
Julian Riedlbauer, Partner und Leiter der deutschen Niederlassung von GP Bullhound
Julian Riedlbauer, Partner und Leiter der deutschen Niederlassung von GP Bullhound
Sowohl IT- als auch Beratungs- und Medienhäuser machen klassischen Digitalagenturen Konkurrenz. Auch das Interesse potenzieller Käufer (wie Investoren, große Agenturgruppen oder Consulting-Unternehmen) an den Digitalagenturen ist groß. Was bedeutet das für die Branche?
Von Julian Riedlbauer, Partner und Leiter der deutschen Niederlassung von GP Bullhound
Digital-Agenturen sind ganz offensichtlich zu einem attraktiven Übernahmeziel geworden. In den letzten Jahren häuften sich derartige Meldungen. Es ist längst an der Tagesordnung, dass große Consulting-Unternehmen wie beispielsweise Accenture ihre Kompetenz durch Zukäufe immer weiter ausbauen. Im Jahr 2017 kaufte Accenture Interactive zehn Unternehmen aus dem Agenturbereich - darunter auch Sinner Schrader. 2018 sorgte die Übernahme der Werbeagentur Kolle Rebbe für Aufsehen und auch in 2019 wurden bereits mehrere Käufe durch Accenture realisiert. So gehört nun beispielsweise die renommierte New Yorker Kreativagentur Droga5 zur Unternehmensberatung.
Gerade erst erwarb Accenture außerdem Insitum, eine Strategie-Beratungs-Agentur, die die Bedürfnisse und das Verhalten der Menschen in den Mittelpunkt stellt. Genau wie Accenture haben auch namhafte Consulting-Firmen wie McKinsey, PWC oder Deloitte in letzter Zeit Agenturen und Beratungsunternehmen im Kreativ- und Digital-Transformation-Bereich übernommen.
Beteiligungsgesellschaften
Auch Beteiligungsgesellschaften sind in der Branche aktiv: So kaufte beispielsweise die Deutsche Beteiligungs AG den IT-Dienstleister Catalyst und das Analystenhaus Crisp Research und formte daraus das Beratungsunternehmen cloudflight. Ebenso interessiert wie kaufkräftig zeigten sich auch andere Private-Equity-Investoren wie zum Beispiel die niederländische Waterland Gruppe. Diese investierte unter anderem in Dept, ein internationales Netzwerk von Digitalmedien-Agenturen, das kürzlich auch die auf Amazon Marketing spezialisierte Agentur Factor A kaufte.
Die Performance Interactive Alliance (PIA), ein Portfolio-Unternehmen des Private Equity-Investors Equistone, übernahm Anfang des Jahres die United Digital Group (UDG), eine Internetagentur mit Spezialisierung auf Technologie und UX-Design. Nun nimmt der Konkurrenzdruck erneut zu, denn immer mehr Medienhäuser drängen in das Agenturgeschäft - die Gründung der Digitalagentur Rosa&Leo durch die F.A.Z. ist nur eines von mehreren Beispielen.
Alle Anzeichen deuten derzeit darauf hin, dass sich die Konsolidierungswelle in den nächsten Monaten und Jahren fortsetzen wird. Doch warum sind Digitalagenturen mit ihren kreativen Mitarbeitern so interessant für Dienstleister, Agentur-Netzwerke und andere Investoren?
Warum sind die Agenturen so begehrt?
Das hat gleich mehrere Gründe: Zum einen lassen sich Werbebotschaften schon seit längerem immer schwieriger auf konventionellen Wegen an die Zielgruppen bringen. Stattdessen müssen Marketing-Verantwortliche kanalübergreifendes Content Management und eine umfassende User Experience respektive Brand Experience betreiben. Dazu gehören neben Content Creation und Storytelling eben auch Social Media Management, Community Building, SEO, Online Advertising und ähnliches.
Hinzu kommt eine technikgetriebene Komponente, die das Business für IT-Dienstleister spannend macht: Komplexe Web- und App-Lösungen, innovative UX Designs, Datenerfassung, Data Analytics, A/B Testing und Programmatic Marketing lösen klassische Umsetzungen, Bauchgefühl der Werber und bekannte Marketing Best Practises mehr und mehr ab. Und schließlich lässt sich mit Service zusätzlich zum Medienprodukt Geld verdienen - das erklärt die Initiativen der Medienhäuser.
Doch langsam gehen die Übernahmeziele aus - die Zahl an größeren Digital-Agenturen, die auf der Suche nach einem Käufer sind, ist überschaubar geworden. Denn auch bei unabhängigen Digital-Agenturen laufen die Geschäfte derzeit gut.
Agenturinhaber und Gründer, die keinen Mehrwert in der Zugehörigkeit zu großen Netzwerken sehen und das Mitspracherecht eines Investors vermeiden wollen, werden wahrscheinlich eher nicht verkaufen. Das wäre verständlich, könnte aber auch Nachteile haben: Strategisch gut gewählte Käufer bringen Synergien mit, die sich für ein nachhaltiges Wachstum nutzen lassen.
Unabhängigen Agenturen hingegen fehlt - im Gegensatz zu Agenturen mit Private Equity Investoren - meistens die Finanzkraft, um ihrerseits Mitbewerber zu übernehmen.
Was heißt das für die Agenturen?
Der Zeitpunkt, sich einen finanzstarken Partner an die Seite zu holen, war noch nie besser als jetzt. Agenturen, die diesen strategischen Schritt sowieso für die nächsten Jahre geplant haben, sollten sich jetzt potenziellen Investoren und strategischen Käufern präsentieren. Wenn eine Agentur sehr spezialisiert ist, über eine hohe Kundenbindung oder eine tiefe Integration mit ihren Kunden verfügt, ist sie deutlich schwieriger austauschbar. Für diese Unternehmen ist die Unabhängigkeit weiterhin eine gute Option - deren Umsatzpotenzial wird in nächster Zeit weiter steigen.
Dabei wird es aber gleichzeitig immer schwerer, organisch zu wachsen. Denn Social Media Designer, UX Designer, Content Manager und Software-Entwickler sind rar gesät und können sich ihren Arbeitgeber mittlerweile fast aussuchen.
Es ist ein regelrechter Kampf um kreative Köpfe mit Digital-Know-How und Software-Entwickler in der Szene ausgebrochen. Wer hier mitmischen will, muss auch im Bereich Recruiting Kreativität beweisen.
Flexible Arbeitszeit- und Arbeitsort-Modelle, agile Methoden, Work-Life-Balance und Weiterbildung auf hohem Niveau sind nur einige Benefits, die die begehrten Talente als Selbstverständlichkeit sehen und deren Wahl für eine bestimmte Agentur beeinflussen. Denn eins ist klar: Trotz aller datenbasierten Algorithmen werden es auch künftig die Menschen sein, die mit ihren kreativen Ideen die digitale Transformation vorantreiben.