
Ingo Kamps, Head of Performance- and Mobile Marketing bei Drillisch Telecom
Ingo Kamps, Head of Performance- and Mobile Marketing bei Drillisch Telecom
Mobile Marketing stellt viele "web-sozialisierte" Online-Experten vor komplexe Aufgaben. Als wäre das nicht genug, schaffen Google und Apple durch Betriebssystem-Updates stetig neue Herausforderungen.
In diesen Tagen stehen neue Versionen von Android und iOS in den Startlöchern. Apple machte am 9. September mit der Vorstellung von iOS 9 und dem Apple iPhone 6S den Anfang, während Google am 29. September nicht nur neue Nexus-Smartphones, sondern auch Android 6.0 (Marshmallow) präsentieren wird. Was für Nutzer neue Funktionen und Möglichkeiten bedeutet, sorgt bei Mobile Marketing-Experten für einige Kopfschmerzen.
App Deep-Linking (iOS)
App Deep-Linking, also das direkte Anspringen bestimmter Unterbereiche einer App, war bisher eine Domäne von Android und Facebook. Mit iOS 9 können nun auch auf iPhones und iPads Apps durchsucht und Unterseiten direkt verlinkt werden. Sucht der Nutzer beispielsweise eine bestimmte Datei bei einem seiner verschiedenen Cloud-Dienste wie Dropbox, Box.net oder OneDrive, muss er nun nicht mehr jede App öffnen und schauen, wo er diese abgelegt hat. Stattdessen kann er einfach eine Suche auf Betriebssystemebene anstoßen und per Zurück-Taste jederzeit wieder zu den Suchergebnissen zurückspringen.

Apple bringt mit iOS 9 eine erneuete Suchfunktion
Apple
Auch die Suche nach Kochrezepten, Hotels, Pizzen, Veranstaltungen und vielem mehr wird nun übergreifend möglich. In wie weit diese direkten Suchen in iOS zu Lasten des Marktanteils der Google-Suche auf Apple-Geräten gehen wird, muss man noch abwarten. Es ist allerdings klar, dass App-Anbieter in Zukunft noch besser darauf achten sollten, die relevanten Inhalte ihrer Apps für die Suche aufzubereiten und leicht auffindbar zu machen.
Zusammenspiel von Apps und Mobile Web (Android)
Wie erwähnt, bietet Google bereits seit einiger Zeit eine App Deep-Linking Funktionalität an. Das bedeutet allerdings nicht, dass man bei der neuen Version seines Betriebssystems Android 6.0 (Marshmallow) die Hände in den Schoß gelegt hat. Der Marktführer unter den mobilen OS hat sich diesmal darauf konzentriert, die Web-Nutzererfahrung und das Zusammenspiel zwischen Apps und dem mobilen Web zu verbessern.
"Chrome Custom Tabs” heißt das dabei neu eingeführte Feature. Wird in einer App ein Web-Link geöffnet, erscheint eine zusätzliche Ebene, die den Inhalt im Chrome-Browser darstellt. Für den Nutzer wirkt es allerdings so, als habe er die App gar nicht verlassen. Dadurch können alle Chrome-Funktionen direkt aus einer bestimmten App heraus genutzt werden. Es ist davon auszugehen, dass diese Funktion sehr häufig zum Einsatz kommen wird. Anbieter von Werbung auf mobilen Websites sollten sie daher nicht außer Acht lassen.
Adblocker (IOS)
Während Google schon 2013 den bekanntesten Anbieter Adblock Plus und andere Vertreter des Genres aus seinem Play Store verbannt hat (was allerdings nicht bedeutet, dass es sie nicht mehr gibt), geht Apple mit iOS 9 den entgegengesetzten Weg: Bei der neuesten iOS-Inkarnation können Extension-Entwickler verschiedene Dinge in Apples mobilem Webbrowser Safari sperren, darunter Cookies, Bilder und Pop-ups. Ein von mir durchgeführter Test eines Adblockers hat gezeigt, dass sich Auswirkungen auf Ladezeiten und Datenersparnisse nicht unerheblich sind.
