Digitale Technologien erobern den Point of Sale (PoS). Händler testen gerade aus, welche Anwendungen die Kunden akzeptieren und welche nicht.
Von Maximilian Feigl
Vieles, was Verbraucher vom Online Shopping kennen, kommt nun auch in die stationären Geschäfte. Wir nehmen euch mit auf einen imaginären Rundgang und beschreiben, wo und wie Läden digitalisiert werden können.
In der Nähe des Ladens
Noch bevor ein Kunde den Laden überhaupt sieht, können Händler per Push-Nachricht auf ihn aufmerksam machen. Dazu wird mit der Geofence-Technologie eine bestimmte Zone um das eigene Geschäft bestimmt.
Als Technologie kommt entweder das Satellitennavigationssystem GPS (Global Positioning System) zum Einsatz oder die Position wird über das Mobilfunknetz bestimmt. Betritt der Kunde - oder genauer gesagt sein Smartphone - diese Zone, erhält er eine Nachricht, zum Beispiel per SMS oder innerhalb einer App.
Voraussetzung ist, dass der Kunde zugestimmt hat, dass er solche Push-Nachrichten erhalten möchte. Die App muss hierzu nicht geöffnet sein. Sie benötigt aber die Berechtigung, entsprechende Nachrichten anzuzeigen. Erfolgt die Ortung via GPS, müssen zudem die Standortdienste des Handys aktiviert sein.
Vor dem Laden Kunden ins Geschäft holen
Unmittelbar vor dem Laden können Händler ebenfalls Push-Nachrichten versenden, um die Passanten in das Geschäft zu locken. Meistens kommt in so einem Fall nicht GPS, sondern Bluetooth zum Einsatz. Hierzu werden am Ladeneingang sogenannte Bluetooth Beacons angebracht. Wie ein Leuchtfeuer senden sie ein Signal aus, das von den Smartphones der Passanten wahrgenommen wird. Hat der User auf seinem Handy die Bluetooth-Funktion aktiviert und eine entsprechende App installiert - zum Beispiel die des Händlers oder eines Bonusprogramms - zeigt diese App Push-Nachrichten an.
Eine weitere Möglichkeit, Passanten vor dem Laden zum Interagieren einzuladen, sind interaktive Bildschirme im Schaufenster. Bedient werden sie per Gestensteuerung. Hierzu sind Kameras mit dem Bildschirm verbunden, die die Bewegungen des Passanten registrieren. Eine Software interpretiert diese, sodass es möglich ist, durch die Inhalte zu navigieren.
Im Laden
Im Geschäft haben die Händler zahlreiche Möglichkeiten, das Einkaufserlebnis modern und individuell zu gestalten. Auch hier können interaktive Bildschirme eingesetzt werden, zum Beispiel im Eingangsbereich. Der finnische Spezialist für Tierbedarf Musti ja Mirri bietet RFID-Anhänger als Hundehalsband an.
Mit Radio Frequency Identification (RFID) werden Objekte über Radiowellen identifiziert. Das Tier wird dank des Halsbands erkannt, wenn es das Geschäft betritt und auf einem großen Bildschirm begrüßt - inklusive Foto. Hat der Händler Daten über den Hund, werden dem Herrchen individuelle Angebote präsentiert. Diese "Digital Signage" genannten Lösungen zeigen wechselnde Inhalte und sollen statische, gedruckte Werbeplakate ersetzen.
Über die App von Payback erhalten Kunden eine Nachricht im Laden, sobald sie sich dem Sonderangebot nähern.
Payback
Ein Beispiel für In-Store-Promotion (Sonderangebote im Laden) erprobte die Supermarktkette Real gemeinsam mit der Mondelez-Marke Milka. Paletten, auf denen die Sonderangebote von Milka platziert waren, wurden mit Bluetooth-Beacons ausgestattet. War ein Nutzer in der Nähe, der die Payback-App auf seinem Smartphone installiert hatte, erhielt er von der Anwendung einen Hinweis auf die Aktion und einen Coupon.
Virtual Reality
Kunden der amerikanischen Kaufhauskette Macy’s können Möbel in der virtuellen Realität auswählen. Macy’s verwendet dazu die "3D Cloud"-Lösung und Virtual Reality-Anwendung von Marxent. Zuerst geben die Kunden Größe und Grundriss des Raums auf einem Tablet ein. Der Raum erscheint als dreidimensionales Modell.
Anschließend stellen sie dort virtuell Möbel hinein, die ihnen gefallen. Ausgerüstet mit einer VR-Brille können sie diesen virtuellen Raum selbst betreten, um einen Eindruck davon zu erhalten, wie die Möbel in ihre Wohnräume passen.

