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Sonstiges 27.07.2017
Sonstiges 27.07.2017

Manager Lars Soutschka Social Media, Apps und Co: Die Digitalisierungsstrategie des ADAC

Lars Soutschka, Geschäftsführer Vertrieb, Mitgliederservice, Motorsport & Digitalisierung beim ADAC

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Lars Soutschka, Geschäftsführer Vertrieb, Mitgliederservice, Motorsport & Digitalisierung beim ADAC

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Mit Hochdruck arbeitet der Automobilclub an seiner Digitalisierungsstrategie. So soll demnächst eine übergreifende Mobilitäts-App angeboten werden. Ein Gespräch mit dem ADAC-Manager Lars Soutschka.

Der vor fünf Jahren fertiggestellte Büroturm im Münchner Südwesten ist ein Blickfang: Mehr als tausend Fenster, umrahmt in unterschiedlichsten Farben, kennzeichnen das über 90 Meter hohe ­Gebäude. Lars Soutschka hat sein Büro in einem der obersten Stockwerke - mit ­einem grandiosen Blick über die Stadt. Soutschka arbeitet seit 2010 beim ADAC und verantwortet dort den Bereich Motorsport. Vergangenen Oktober rückte er in die Geschäftsführung auf und ist seitdem auch für die Digitalisierung des Unternehmens zuständig.

Die soll nun mit sportlichem Tempo starten - mit Soutschka im Cockpit. Das Thema drängt, denn der ADAC will vermeiden, dass ihm neue Wettbewerber oder veränderte Bedingungen das Geschäft streitig machen. Vor Kurzem wurde deshalb eine übergreifende Digitalisierungsoffensive eingeleitet, die den Automobilclub für das digitale Zeitalter fit ­machen soll. Dazu soll das Image des analogen Pannenhelfers abgestreift und gegen das eines digital versierten Mobilitätsdienstleisters ausgetauscht werden.

Herr Soutschka, Ihr Präsident August Markl hat die Losung ausgegeben: Wir müssen uns vom Pannenhelfer zum digitalen Mobilitätshelfer entwickeln. Der digitalen Transformation wird im Haus also große Bedeutung zugemessen. Wo hat die Entwicklung schon begonnen?
Lars Soutschka: Die Digitalisierung beeinflusst seit vielen Jahren so gut wie alle Bereiche unseres Lebens, ist also kein Thema, das auch beim ADAC erst seit einem halben Jahr auf dem Tisch liegt. Unser ­gesamtes Mobilitätsverhalten ist von technologischen Entwicklungen besonders ­betroffen - denken Sie nur an Carsharing, Vernetzung oder Elektromobilität. Sie tangieren unmittelbar unser Kerngeschäft. Der ADAC ist mit fast 20 Millionen Mitgliedern nicht nur Deutschlands größter Pannenhelfer, sondern der Garant für ­Mobilität. Deshalb bedeutet digitale Veränderung für uns eine sinnvolle Weiterentwicklung und Veränderung, um die tägliche Mobilität unserer Mitglieder auch künftig bestmöglich sicherzustellen.

Was heißt dies konkret? Muss der ADAC jetzt umdenken?
Soutschka: Natürlich, zum Beispiel bei der Alltagsmobilität. Täglich pendeln Hunderttausende zwischen ihrem Wohnort, Büro und Freizeitaktivitäten. Die Menschen sind im wahrsten Sinne des Worts immer stärker mobil. Diesem grundlegend veränderten Mobilitätsverhalten müssen wir uns anpassen, um für unsere Mitglieder relevant zu bleiben.

Wie wollen Sie das schaffen?
Soutschka: Der ADAC wird sich öffnen. Etwa für Kooperationen mit öffentlichen Nahverkehrsunternehmen oder Carsharing-Anbietern. Einige Schritte sind wir bereits gegangen, etwa indem ADAC-Mitglieder konkrete Vorteile bei Carsharern bekommen. Aktuell arbeiten wir an einer einheitlichen Schnittstelle, um die vielen Vorteile des ADAC noch besser und vor allem leichter nutzbar zu machen. Keiner von uns hat Lust, auf seinem Smartphone 50 verschiedene Apps rund um die Mobilität zu haben. Gefragt ist eine einheitliche Systematik, damit unsere zahlreichen ­Mobilitätsservices mit wenigen Klicks ­genutzt werden können.

Heißt das, der ADAC arbeitet an einer App, die diese verschiedenen Carsharing-­Anbieter unter einen Hut bringt?
Soutschka: Das könnte ein mögliches Beispiel sein. Wir denken aber nicht nur an Carsharing. Wir arbeiten an einer "Mobility Suite", die Anfang kommenden Jahres in einer ersten Version an den Start geht. Diese werden wir dann sukzessive aus­bauen und einen sehr einfachen Zugang zu verschiedenen Mobilitätsdienstleistungen des ADAC ermöglichen, inklusive der Pannenhilfe. Unsere aktuelle Pannenhilfe-App ist nicht mehr so funktionsfähig, wie es der Markt ganz klar fordert. Wie es in Ansätzen gehen könnte, zeigt beispielsweise Mytaxi mit seiner App.

