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Frank Bachér
Sonstiges 29.12.2015
Sonstiges 29.12.2015

Expert Insights 7 Programmatic-Trends für 2016

Frank Bachér, Managing Director Northern Europe bei Rubicon Project

Frank Bachér, Managing Director Northern Europe bei Rubicon Project

Von Retail-Trading Desks über Publisher-Allianzen bis zu Header Bidding - 2016 wird viel im Programmatic Advertising passieren.

Schon dieses Jahr hatte einiges an spannenden Entwicklungen aufzuweisen. Wir sind seit 2009 im deutschen Markt und kein Jahr hatte bislang so große Fortschritte aufzuweisen wie 2015. Zunächst haben sich Private Marketplaces enorm verbreitet. Allein in unserem Marktplatz wuchs ihr Umsatzanteil zwischen Q3 und Q4 um fast 80 Prozent.

Ein weiteres Thema, das dieses Jahr Fahrt aufgenommen hat, ist Video. Besonders sogenannte Instream-Werbung, die Werbung direkt im Text platziert und dabei nicht von Video-Inhalten abhängig ist, bekam kräftig Schwung. Diese Werbeform bekommt durch programmatische Buchungen noch mehr Relevanz. Und nicht zuletzt wuchs programmatische Werbung auf mobilen Geräten erwartungsgemäß. Bei Rubicon Project macht Mobile inzwischen um die 20 Prozent des globalen Umsatzes aus. Insgesamt also eine gute Entwicklung für ein Jahr, das verspricht sehr spannend zu werden und für das ich die folgenden sieben großen Trends sehe.

1. Aufstieg des Retail Trading Desk

Einzelhandelsunternehmen haben schon vor einiger Zeit begonnen, in die Welt des Publishing hineinzuschnuppern. Einige haben beispielsweise maßgeschneiderten Content für ihre Sites erstellt, etwa zu Rezepten oder zu saisonalen Allergien. Im redaktionellen Bereich verkaufen sie Werbeplatz. Der nächste logische Schritt ist es, als Retail-Trading-Desk zu agieren. Der Grund ist simpel: Die Daten, die Retailer am Point-of-Sale und im Customer-Relationship-Management (CRM) sammeln, sind wertvoller als alles, was Mediaagenturen und Marken sonst für die Aussteuerung von Werbung nutzen können. Die Daten stammen aus dem Online- ebenso wie aus dem Offline-Bereich. Marken, die sich intensiv um ein besseres Verständnis ihre Kunden bemühen, würden sehr gern auf diese Daten zugreifen.

Ein Beispiel: Eine führende Supermarkt-Kette könnte an Unilever oder Procter & Gamble herantreten und anbieten, Kampagnen für sie umzusetzen. Dabei würden die CRM- und Verkaufsdaten des Händlers skaliert. Im Austausch erhält das Unternehmen einen Anteil des Mediabudgets. Manche global agierenden Handelsunternehmen experimentieren bereits mit diesem Ansatz, in erster Linie Amazon und Walmart oder Cole in Australien. 2016 wird das Jahr, in dem weltweit tätige Händler das Potenzial des Retail-Trading-Desks wirklich erkennen.

2. Publisher-Kooperationen werden weltweit tätig

Die Beliebtheit von Publisher-Kooperationen wächst in Europa bereits. Allein dieses Jahr haben die globale Pangaea Allianz, HOPPex in Ungarn und PPN in Griechenland ihre Tätigkeit aufgenommen. 2016 entwickelt sich der Trend jedoch weltweit. Die Anfänge davon haben wir bereits mitverfolgen können: KPEX in Neuseeland und RPA Media Place in Argentinien haben in der zweiten Jahreshälfte auf der Plattform von Rubicon Project ihre Arbeit begonnen. Kooperationen ermöglichen es Publishern, First-Party-Data gemeinsam mit ihrem Inventar anzubieten. Werbungtreibende können damit auf genau definierte Zielgruppen zugreifen, programmatisch und in großem Maßstab.

Auf den Punkt gebracht geht es darum, mehr zu sein als die Summe der Einzelteile. Die Raubtiere des Digitalbereichs, Search und Social, dominieren zwar weiterhin bei Online-Anzeigeerlösen. Solche Allianzen bilden jedoch einen Gegenpol und werden bei Publishern, die ihr Digitalgeschäft entwickeln möchten, immer beliebter.

3. Annäherung an eine vollautomatische Media-Landschaft?

Technologie und Daten entwickeln sich mit einer solchen Geschwindigkeit, dass wir in den nächsten fünf Jahren größere Veränderungen sehen werden als in den letzten fünfzig Jahren. Unser Verständnis von Kunden wird sich ändern, ebenso wie die Art, wie wir Media-Käufe für Werbungtreibende planen und umsetzen. Einfach formuliert: Es wird automatisiert, manuelle Vorgänge werden abgeschafft und die Effektivität von Marketing-Kommunikation wird erheblich gesteigert. Diese Vorteile reichen schon jetzt über die "traditionelle" programmatische Umgebung hinaus in Mediakanäle, die man üblicherweise nicht mit Automatisierung assoziiert. Tatsächlich wird es nicht mehr lange dauern, bis Plattformen entstehen, die einen Käufer mit allen angebotenen Media-Arten verbinden. 2016 ist das Jahr, in dem wir die ersten Zeichen dieses utopischen Ideals sehen werden.

