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Jochen schweizer
Sonstiges 06.03.2017
Sonstiges 06.03.2017

Jochen Schweizer "Wer anderen folgt, kann niemals vorne sein"

Jochen Schweizer, Gründer und Active Chairman der Jochen Schweizer Unternehmensgruppe

jochen-schweizer.de/Nicolas Mercier

Jochen Schweizer, Gründer und Active Chairman der Jochen Schweizer Unternehmensgruppe

jochen-schweizer.de/Nicolas Mercier

Am 4. März öffnete die Jochen Schweizer Arena in Taufkirchen bei München ihre Tore. Wir sprachen mit dem Namensgeber über sein Unternehmen, die Online- und Offline-Marketingstrategie und die Bedeutung von "operativer Exzellenz".

"Die Marke Jochen Schweizer anfassbar und erlebbar machen." Das ist das Ziel der neuen Jochen Schweizer Arena in Taufkirchen bei München, die am 4. März ihre Tore öffnete. Auf über 15.000 qm gibt es eine Indoor-Skydiving-Anlage und eine stehende Surf-Welle. Im Outdoor-Bereich wird es ab Sommer 2017 neben einem multifunktionalen Hochseilgarten einen Flying-Fox-Parcours und einen Kinderspielplatz geben. Die Arena soll die B2C- und B2B-Zielgruppe ansprechen, letztere mit einem eigenen Bereich für Event- und Firmenveranstaltungen.

Der Namensgeber der Location erfüllt sich mit der Anlage einen Traum. Jochen Schweizer gilt als Pionier unter den Extremsportlern, gründete eine Unternehmensgruppe mit über 550 Mitarbeitern und beriet Gründer in der TV-Show "Die Höhle der Löwen". Wir sprachen mit ihm und seinem CFO Florian Herschke darüber, wie man eine Marke crossmedial verkauft, was sein Unternehmen von mydays unterscheidet und was es mit "operativer Exzellenz" auf sich hat.

Sie haben im vergangenen Jahr erstmalig über 75 Millionen Euro allein in der Digitalsparte umgesetzt. Als Grund dafür nennen Sie Ihre gute Marketingstrategie. Was bedeutet das genau?
Jochen Schweizer: Wir haben schon 2006 damit begonnen, uns von der Konkurrenz, den fünf, sechs direkten Mitbewerbern abzusetzen, weil wir von den Stellschrauben, die das Geschäft ausmachen, die meisten einfach besser einstellen können. Das erfordert detailgenaues Arbeiten bis in die Kapillargefäße unserer Unternehmensgruppe. Es geht ja nicht nur darum, viele Erlebnis-Geschenkgutscheine zu verkaufen. In Wirklichkeit ist das ein hochkomplexes Geschäftsmodell, für das Sie zahlreiche erfolgsrelevante Maßnahmen beherrschen müssen. Diese wiederum entscheiden, wie man am Markt performt. Ich glaube, wir haben uns schlicht deswegen vom Markt abgesetzt, weil wir manche Dinge besser machen, als unsere Follower.

Obwohl 2013 die Ventures-Tochter der ProSiebenSat.1 Group, SevenVentures, die Mehrheit an ihrem Mitbewerber mydays übernommen hat?
Schweizer: Ja, zuerst wurde aber bei uns angeklopft. Ich habe jedoch abgelehnt und gesagt, dass ich nicht verkaufe. Warum hätte ich auch sollen? Wir sind frei finanziert, haben einen positiven Cash Flow, schulden niemandem Geld und generieren bis heute zweistelliges Digitalwachstum. Dann übernahm ProSieben den zweiten auf dem Markt, mydays. Tatsächlich sahen wir uns dann auch in einer "David gegen Goliath"-ähnlichen Situation. Wir, ein inhabergeführtes Unternehmen mit einem Gesamtumsatz von damals gerade Mal der Hälfte unseres heutigen Gruppenumsatzes, gegen diesen riesigen, börsennotierten Milliarden-Konzern ProSiebenSat.1.