Auf der Mytaxi-App kann ich sehen, wo sich der Fahrer gerade befindet. Wird das künftig auch bei den "Gelben Engeln" so sein?
Soutschka: In diese Richtung wird es gehen, gleichzeitig ist es aber auch ziemlich komplex. Bei uns hängen an der Kernleistung Pannenhilfe verschiedene IT-Systeme, beispielsweise in der Fallannahme, dazu 1.800 Straßenwachtfahrer und über vier Millionen Pannenfälle pro Jahr in Deutschland. Der Aufwand, das ­administrativ und logistisch zu vereinheitlichen und rund um die Uhr zu koordinieren, ist also nicht ganz einfach.

Der ADAC hat bereits zahlreiche Apps in den Stores. Welche Erfahrungen ­haben Sie damit gemacht?
Soutschka: Wir haben letzten Herbst damit begonnen, intensiv zu untersuchen, wo wir digital genau stehen, wo wir Fahrt aufnehmen müssen und welche Projekte wir eventuell bereinigen sollten. Unsere App-Landschaft umfasst derzeit rund 40 Angebote, etwa die sehr erfolgreichen "TourSet"- und "Sprit­preise"-Apps, von denen wir zwar die Download-Zahlen kennen, aber nur wenig über das konkrete Nutzungsverhalten wissen. Wenn eine App für einen Nutzer keinen echten Mehrwert hat, macht es keinen Sinn, sie weiter anzubieten. Deswegen analysieren wir jetzt in Ruhe, welche Angebote wir weiterführen, ausbauen oder möglicherweise abschalten.

Sie haben vor drei Monaten die Seite www.adac-reisen.de freigeschaltet, eine Plattform, auf der man seine gesamte Reise ­suchen, zusammenstellen und buchen kann.
Soutschka: Ja, das ist ein tolles Projekt, mit den ADAC Regionalclubs im Lead. Wir bieten unseren Mitgliedern dort nicht nur die Urlaubsreise selbst, sondern idealerweise zeitnah auch weitere Dienstleistungen an: Mietwagen, Flüge oder Krankenversicherungen für das Ausland. Die Idee ist, dort künftig die gesamte Mobilitäts­kette für eine sorgen- und stressfreie ­Urlaubsreise anzubieten.

Der ADAC ist auch Experte in Sachen Camping, die gedruckten Campingführer sind für viele bis heute unverzichtbar. Wie wird dieses Know-how digitalisiert?
Soutschka: Neben der klassischen Urlaubs- und Fernreise konzentrieren wir uns bei den touristischen Angeboten des ADAC in der Tat auch auf das Thema Camping und arbeiten dort mit Vollgas an neuen digitalen Angeboten. Schließlich gibt es in Deutschland nur wenige, die über bessere Kontakte und Informationen zu den vielen tausend Platzbetreibern und ihren Plätzen verfügen als der ADAC.

Digitale Transformation bedeutet immer auch, Hürden im eigenen Unternehmen zu überwinden. Umfragen belegen, wie wichtig es ist, alle Mitarbeiter für diesen Prozess zu begeistern, wenn man nicht scheitern will.
Soutschka: Wir verteilen das Thema Digitalisierung im ADAC auf viele Schultern. Das verantwortliche Sounding Board besteht aus Ralf Spielberger, dem Vorstand ADAC SE, Gerrit Pohl, dem Chief Digital Officer, Sebastian Gundermann, dem Chief Strategic Officer, und mir. Gemeinsam achten wir darauf, die digitale Transformation nicht nur auf der obersten ­Management-Ebene anzugehen. Unsere Führungskräfte sind in der Pflicht, die einzelnen Initiativen eigenverantwortlich ­voranzutreiben. Gleichzeitig holen wir die Mitarbeiter ab und erklären, was die Digitalisierung für den ADAC konkret bedeutet, was sie an Chancen mit sich bringt, aber auch an notwendigen Veränderungen. In den letzten Wochen haben wir Mitarbeiterveranstaltungen dazu gemacht und diese Fragen sehr offen und kontrovers diskutiert. Die Resonanz war so groß, dass wir weitere Formate anbieten werden. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass wir mit Sicherheit sehr viele, aber wohl nie ­alle Mitarbeiter für die digitale Welt im ADAC begeistern können. Auch darüber müssen wir dann reden.

Wir arbeiten daran, unterschiedliche Daten sinnvoll zusammenzuführen

Der ADAC hat sich am UnternehmerTUM, dem Zentrum für Innovationen und Gründung der TU München, sowie dem digitalen Mobility Hub beteiligt. Was steckt hier dahinter?
Soutschka: Wir haben internationale Start-ups aufgerufen, Geschäftsideen für unsere "Mobility"-Suite einzureichen. Aus mehr als 600 Bewerbungen haben wir drei Initiativen ausgewählt und damit beauftragt, innerhalb von zwanzig Wochen konkrete Anwendungsfälle zu erarbeiten und vorzustellen. Das Thema Carsharing spielt dort genauso eine Rolle wie smartes Parken oder Tanken. Dazu gehören dann nicht nur Informationen zu freien Parkplätzen oder der nächsten Tankstelle, sondern auch die Frage des Payments, denn im Idealfall kann ich in Zukunft ­direkt nach dem Tanken weiterfahren und die Bezahlung läuft vollautomatisiert im Hintergrund ab. Sie sehen, wir haben viele Themen.