Automatisierung, Branding und das Wasserfall-Prinzip

4. Automatisierung trifft auf Branding

Automatisierung betrifft zweifellos jeden in der Branche: Agenturen, Publisher und Marken. Manche dieser Marken haben sie mit offenen Armen empfangen und als zusätzliche Methode in ihr Arsenal eingegliedert, statt sie als Bedrohung zu empfinden. Die Auslieferung von aufmerksamkeitsstarken Formaten wie Skins, Roadblocks und Takeovers ganzer Seiten durch Real-Time-Bidding eröffnet Marken, die im Performance-Marketing geschaffenen Strukturen und Möglichkeiten zu nutzen. Dadurch wird mehr Budget in diesen Bereich verlagert. Die Verbindung von Daten mit fantasievoller Werbung ermöglicht nicht nur eine Koexistenz von Markenführung und Technologie, sondern verschiebt 2016 die Grenze der programmatischen Werbemöglichkeiten in ein völlig offenes Territorium.

5. Das Ende des Publisher-Wasserfalls ist nahe

Bei Publishern folgt der programmatische Handel üblicherweise der klassischen Wasserfall-Struktur: Die Publisher bieten ihr Inventar über unterschiedliche Verkaufskanäle an, zunächst über den, der den höchsten Preis verspricht, dann mit sinkenden Preisen, bis ein Käufer anbeißt. Es gibt jedoch eine Alternative, mit der Publisher mehr Umsatz erzielen und zugleich Zeit und Arbeit sparen können. Beim Header Bidding, auch bekannt als Vorfeld-Gebot oder Pre-Bidding, können Publisher einen bestimmten Code im Headerbereich ihrer Seiten einbauen. Dadurch kann das Inventar über mehrere Ad-Exchanges gleichzeitig angeboten werden, bevor der Ad-Server angesprochen wird. Üblicherweise kann der Ad-Server eines Publishers zu einem Zeitpunkt X nur einen einzigen Anfragepool ansprechen. Das beschneidet die Umsätze künstlich und senkt den TKP.

Die Publisher, die DoubleClick For Publishers mit Enhanced Dynamic Allocation nutzen, geben zudem Googles eigenen Nachfragequellen einen Vorsprung. Header Bidding eliminiert dieses ineffiziente Vorgehen. Zudem - und besonders wichtig - schafft es faire Bedingungen sowohl für Publisher als auch für Werbungtreibende. Bisher wurde dieser Trend durch technische Hindernisse ausgebremst - nicht zuletzt durch die Ladezeiten, die der komplexe Code ausgelöst hat. Aber immer mehr dieser technischen Hürden fallen. 2016 wird der Traum einer effektiven Gesamtauktion, bei der Nachfragequellen auf einem Level konkurrieren, endlich Realität.

6. Automated Guaranteed wird endlich erwachsen

Programmatische Technologie war für Publisher und Werbungtreibende gleichermaßen ein großer Erfolg. Aber Experten für digitales Marketing sind der Ansicht, dass Werbung nicht immer ein One-size-fits-all-Geschäft ist. Die offenen Ad-Exchanges, die üblicherweise mit Programmatic assoziiert werden, sind deshalb nicht für jeden geeignet. Manche Publisher und Werbungtreibende wollen sich deshalb nicht in der Welt bewegen, in der auf offenen Exchanges frei gehandelt wird. Dennoch möchten sie die Vorteile der Automatisierung nutzen. Aus diesem Grund hat Automated Guaranteed Fahrt aufgenommen und wird 2016 ein prägender Trend. Automated-Guaranteed-Lösungen ermöglichen es Käufern und Publishern aller Art, ihre direkten Vertriebsprozesse zu automatisieren. Der antiquierte manuelle Planungs- und Verkaufsvorgang wird damit überflüssig. Das ist nicht neu, aber die Technologie, die Automated Guaranteed in den Mainstream einführt, reift gerade aus. Der direkte An- und Verkauf von Online-Anzeigen schließt endlich zur Revolution der Werbetechnik auf.

7. Publisher kontrollieren ihr eigenes Inventar

Viele Websites mit großer Reichweite verkaufen ihr Inventar sowohl über ihr eigenes Vertriebsteam als auch in Kooperation mit großen Vermarktern. Programmatische Werbung gibt diesen Sites die Möglichkeit, die Verkäufe vollständig im eigenen Haus zu steuern.

Das wird in zunehmendem Maße wichtig für Websites, die ein eigenes Verkaufsteam beschäftigen, große Reichweite bei relevanten Online-Zielgruppen haben und über für Werbung geeignetes Inventar verfügen. Diese Sites können ihre Erlöse ohne externe Vermarkter maximieren, indem ihr internes Verkaufsteam das Inventar den wichtigsten Werbungtreibenden und Agenturen direkt anbietet. So generieren sie zusätzliche Erlöse durch programmatische offene und Private Marketplaces. Der Vorteil: Die Kontrolle des Inventars liegt vollständig beim Publisher.

Welche dieser sieben Entwicklungen sich im Programmatic Advertising nächstes Jahr am stärksten weiterentwickeln, wird sich zeigen. Ich bin aber davon überzeugt, dass die Automatisierung von Werbung nicht nur im klassischen Online-Bereich erheblich an Fahrt gewinnen wird. Programmatic Advertising wird auch in digitalnahen Mediengattungen wie Out-of-Home und Webradio erste Erfolge erzielen. Deutschland wird dann endlich an die führenden Länder aufschließen. Ich freue mich auf das programmatische Jahr 2016.

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