mydays profitiert immens von der Medienkraft seines Investors. Bekamen Sie das zu spüren?
Schweizer:
Natürlich. Die haben das gut gemacht. Das Brutto-Media-Volumen von mydays im vergangenen Jahr betrug 50 Millionen Euro. Man muss es ganz klar sagen: Hätte mydays das enorme Mediavolumen von etwa 135 Millionen Euro (2013 bis 2016) aus eigener Kraft in Cash zu handelsüblichen Marktpreisen wie wir bezahlen müssen, wären sie heute pleite. Seit 2013 setzt mydays auf einen TV-Werbedruck, der meines Erachtens zu einem erheblichen Teil oberhalb des Grenznutzens liegt, wenn man annähme, dass er zu Marktpreisen bezahlt werden müsste. Mit diesem Werbedruck waren wir dann eben ab 2013 konfrontiert. Da wir hohes Wachstum bei gleichzeitig überproportional steigendem Gewinn anstreben, wollen wir uns einen solchen TV-Werbedruck zu den für uns geltenden Realkosten einfach nicht leisten. Dennoch haben wir unseren ohnehin schon attraktiven Gewinn von 2015 auf 2016 überproportional  gesteigert.

Wenn man sich die aktuelle GfK-Erhebung zur Markenbekanntheit ansieht, liegt diese bei uns im Oktober 2016 gestützt bei etwa 70 Prozent, mydays kommt auf 45 Prozent. Wir konnten in den vergangenen Jahren unseren Vorsprung in Markenbekanntheit, Vertriebsleistung und Profitabilität kontinuierlich ausbauen. Wir haben die Herausforderung angenommen, sind nicht wehrlos und kämpfen mit den Mitteln, die uns zur Verfügung stehen. Während in Marketing und Vertrieb harter Wettbewerb herrscht, arbeiten wir aber auf der operativen Ebene mit mydays wie auch anderen Anbietern respektvoll zusammen und kooperieren in vielen Bereichen.

Was macht Ihr Unternehmen aus? Was ist Ihr USP?
Schweizer: Jeder Mitarbeiter gibt sein Bestes. Wir nennen das unser Streben nach operativer Exzellenz. Operativ exzellent ist man nicht, wenn man mal etwas richtig macht. Sondern operative Exzellenz ist die Grundhaltung, immer sein Bestes zu geben. Das beginnt bei der Reinigungskraft und endet beim Eigentümer. Diese Haltung, unabhängig davon, ob man Fehler macht oder mit einer Verbesserungsidee scheitert, ist entscheidend für den Erfolg des Unternehmens und der Marke. Ich sage zu meinen Mitarbeitern bei jeder Gelegenheit: Ihr seid Jochen Schweizer. Seid Euch dieser Verantwortung immer bewusst. Unsere Marke ist nichts anderes als die gemeinsame Intention aller Menschen, die hinter der Marke stehen. Aufgrund dieser Haltung bauen wir unsere Marktführerschaft immer weiter aus, da können die Mitbewerber so viel Werbung machen wie sie wollen.

Jochen-Schweizer-Website

Die Webseite vereint B2C- und B2B-Kunden und setzt das Gutscheingeschäft in den Fokus.

www.jochen-schweizer.de

Was haben Sie an Ihrer Strategie geändert, um der Konkurrenz standhalten zu können?
Schweizer: Wir haben 2013 einen Diversifikationsprozess gestartet. Wir sind aufgeteilt in eine Digitalgruppe, die unser Erlebnisportal und unsere Beteiligungen an den Online-Plattformen Regiondo, Hip Trips und Spontacts umfasst. Zum digitalen Arm gehört auch die Jochen Schweizer Technologie Solutions GmbH mit 38 Entwicklern. Und das in München, wo viele Unternehmen Schwierigkeiten haben, überhaupt geeignete Entwickler zu finden und ans Unternehmen zu binden. Auf der anderen Seite gibt es die Jochen Schweizer Projects AG, die aktuell viel in Beton und Hardware-Technologie investiert, Erlebnisanlagen baut und Erlebniszentren betreibt, die vom gesamten Wettbewerb vermarktet werden. Ich selbst habe mich aus dem operativen Geschäft schon vor Jahren zurückgezogen, und bekleide eine Aufsichtsrats-Funktion, allerdings trage ich weiterhin die Verantwortung für die strategische Markenführung. Dabei versuche ich auch als natürliche Person unsere Brand Awareness zu steigern. Mir geht es neben den verschiedenen Geschäftsbereichen, die von sehr erfahrenen Mitarbeitern geleitet werden, vor allem um innovative Projekte, wie unsere neue Arena in München, die hohe Kommunikationskraft und Authentizität besitzen. Auch deswegen haben wir es geschafft, sowohl den Vertrieb im Digitalsegment als auch die Bekanntheit der Marke so zu stärken, dass wir unseren Vorsprung in allen Bereichen gegen großen Wettbewerbsdruck ausbauen konnten.