Einige Werbeformen wie Native Ads und Pre-Roll Videos können auf diese Weise nicht blockiert werden, wodurch sie zu den großen Gewinnern zählen mögen. Es ist zwar nicht davon auszugehen, dass mit der Einführung der neuen Betriebssystem-Version ein sofortiges Mobile Banner-Sterben einsetzen wird. Mit der Zeit könnte es aber eng für mobile Display Ads wie Interstitials oder Banner werden.
Da Display-Banner von den Nutzern mobiler Apps und Websites noch häufiger als störend wahrgenommen werden, als es bei ihren Desktop-Pendants der Fall ist, könnten sie langfristig vielleicht sogar auch von Werbevermarktern und Publishern negativ gesehen werden. Nicht umsonst verzichten mehrere große US-Publisher wie Quarz oder Buzzfeed bereits heute auf ihren mobilen Websites vollständig auf Display-Ads.
Google sieht das Thema Adblocker wegen seiner größeren Abhängigkeit vom Werbegeschäft natürlich etwas skeptischer und hat für Android 6.0 keine solche Funktionalität vorgesehen. Dennoch ist das Unternehmen in letzter Zeit bereits dazu übergegangen, neue mobile Werbeformate für sein Adsense-Netzwerk anzubieten, die eher die Charakteristiken von Native Ads aufweisen.
In Zukunft wird es noch stärker darauf ankommen, den Nutzer im Mobile Moment zu erwischen – einer unterhaltenden und relevanten Botschaft in dem kurzen Augenblick, in dem er auf seinem Smartphone nach der Antwort für sein aktuelles Problem sucht. Das kann auf mobilen Websites sein, das kann in Instant Messengern sein, das kann beim mobilen Bezahlvorgang sein. Aber Banner kreieren diese Mobile Moments selten.
Mobile Payment (Android)
Schon lange kündigt sich die Möglichkeit an, Zahlungen mit dem Smartphone abzuwickeln. Auch wenn der Durchbruch in Deutschland mangels wirklich großer Nachfrage und fehlenden Angeboten der entscheidenden Player noch auf sich warten lässt, wird das Thema jetzt neuen Aufschwung erhalten.
Bereits seit Oktober 2014 ist das Bezahlsystem von Apple in den USA verfügbar und ist dort für fast Zweidrittel aller Zahlungstransaktionen verantwortlich. Jetzt endlich steht der Start von Apple Pay in Deutschland kurz bevor. Die Funktionsweise von Apple Pay sieht so aus, dass der Kunde sein iPhone oder iPad an ein Terminal hält und die entsprechenden Daten per NFC übertragen werden. Anschließend erfolgt durch die Bestätigung mithilfe des Fingerabdruckscanners.

Google präsentiert sein Pendant zu Apple Pay: Google Pay
Mit Android 6.0 führt Google nun den Konkurrenten Android Pay ein. Gegenüber der Apple-Lösung punktet das Google-System mit größerer Flexibilität. Zahlungen per Android Pay können nämlich sowohl stationär, als auch online im Google Play Store durchgeführt werden. Um eine Transaktion zu starten, wird das Smartphone per Fingerabdruck, durch die Eingabe einer Pin oder eines Eingabemusters entsperrt. Anschließend werden die Daten per NFC übertragen. Der Nutzer kann dabei selbst entscheiden, ob die Bezahlung über die Kreditkarte oder einen anderen Weg (etwa die Telefonrechnung) abgewickelt werden soll. Bis Android Pay in Deutschland starten wird, wird es aber noch kurz dauern. In diesem Monat wird das Bezahlsystem erst mal - wie so oft - in den USA an den Start gehen.
Mit Samsung Pay steht noch ein weiterer Herausforderer in den Startlöchern, dessen Funktionsweise den anderen beiden Systemen ähnelt. Das System ist ab Ende September verfügbar, aber zunächst auf die Flaggschiffe wie das Samsung Galaxy S6 oder das Galaxy S6 Edge Plus beschränkt.
Am Ball bleiben
Wie man sehen kann, wird Mobile Marketing auch in Zukunft weiter stark von den technischen Entwicklungen beeinflusst werden. Die gigantische Reichweite und die Fülle an Möglichkeiten wird aber jeden Marketer belohnen, der am Ball bleibt.