Sie haben rund 20 Millionen registrierte Mitglieder. Sie müssten also über einen wahren Datenschatz verfügen, den Sie zu einer personalisierten Kundenansprache bestens nutzen können.
Soutschka: Ja und nein. Der ADAC steht für Vertrauen und Glaubwürdigkeit, ­gerade auch im Verbraucherschutz. Deswegen ist die Datensicherheit und Datenhoheit unserer Mitglieder für uns ein wertvolles Gut. Aber natürlich arbeiten wir daran, unterschiedliche Daten sinnvoll zusammenzuführen. Ziel ist es, ­unsere Bestände so zu nutzen, dass wir unseren Kunden und Mitgliedern einen echten Nutzen und Mehrwert anbieten können. Im besten Fall erhält ein Mitglied, das eine Auslandsreise plant, direkt den passenden Mietwagen und oder die entsprechende Versicherung mit angeboten. Eine intelligente Datenstrategie ist der Kern unseres Digitalprozesses.

Der ADAC ist auf vielen sozialen Kanälen präsent, auf Facebook, Instagram, Twitter und seit Juni 2016 auch auf Snapchat …
Soutschka: … übrigens noch vor der "Bild"!

Welche Strategie verfolgen Sie hier?
Soutschka: Wir kommen in der Kommunikation über die vielen Themen und ­Inhalte, die wir im ADAC in den unterschiedlichen Bereichen haben, und versuchen, damit auf unseren eigenen Kanälen relevante Geschichten zu erzählen. Das kann redaktionell aufbereitet, aber auch werblich oder vertriebsorientiert angelegt sein. Aktuell arbeiten wir daran, die ­gesamte ADAC-Kommunikation so aufzusetzen, dass Botschaften, Inhalte und Kanäle optimal aufeinander abgestimmt sind. Dazu ist es wichtig, klar zu wissen, welche Nutzer auf welchem Weg welche Information von uns haben möchten und was die jeweiligen Bedürfnisse sind. Dabei probieren wir viel aus, zum Beispiel auf Snapchat oder Instagram. Das Schöne ­dabei ist: Es funktioniert! Jetzt gilt es, ­daraus zu lernen und all das sinnvoll zu ­einer gesamthaften Kommunikation ­zusammenzuführen.

Ist damit ein Kulturwandel in der Darstellung verbunden? Ich nehme den ADAC in der Verbraucheransprache als sehr zurückhaltend wahr. Wenn jetzt die Kunden plötzlich Push-Nachrichten erhalten, sind sie womöglich erschrocken. Wie viel Gas können Sie geben?
Soutschka: Das ist eine Gratwanderung. Da wir auf den digitalen Dialogkanälen ­eine unmittelbare Reaktion bekommen, wissen wir sehr schnell, was die Mitglieder und Kunden von uns an Themen und ­Inhalten haben möchten und was nicht. Und wenn wir wissen, für welche Themen sie sich interessieren, dann können wir diese Wünsche viel besser und gezielter bedienen.

Digitale Transformation bedeutet auch: sich erst einmal den Überblick zu verschaffen, wer im Hause an was arbeitet, dies dann koordiniert zusammenzuführen und anschließend zu priorisieren. Was steht den ganz oben auf Ihrer Agenda?
Soutschka: Der ADAC ist in einer herausfordernden Situation, in vielerlei Hinsicht. Deswegen ist gerade im digitalen Bereich eine Priorisierung zwingend nötig, einerseits wegen der finanziellen Ressourcen als auch hinsichtlich verfügbarer Manpower. Eines unserer Kernthemen ist die Alltagsmobilität, parallel dazu läuft die touristische Mobilität und natürlich die Transformation der Pannenhilfe. Wichtig sind aber auch eher administrative Dinge wie Bestandsverwaltung, Mitgliederservice oder die Prozesse rund um die Schadensbearbeitung bei den ADAC-Versicherungen.

Können Sie uns verraten, in welchem finanziellen Rahmen Sie die Digitalisierung ­vorantreiben können?

Soutschka: Wir versuchen im ADAC derzeit, auf der einen Seite klug zu sparen und effizienter zu werden, um andererseits in digitale Zukunftsthemen investieren zu können. Dazu haben wir ein hausweites Projekt namens "Pole Position" aufgesetzt und zusätzlich auch ein paar neue finanzielle Töpfe aufgemacht, die wir einfach brauchen - beispielsweise um Innovationsthemen außerhalb unserer Struktur schnell umsetzen oder mit externen ­Experten zusammenarbeiten zu können. Insgesamt müssen wir sicherlich über kurz oder lang einen zweistelligen Millionenbetrag in die Digitalisierung investieren. Diese Investitionen sind aber notwendig, denn sie sind Investitionen in den Fortschritt und damit in die Zukunft des ADAC.

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