebook Page zuordnen...
In jedem Fall ist das alles sehr ungewöhnlich für ein Projekt, das von Facebook als Beispiel präsentiert wird. Wenn ein Retailer es auf seiner Webseite schon nicht schafft, seine Facebook-Seite richtig zu verlinken, dann ist das schon hart. Immerhin zu Twitter und Instagram klappt es.
Auch Facebook bleibt dabei nicht verschont. Der Link, der unter der Messenger-Plattform zum gefeaturten Sping-Bot führen soll, ist mobil und via Desktop "broken", wie es immer heißt, wenn ein Link sein Ziel nicht findet.
Und wenn man auf dem Messenger nach dem Spring-Bot sucht, findet man ihn im übrigen genauso wenig, wie die Facebook Page des Retailers. Last but not least die Suche nach der App, immerhin heißt es ja: "Spring is the top app to shop and discover the best brands." Weit gefehlt, die App gibt es, aber nicht über den deutschen App Store von Apple. Schade.
Urteil: Alles in allem unzureichend.
Martin Hoffmanns News-Bot und Ran-Checker-Bot
Martin Hoffmanns News-Bot
Zuerst dachte ich ja, Martin (Ex-Head of Social Media Die WELT und N24) treibt Schabernack mit mir. Aber dann wurde klar: Er meint es ernst und hat seinen persönlichen News-Bot zum Leben erweckt.
Über ihn kann man täglich ein paar ausgewählte Medien-Links zu spannenden Artikel für den Bereich Journalismus bekommen. Und wie man sieht, hat der kleine Bot von Martin durchaus Humor...
Urteil: Gut für Medienexperten, hier und da ein wenig zu viel auf einmal aber immer humorvoll und up-to-date.
Ran-Checker-Bot
Der Bot von ran.de wurde pünktlich zur Fußball-Europameisterschaft 2016 in Frankreich gelaunched. Bei jedem Tor, das fällt, meldet er sich und sagt, welche Mannschaft und welcher Spieler ein Tor erzielt haben. Neben diesem Toralarm gab es bisher auch kleine Abstimmungen a la "Wer wird heute gewinnen" sowie ein paar Artikel rund um ein Spiel.
Das Abonnement kann man entweder über die entsprechende Detailseite oder via Messenger abschließen.
Ob Spanien jetzt die bessere Mannschaft war oder nicht, erfahre ich nicht. Dafür erhalte ich alles rund um die Mannschaft, was ran aktuell online hat.
Alles in allem ist der Bot noch zurückhaltend gewesen, was seine Dialogbereitschaft betrifft. Er kann mehr, wurde mir versichert. Die Zahl der Fragen von Nutzern an den ran-Bot sollen, so wird gemunkelt, im fünfstelligen Bereich liegen. Derzeit ist es zumindest in unserem Fall eher ein News-Angebot gewesen, das in Echtzeit Ergebnisse pusht.
Urteil: Nicht lang schnacken... solider Bot, der Fußball-News pusht und keine großartigen Dialoge führt, auch wenn er lernfähig ist.
Job Pal, Chris Messinas News-Bot und Digg
Job Pal
Der "Job Kumpel" ist klar, wen wundert es, daran interessiert, dem Nutzer einen möglichst passenden Job zu empfehlen. Dafür braucht er den Standort des Abonnenten, denn dadurch erfährt er, wo er nach freien Jobs in seiner Datenbank schauen muss.
Wird dieser angegeben, kann die eigene Datenbank mit offenen Jobs für diesen Ort abgeglichen werden. In unserem Fall kam es nicht soweit. Aber wir sorgten dafür, dass unser Kumpel mal einen gehörigen Schluckauf bekam, von dem er sich hoffentlich erholt hat.
Urteil: Rudimentärer Bot, der Nutzern aus Deutschland mit Sicherheit bei der Jobsuche nicht helfen wird.
Chris Messinas News-Bot
Der gleichnamige Bot des in der globalen Tech-Szene bekannten Chris Messina (derzeit Developer Experience Lead bei Uber, Ex-Googler und Hashtag-Begründer) informiert alle Interessierten über die jüngsten Beiträge und Empfehlungen von Chris.
Natürlich haben wir uns gleich mal für Olabot angemeldet. Das ist ja auch so etwas, dass man hier gleich in die Situation versetzt wird, es Chris gleich zu tun und sich einen eigenen Bot zu bauen. Warum eigentlich nicht?
Insgesamt muss man schon sagen, ist der Bot von Chris etwas anderes als der von Martin Hoffmann, schon alleine, weil es pro Update mehrere Optionen für den Nutzer gibt. Selbst ein echter Chat mit Chris ist nicht ausgeschlossen. Während Martin Artikel anderer Autoren empfiehlt, empfiehlt sich Chris selbst. Man könnte es auch einen "Personal Branding & Marketing"-Bot nennen, denn die Person Chris steht dabei voll und ganz im Vordergrund.
Urteil: Bot, der Persönliches und Berufliches von Chris Messina vermittelt und selbst den Chat mit dem wirklichen Chris Messina nicht ausschließt.
Digg
Der Social-Bookmarking-Dienst hat sich auf neuesten News aus allen Bereichen spezialisiert und liefert diese nun auch über einen Bot via Facebook Messenger aus.
Wenn es neben CNN einen Newsbot gibt, dann den von Digg, wie man hier gut sehen kann. Technisch und von den Optionen für Nutzer wird eine klare Linie gefahren, deren Ziel die Digg-Edition ist, welche dann zur eigenen Webseite führt, nicht ohne ein URL-Tracking anzuhängen.
Urteil: Solider Newsbot, den man ruhigen Gewissens abonnieren kann, wenn man einen News-Mix aus vielen Themenbereichen haben möchte.