Mehr Infos zum Digitalen PoS gibt es auf der Internet World Expo!
So wird das Regal verlängert
Bestimmte Warengruppen, wie Möbel, benötigen im Geschäft viel Ausstellungsfläche. Ein digitaler Screen, der den Kunden Produktvarianten zeigt, erweitert diese Fläche. Diese sogenannte virtuelle Regalverlängerung kann direkt auf der Ausstellungsfläche oder am Regal installiert werden. Mit Tablets ausgestattete Verkäufer können auf die individuellen Farb- oder Materialwünsche der Kunden eingehen.
Mithilfe eines Tablets konfigurieren Kunden im Geschäft ein Sofa nach ihren Wünschen.
So haben zum Beispiel Kunden der Möbelmarke Livique die Möglichkeit, ein einziges Sofamodell auf viele verschiedene Arten zusammenzustellen und Form, Größe, Material, Farbe, die Armlehne, den Sitzkomfort, den Fußbereich und Zusatzfunktionen je nach Belieben anzupassen.
Am Regal können sich Kunden über Produkte informieren, etwa indem sie diese unter einen Scanner halten, der die Barcodes der Waren liest. In Lebensmittelmärkten können Verbraucher zum Beispiel weitere Informationen über Inhaltsstoffe, Herkunft oder Allergene erhalten. In der Mailänder Filiale des Fashion-Händlers Zara erkennen interaktive Spiegel per RFID einzelne Produkte und machen darauf basierend Vorschläge zu Accessoires und weiteren Kleidungsstücken.
In der Umkleidekabine
Für Modehändler besonders interessant ist die Möglichkeit einer vernetzten Umkleidekabine, wie sie Karstadt im Düsseldorfer Flagship-Store testet. Karstadt setzt auf spiegelnde Touchscreens in den Kabinen, die Styling-Vorschläge bieten, zusätzliche Informationen zu Produkten und einen Zugang zum Online Shop bereitstellen.
Auch der Modehändler Adler stellt seinen Kundinnen und Kunden in der digitalen Umkleidekabine ein Self-Service-System zur Verfügung. Über ein 23 Zoll großes Touch-Display können sie Artikelinformationen wie Produktbilder, Farben, Größen, Cross-Selling-Artikel und Verfügbarkeiten einsehen. Zudem kann ein Verkäufer gerufen werden. Auch komplette Outfitvorschläge werden dem Kunden angezeigt. Im Ruhezustand spielt das System Werbung aus.
Bezahlen ohne Kasse
Kunden warten nicht gern an der Kasse, und die Schlange kann manchmal ganz schön lang sein. Deshalb könnten technikaffine Kunden den mobilen Self-Check-out schätzen, den der Elektronikmarkt Saturn gerade im Saturn Hamburg Altstadt einführt. Mit "Saturn Smart Pay" können die Kunden Produkte direkt am Regal bezahlen. Voraussetzung ist, dass sie die Saturn-Smart-Pay-App auf ihrem Smartphone installiert und sich registriert haben. Anschließend scannen sie den Barcode am Produkt mit der Smartphone-Kamera oder berühren das digitale Preisschild des Produkts mit einem NFC-fähigen Smartphone, um den Artikel aufzurufen. Sind alle Produkte gewählt, wird mit der Kreditkarte, mit Paypal oder mit Google Pay bezahlt.
Das Innere eines "Amazon-Go"-Ladens: Auf Kassen wird komplett verzichtet
Amazon
Technologischer Vorreiter bei der Digitalisierung ist der Supermarkt Amazon Go in den USA. Dort muss der Kunde nicht einmal mehr etwas einscannen. Er nimmt einfach die Produkte mit und verlässt den Laden. Damit dies funktioniert, muss er die Amazon-Go-App auf seinem Smartphone installieren und sich mit seinem Amazon-Konto anmelden. Am Eingang checkt er mithilfe eines QR-Codes ein, so wie man es vom Flughafen kennt. Im Laden selbst überwachen Kameras die Bewegungen der Kunden. Sie registrieren, wenn ein Verbraucher Ware aus dem Regal nimmt. Über die Ortung des Handys wird das Produkt seinem Warenkorb hinzugefügt. Wie dies genau funktioniert, verrät Amazon nicht. Verlässt der Kunde den Laden, bucht die App den Betrag ab.
Die Beispiele zeigen, dass digitale Technologien im stationären Handel bald selbstverständlich sein werden.