"Am Anfang wollte ich kein Löwe werden"

Denken Sie noch in Kanälen, wenn es um solche Marketing-Strategien geht?
Florian Herschke: Wir denken in erster Linie an unsere Kunden und holen sie da ab, wo sie abgeholt werden möchte. Die Grenzen verschwimmen zwischen Marketing- und Vertriebskanälen, wo möchte man sich nur informieren, wo möchte man kaufen? Das ist kaum mehr zu trennen. Wenn wir mit unseren Kunden sprechen, ist Social Media natürlich auch ein wichtiges Thema. Wir bilden inzwischen jegliche Services auch darüber ab. Alle unsere Marketing- und Vertriebskanäle dienen sowohl Performance- als auch Branding-Zielen.

Spielt beim Thema Branding auch Ihre Präsenz bei "Die Höhle der Löwen" eine Rolle?
Schweizer: Natürlich. Aus den gleichen Gründen war ich auch das erste Mal das Gesicht unserer neuen TV-Kampagne. Wir unterscheiden uns auch dadurch vom Wettbewerb, dass wir mit unserer Marke synonym für das Erlebnis stehen und nicht nur für das Erlebnisgeschenk. Diese Positionierung haben wir nie aufgegeben und sie hilft uns nun auch bei der anstehenden internationalen Digitalisierung der Freizeitbranche sehr. Denn wir beantworten nicht nur die Kunden-Frage "Was schenke ich?", sondern auch die Frage "Was erleben wir heute Abend, morgen oder am Wochenende?". Diese Kunden sind keine Erlebnisgeschenke-Verschenker, sondern sie wollen ein konkretes Erlebnis zu einem konkreten Termin an einem konkreten Ort sofort verbindlich buchen.

Florian-Herschke

Florian Herschke ist CFO und Prokurist der Jochen Schweizer Gruppe.

Jochen Schweizer Gruppe

Unterscheidet sich die Unternehmensmarke von der Personenmarke Jochen Schweizer?
Schweizer: Grundsätzlich benötigen wir mich als Persona nicht, um unsere Vertriebskanäle zu bespielen. Wir haben es im Zuge von "Die Höhle der Löwen" und in unserer aktuellen TV Kampagne getan, um dem Werbedruck von mydays und anderen Marktteilnehmern noch mehr entgegensetzen zu können, als wir es in allen erfolgsrelevanten Bereichen ohnehin schon tun. Die Marke hat es aber nicht nötig, ein Gesicht zu platzieren. Sie steht auf einem soliden Sockel, weil sie authentisch, glaubwürdig und allein am Nutzen des Kunden orientiert ist.

Warum sind Sie dann ein Löwe geworden?
Schweizer: Am Anfang wollte ich das Ganze nicht. Mir lag zunächst nichts daran, TV-Juror zu werden. Wir haben dann entschieden, unter anderem deswegen beim Projekt mitzumachen, weil das unserer Marke dient und gleichzeitig die Kultur des Gründens unterstützt. Aber ich bin kein Schauspieler und kann mich nur so zeigen, wie ich bin. Ich habe es geschafft, mich drei Jahre lang nicht zu verbiegen und das kam beim Publikum gut an. Inzwischen habe ich einfach zu viele andere Projekte, die es mir nicht mehr gestatten, bei einer vierten Staffel mitzumachen. Die Aufregung und den Medienwirbel um meinen selbstgewählten  Ausstieg verstehe ich nicht.

Was sind denn Ihre persönlichen Learnings aus der Show?
Schweizer: Bleib bei dir selbst.