Trading
Trading
Der Trading-Bot ermöglicht es, beispielsweise Unternehmen wie Facebook, Alphabet, Linkedin oder Twitter zu folgen. Folgen heißt hier aber, dass der Bot den Aktienkurs der Unternehmen verfolgt und Tag für Tag an den Abonnenten ausliefert. Basis für die aktuellen Kurse sind die Live-Daten von Google.
Daneben kann man Aktien an- und verkaufen. In unserem Beispiel hätten wir Twitter-Aktien für 1.000, 5.000 oder 10.000 US-Dollar kaufen können, was wir aber nicht getan haben.
Und natürlich kann man auch mit dem Trading-Bot kleine Scherze treiben, etwa wenn man ihn nach Google suchen lässt (an der Börse ist ja die Mutter Alphabet) oder nach Uber (das ja noch nicht an der Börse gehandelt wird).
Urteil: Trading-Bot ist ein solider Bot, der es mir sogar ermöglicht, über ihn Aktien zu handeln.
Pepe, der Dolmetscher
Über die Botlist wurden wir schließlich noch auf Pepe aufmerksam. Der kleine Papagei mit dem Sombrero bietet uns Übersetzungen an und zwar in über 50 Sprachen und für 20 davon gibt es sogar Übersetzungen in Audioform. Haben wir sofort ausprobiert und es hat fast geklappt.
Zunächst habe ich Pepe einen einfachen, manuell geschriebenen Text zukommen lassen, den er rasch übersetzt hat. Er bot auch an, beide Varianten nochmal anzuhören.
Der zweite Versuch war dann ein spanischer Text. Es handelte sich dabei um die ersten Zeilen eines Artikels aus der Marca (spanische Sportzeitung) über den Auftritt von Cristiano Ronaldo im Halbfinale gegen Wales.
Und da hat sich dann herausgestellt, das Pepe nur bis zu 250 Zeichen verarbeiten kann. Also wurde der Text gekürzt und erneut eingegeben. Die Übersetzung ins Englische ist nicht ganz korrekt. Man erahnt, was der Verfasser sagen will, aber so ganz bekommt es Pepe nicht hin.
Urteil: Solider Übersetzungs-Bot, der allerdings Probleme bekommt, wenn es um schwierige Formulierungen geht.
Fazit
Insgesamt gibt es, wie nicht anders zu erwarten, große Unterschiede bei den getesteten Bots. Gemein ist ihnen, dass sie in der überwiegenden Zahl eher als Newsbots fungieren und Nachrichten und Informationen pushen.
Dialoge bleiben auf der Strecke. Vielleicht auch deshalb, weil die Nutzer daran nicht unbedingt interessiert sind? Das kommt natürlich auf das Produkt an. Der einzige Bot, der in unserem Test in jedem Fall dialogfähig hätte sein müssen, wäre der von Spring gewesen, denn er hätte Fragen rund um den Kauf eines Produktes beantworten müssen, weitere Empfehlungen aussprechen etc. Leider funktionierte der Spring-Bot nicht.
Man muss auch genau hinsehen, ob es sich wirklich um einen Bot handelt, was nämlich manchmal gar nicht so schnell zu erkennen ist.
Alles in allem sind die Bots, die wir getestet haben, schon sehr weit. Man darf nicht vergessen, dass wir hier noch am Anfang der Entwicklung stehen. Pushen ist das eine, Dialoge führen und Alternativen anbieten ist aber das andere.
Künftig werden Bots stärker als bisher in die Markenkommunikation auf Facebook und anderen Plattformen involviert sein. Maßgeblicher Grund dafür ist Kosteneffizienz, etwa im Bereich CRM. Wenn es möglich ist, gewisse Teile eines Kauf- oder Beratungsprozesses zu automatisieren, kann das die Abwicklung schneller gestalten.
Bots als Schnittstelle in einem Messenger? Warum nicht. Schon über 11.000 Chatbots wurde für den Facebook Messenger entwickelt, wie Facebook bereits Anfang des Monats erklärte. Für Marken tut sich hier ein neues Feld auf, um im Messenger bei ihrer Zielgruppe künftig Präsenz zu zeigen.
Hierzulande sind Chatbots noch selten anzutreffen. Allerdings stehen viele Marken in den Startlöchern und arbeiten an der Realisierung oder sind schon am Testen.
- "Aktuell haben wir noch keine Bots im Einsatz. Allerdings basteln wir derzeit an einem Chatbot für die kommende Bundesliga-Saison. Dabei arbeiten wir mit dem Team von Spectrm zusammen."
Max Retzer, Head of Social Media bei SPORT1 - "Aktuell testen wir die Akzeptanz von Messengerbots auf der Fanpage von RTL Next. Hier senden wir dem User redaktionell gesteuert News. Des Weiteren kann der User mit einer Keyword-Suche die letzten fünf News zu dem Keyword abfragen. Wir lernen aktuell vom User, wann er welche News konsumiert, um den Bot stetig weiter zu entwickeln. Hier setzen wir auch auf die technische Expertise von Messenger Bot AI."
Torsten Schiefen, Projektmanager für Social Media bei RTL Interactive
Wenn sich die Online-Kommunikation weltweit von den Social Networks immer mehr in die populären Messenger verlagert, müssen Marken nach Wegen suchen, um an dieser Entwicklung aktiv mitwirken zu können, wenn sie ihre Zielgruppen oder neue Zielgruppen erreichen wollen. Eine solche Alternative stellen Chat/Newsbots dar. Aber sie müssen dazu lernen und dialogfähiger und damit mehrwerthaltiger für ihre Nutzer werden. Für diese Entwicklung benötigen sie Menschen, die das wollen und von denen sie lernen können.