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Neue Top Level Domains sind gut fürs Marketing
Sonstiges 29.06.2011
Sonstiges 29.06.2011

Neue Top Level Domains sind gut fürs Marketing Eine Gelegenheit - nicht für jedes Unternehmen

Die Internet Corporation for Assigned Names and Numbers (ICANN) will künftig beliebige Top Level Domains zulassen. internetworld.de sprach mit Philipp Grabensee dem Vorsitzenden des Aufsichtsrates von Afilias über die TLDs, neue Möglichkeiten fürs Marketing und für welche Unternehmen dieses Thema interessant ist.

Sechs Jahre hat die ICANN gebraucht, um sich für die Einführung der neuen Top Level Domains zu entscheiden, warum hat das so lange gedauert?

Philipp Grabensee: Die ICANN gibt Regierungen, Interessensvertretern und Organisationen die Gelegenheit, ihre Bedenken vorzutragen. Auf diese Weise versucht man eine einvernehmliche Lösung zu finden. Immer wieder gab es in diesem Prozess Verzögerungen, weil plötzlich wieder eine neue Interessenvereinigung auftrat, die Bedenken anmeldete.

Welche Hürden gibt es dabei?

Grabensee: Natürlich gab es zahlreiche Bedenken wegen möglicher Verstöße gegen Markenrechte. So dauerte es eine Weile, um die US Trademark-Protection ins Boot zu holen. Zudem gab es zahlreiche Einwände von verschiedenen Ländern gegen bestimmte Domainnamen. Ein Beispiel dafür ist .gay, die einige Vertreter nicht zulassen wollen, da sie bestimmte Tabus dadurch verletzt sehen. Auch jetzt sind noch Verzögerungen möglich. Aber eigentlich könnte die Bewerbung um die ersten neuen TLDs Anfang 2012 losgehen. Ende 2012 oder Anfang 2013 sollen dann die ersten Domains vergeben werden können.

Welchen Nutzen bieten die neuen TLDs?

Grabensee: Zunächst einmal muss man bei den neuen TLDs zwischen den sogenannten GeoTLDs wie .muenchen oder .berlin, den generischen TLDs (.reise oder .hotel) und Marken-TLDs (.bmw oder .bayer) unterscheiden. Denn der Nutzen dieser Domains ist doch recht unterschiedlich.

Bleiben wir bei den Marken-TLDs. Welche Vorteile bieten sie gegenüber Domains unter den Standard-TLDs wie .com oder .de?

Grabensee: Mit einer TLD hätten die Unternehmen und Markeninhaber viel mehr Kontrolle über ihre Marken und auch über die Markenkommunikation. Große Firmen können sich damit die eigene Marke als TLD sichern. Ein Pharmaunternehmen wie Bayer könnte sich die TLD .bayer sichern und sämtliche Produkte darunter in einer Struktur wie www.produkt.bayer ansiedeln. Nicht zuletzt kann man unter einer entsprechenden Top Level Domain auch sämtliche Produkte in allen Sprachen der Welt subsumieren.

Das klingt, als müssten sich die Unternehmen jetzt ernsthaft um eine entsprechende TLD bemühen?

Grabensee: So grundsätzlich kann man das gar nicht sagen. Für große Marken kann das sinnvoll sein, aber auch nicht für alle. Unternehmen, die keinen großen Wettbewerber haben und auch sonst nicht Gefahr laufen, mit einem anderen Unternehmen verwechselt zu werden, können das Thema auch auslassen. Letztlich bringt die TLD nichts, wenn es im Unternehmen keine Ideen für eine konkrete Verwendung gibt.

Steigende Nachfrage trotz hoher Kosten

Wie werden die neuen TLDs denn bislang von Marken nachgefragt?

Grabensee: Seit Beginn der Konferenz und der Ankündigung, dass es die neuen Domains bald geben wird, häufen sich bei uns die Anfragen. Eine große Marke, die bereits erklärt hat, sich um eine TLD zu bewerben, ist Canon. Ich denke, dass sich schon an der ersten Bewerbungsrunde mehrere Hundert Unternehmen beteiligen werden.

Was passiert, wenn mehrere Unternehmen Ansprüche auf eine der neuen TLDs anmeldet?

Grabensee: Bevor ein Unternehmen den Zuschlag als Registrar erhält, müssen sie sich ja zunächst bewerben. Schon anhand der Bewerbung und der angemeldeten Rechte kann die ICANN womöglich Entscheidungen treffen. Gibt es dennoch einen Patt zwischen zwei oder mehr Markeninhabern, wird per Auktion entschieden. Bei zwei mächtigen Marken wird es aber sicherlich andere Lösungen geben müssen. Vielleicht einigen sich dann die Marken in irgendeiner Weise. Zudem entscheidet ja immer die ICANN über die Vergabe. Sie kann und wird bestimmte Domainnamen auch nicht zulassen.

Sich bei der ICANN als Registry akkreditieren zu lassen, ist ja nicht ganz billig. Mit welchen Kosten müssen Unternehmen rechnen?

Grabensee: Zwar kann sich im Grunde jeder bewerben, die Gebühren und Kosten werden aber für eine gewisse Einschränkung sorgen. So verlangt die ICANN nur für die Initialbewerbung rund 130.000 Euro. Bekommt das Unternehmen den Zuschlag, muss eine entsprechende Infrastruktur aufgebaut werden. Für Beratung, Technik und entsprechende Dienstleister sollten Startkosten von etwa 500.000 Euro im ersten Jahr kalkuliert werden. Für jedes weitere Jahr fallen dann rund 100.000 Euro an laufenden Kosten für den Betrieb der Registry an.

Bisher gab es immer mal wieder Probleme mit auslaufenden Registrierungen  einzelner Domains. Drohen solche Probleme dann auch?

Grabensee: Dieses spezielle Problem wird es dann nicht mehr geben. Allerdings tauchen dafür eine Reihe weiterer Schwierigkeiten auf. So muss beispielsweise die Registry richtig laufen, damit die Seiten unter der TLD auch erreichbar sind. Es sind dann vor allem technische Probleme, die auftreten können. Deshalb sollten Firmen da auf gute Dienstleister vertrauen.

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