An wie viel Investments sind Sie derzeit noch beteiligt?
Schweizer: An einem guten Dutzend. Mein Lieblingsinvestment ist aktuell frooggies. Hinter dem Start-up stecken drei ehrliche und authentische Gründer. Bei allen drei handelt es sich auch um sehr gute Sportler. Sie sind auch in ihrer ganzen Geschäftstätigkeit anständig und ehrlich - keine "Pretender". Die frooggies-Gründer stehen fest mit beiden Füssen auf dem Boden - und das gefällt mir sehr. Denn es gibt ja auch Leute, die stehen morgens auf und laufen den ganzen Tag auf Zehenspitzen herum…

Wie kam frooggies bei den anderen Löwen an?
Schweizer: Die frooggies-Gründer sind in der Sendung zunächst ganz schön durch die Mangel gedreht worden. Ich habe die Gründer dann gefragt, ob sie einen Protein Power Shake mit Superfruits produzieren können, wie ich ihn häufig selbst statt eines Mittagessens frisch zubereitet trinke. Sie boten mir dann an, ein Produkt nach meinem Rezept zu entwickeln und mit meinem Konterfei auf der Packung zu vermarkten. So kamen wir ins Geschäft und der Powershake steht heute nicht nur im Lebensmitteleinzelhandel im Regal, sondern auch in der Arena auf der Speisekarte. Ein weiteres Investment, das mir große Freude bereitet, ist Hip Trips, eine OTA (Online Travel Agency) für Erlebnisreisen.

"Die digitalen Umsätze aus dem B2C-Bereich sind am lukrativsten"

Sie sitzen mit Ihren vielen Unternehmen auf einem enormen Datenschatz. Haben Sie für deren Handling Personal eingestellt wie beispielweise einen Big Data Analyst?
Herschke: Wir sind in unserer Datenbank vollständig auf SAP aufgesetzt. Daher haben wir auch in-house entsprechende SAP-Berater und Business-Analysten. Auch unsere CRM-Abteilung beschäftigt sich mit diesen Daten. Wir zählen zu den ersten Unternehmen in Deutschland, die SAP Hana eingeführt haben. Das bietet uns die Möglichkeit nahezu jegliche Fragestellung in Echtzeit auswerten zu können.

Wie sorgsam gehen Sie mit dieser Menge an Daten um?
Herschke: In jedem Fall vermarkten wir unsere Daten nicht an Dritte. Wir nutzen die Daten unserer Kunden, wenn sie es uns erlauben, um ihnen besseren Service zu bieten und persönlichere Angebote zu unterbreiten. Zudem ist die Business Intelligence, die damit einhergeht, extrem wertvoll. Sie kann zum Beispiel Einlöserströme vorhersagen oder messen, warum es sich für uns mehr lohnt, wenn ein Kunde einen Gutschein einlöst, als ihn verfallen zu lassen. Denn aufgrund der Datensysteme wissen wir genau, dass ein Kunde uns langfristig mehr Ertrag bringt, wenn er den Gutschein einlöst. Deswegen bieten wir die "Erlebnisgarantie" an, mittels derer jeder Kunde seinen Erlebnis-Gutschein kostenfrei in eine Vielzahl von Erlebnissen einlösen kann. Und vor dem Verfall stehende Gutscheine können verlängert werden - für zehn Prozent des Wertes, um die gestiegenen Produktionskosten abzufangen.

Wie hoch ist denn der Anteil der Bestandskunden?
Herschke: Wenn man die letzten zwölf Jahre und die generierten Verkäufe betrachtet, kommt man auf eine höhere siebenstellige Anzahl an Bestandskunden. Wir verzeichnen sehr starke Wachstumsraten bei Umsätzen mit Bestandskunden, die auch das Neukundengeschäft übertreffen. Genau das spricht für die Qualität der Dienstleistungen und Produkte unserer Unternehmensgruppe.

Welche Zielgruppe ist denn lukrativer, B2C oder B2B?
Schweizer: Die digitalen Umsätze aus dem B2C-Bereich sind am lukrativsten, denn dort generiert man mit Abstand die profitabelsten Umsätze. Unsere Web-Oberfläche können wir frei skalieren. Ob wir 75 Millionen digitale Umsätze machen oder zukünftig 500 Millionen, ändert am Personalstand wenig.

Wenn Sie heute neu gründen würden, in welchem Bereich wäre das?
Schweizer: Die Frage ist schwierig, weil es einfach sehr stark von Opportunitäten abhängt. Man darf niemals nur um des Gründens-Willens gründen. Denn "Gründer" ist kein Beruf. Man braucht eine gute Idee aus einem Bereich, in dem man sich sehr gut auskennt. Und es muss einen Vorteil für den Markt und die Menschen bringen. Danach kommt harte Arbeit. Mehr ist es nicht. Ein bestimmtes Segment zu favorisieren, weil dieses gerade boomt, halte ich für falsch. Wer anderen folgt, kann niemals vorne sein.

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