Der Kampf der Agenturen um Digital-Etats: Wer macht das Rennen?

Übernahmen, Zusammenschlüsse und Wettbewerb durch klassische Unternehmensberater: Digitalagenturen hatten es schon mal leichter. Wie wird sich der Markt entwickeln? Wer macht das Rennen? Eine Umfrage.
Jan Gutkuhn, Managing Director Dept:
"Der Agenturmarkt befindet sich seit Jahren in einer dauerhaften Konsolidierung. Das ist dem Bedürfnis der Kunden geschuldet, ihrem immer komplexer werdenden Ökosystem Herr zu werden. Denn Marken müssen sich heute nicht mehr nur re-branden, sie müssen sich neu erfinden. CMOs werden deshalb mit mehr Verantwortung und größeren Budgets betraut und sind gezwungen, die wahnsinnige Geschwindigkeit des Marktes mitzugehen. In E-Commerce-Projekten müssen sich selten mehr als 50 Systeme miteinander verbunden werden und die digitale Expertise in den Ladengeschäften gewinnt für Konsumenten ebenfalls an Bedeutung. Dies alles stellt nicht nur Unternehmen, sondern auch Agenturen vor große Herausforderungen."

Matthias Breitschaft, Geschäftsführer Serviceplan Consulting Group:
"Sagen wir mal so: Es wird nicht unbedingt lustiger und leichter. Wir sind jedoch selbstbewusst genug, um so zu sein, wie wir glauben, dass es richtig ist. Gerade in letzter Zeit hören wir immer wieder zum Teil direkt von den Kunden, wie die sonst unfehlbaren 'Berater' nicht oder nur unzureichend liefern. Oder dass deren Standardprozesse dechiffriert werden. Wir werden dann vermehrt angefragt und darum gebeten, es 'nicht so wie diese McKs, Roland Bergers oder Accentures zu machen'. Sondern mal echt, mit kreativem Geist und mit individuellem Bezug zum realen Leben und Geschäft unserer Kunden und ihren Kunden. Mit Liebe und Leidenschaft für Menschen, Marken und Kommunikation und wie das alles miteinander funktioniert."

Jesko Perrey, Globaler Leiter der Marketing und Salec Practice von McKinsey:
"Der Markt entwickelt sich im Moment sehr stark durch Konsolidierung, Spezialisierung, Neugründungen, so dass es fahrlässig wäre, hier zuverlässige Prognosen zu machen. Exzellenz liegt aber weiterhin in der Spezialisierung. Exzellente Agenturen werden sicher auch in Zukunft eine hohe Bedeutung haben."

Andreas Schwabe, Director in der Praxisgruppe Marketing, Vertrieb und Preisgestaltung bei der Boston Consulting Group:
"Wir gehen mit vielen unserer Kunden nach dem 'Build, Operate, Transfer-Modell' vor. Das heißt, wir entwickeln die Strategie und bauen die Struktur sowie die dazugehörigen Teams auf. Wir betreiben das Modell gemeinsam mit den Kunden, bis die Skills und Arbeitsweisen gelernt sind. Und wenn es so weit ist, übergeben wir das komplette Thema dem Kunden, der es fortan alleine betreibt. Dabei wird es natürlich auch noch Platz für Marketing-Agenturen geben. Kreation oder PR-Expertise kauft man gerne situativ oder auch dauerhaft hinzu. Gerade in der Kreation ist es meist nicht möglich, die Top-Kreativen in die Unternehmen zu holen. Die fühlen sich in Agenturen wohler und das ist auch absolut ok so. Marketing- und Kommunikationsagenturen, die den Dreiklang aus Strategie, Kreation und Datentechnologie nicht beherrschen, werden es in Zukunft schwer haben. Das Mediahandling sehe ich größtenteils in-house und programmatisch, ergänzt von Kreativen und Spezialisten für Sonderthemen."

Jörg Rennarth, Geschäftsführer der Cintellic GmbH:
"Der Verdrängungswettbewerb hat bereits vor vier Jahren begonnen. Reine Strategie-Beratungen haben angefangen, IT-Beratungen und Agenturen aufzunehmen. Agenturen und IT-Beratungen schließen sich zusammen. Letztendlich versuchen alle dem Kunden eine End-to-End Beratung im Bereich Digitalisierung anzubieten - von der Strategie bis zur Umsetzung."

Maik Hofmann, Geschäftsführer der Vorn Strategy Consulting:
"Innerhalb der großen Networks werden wir sicher noch die ein oder andere Fusion von Verticals erleben. Die spannende Frage ist, wie gut die Akquisitionen der großen Beratungen mittel- und langfristig funktionieren. Ich glaube, die ein oder andere Übernahme wird noch kommen. Es werden aber auch neue 'Kreativagenturen' entstehen oder bestehende sich neu erfinden und erfolgreich am Markt behaupten."

Daniel Könnecke, Partner im Bereich Brand & Experience Consulting bei Deloitte:
"Eines ist sicher, er wird sich weiter radikal verändern - es ist keine digitale Transformation, eher eine permanente Transformation. Das erfordert vor allem ein Umdenken der Unternehmenskultur und danach erst der Technologien. Wir befinden uns hier eher am Anfang. Ich denke, Automatisierung wird stark zunehmen, auch die Personalisierung im Rahmen der Datenschutz-Verordnung. Ob die Bedeutung von Agenturen weiter abnimmt, weiß ich ehrlich gesagt nicht. Budgets werden in Richtung Automatisierung gehen, aber ich glaube weiterhin an die Kraft von Ideen und menschlicher Empathie. Allerdings entwickeln Unternehmensberatungen wie wir sich auch in diesen Bereichen weiter. Es wird spannend zu sehen, wie sich dieses Feld in der Zukunft aufteilen wird. Im Wettlauf der Technologie scheint mir der Kampf allerdings schon entschieden: Die klassischen Marketing- und Kommunikationsagenturen sind hier bereits deutlich abgehängt."

Unternehmenssprecher von A.T. Kearney:
"Digitales Marketing ist schon längst keine Verkaufskanaloptimierung mehr, sondern spielt im gesamten Zyklus eines Produktes oder eines Services eine wichtige Rolle. Dies gilt für Marktanalyse und Entwicklung neuer Produkte und Dienstleistungen genauso wie für die Evaluierung und kontinuierliche Optimierung. Digitales Marketing wird immer mehr entscheidende Schnittstelle zum und vom Kunden und seine Erkenntnisse gehören daher auf die CEO-Agenda. Gerade für eine Top-Management-Beratung wie A.T. Kearney bietet sich in einem wachsenden Markt erhebliches Potenzial, denn es sind integrale Lösungen entlang der gesamten Wertschöpfungskette gefragt. Spezialagenturen leisten hingegen nur einen kleinen Ausschnitt und werden sich mehr und mehr auf ihren Teilaspekt fokussieren."