
Medienübergreifende Planungsinstrumente sind gefragt. Aber: Branding-Leistungswerte im Internet basieren nicht auf nutzerbezogenen Panel-Daten, sondern auf Cookies. Das macht eine direkte Vergleichbarkeit schwierig.
Von Jochen Witte, COO von Stailamedia
Bewegtbild-Inhalte werden schon längst nicht mehr nur im Wohnzimmer vor dem klassischen Fernseher, sondern zunehmend auch auf Desktops, Laptops, Tablets und dem Smartphone konsumiert. Immer mehr TV-Kunden suchen deshalb nach medienübergreifenden Planungs-, Auslieferungs- und Messinstrumenten für ihre Markenkommunikation.
Nur: Anders als bei klassischen Medien basieren Branding-Leistungswerte im Internet nicht auf nutzerbezogenen Panel-Daten, sondern auf Cookies. Das macht eine direkte Vergleichbarkeit schwierig. Dazu kommt die Herausforderung, den User über mehrere Geräte hinweg identifizieren zu können. Laut einer Studie von Facebook und GfK aus dem November 2015 nutzen 90 Prozent der Deutschen mehrere Geräte und 47 Prozent der Befragten geben sogar drei Endgeräte an.
Suche nach neuen Methoden
Die Tendenz ist steigend und der Anteil an mobilen Endgeräten steigt dabei überproportional. Die Nutzung verschiedener Geräte, Browser und Mobile Apps macht es praktisch unmöglich, einen Benutzer über dessen Desktop PC, Laptop, Smartphone oder Tablet allein anhand von Cookies wiederzufinden, denn Cookies identifizieren nicht den Nutzer, sondern lediglich den Browser oder die Applikation. Dazu kommt die durchschnittlich stark begrenzte Lebenszeit von Cookies: Sie werden, bewusst oder unbewusst, regelmässig gelöscht. Der Blick auf die für klassische Markenkommunikation wichtigen Metriken Reichweite und Frequenz wird unscharf und die Statistiken sind schlicht falsch. Dies macht die Suche nach neuen Lösungen notwendig.
Während sich die Online-Welt in der Messung derzeit stark an den panelbasierten Methoden der klassischen Medien orientiert, muss im Bereich Planung und Auslieferung nach neuen Methoden gesucht werden, um den neuen Gegebenheiten gerecht zu werden. Technisches Device und User Tracking über mehrere Geräte
hinweg sind ein vielversprechender Ansatz, um Reichweite und Frequenz im Online-Bereich besser zu planen und zu steuern.
Cross-Device Tracking ist eine zweistufige Herausforderung: Um die Unzulänglichkeiten des Cookie-Trackings zu überwinden - begrenzte Lebenszeit, fehlende Identifikation über mehrere Browser und Applikationen -, wird dieser Cookie zunächst durch eine Device ID ersetzt. Diese identifiziert ein Gerät basierend auf individuellen Einstellungen auf dem Gerät.
Neben dem User Agent, der Sprache, den Farben, installierten Schriftarten, Zeitzone, Touchscreen-Einstellungen oder den Browser-Plugins können noch viele weitere Details einen Fingerprint erstellen, der ein Gerät mit sehr hoher Genauigkeit über mehrere Browser und Applikationen hinweg identifiziert und dabei wesentlich langlebiger ist als traditionelle Cookies. Die Liste der Anbieter reicht von Open Source Projekten bis zu bekannten Tracking Spezialisten. Während sich die Erkennung über Desktop und Mobile Web schon als Standard etabliert hat, bleibt In-App eine grosse Herausforderung und ein Differenzierungsmerkmal für die Qualität kommerzieller Anbieter.
Deterministische Daten
Die zweite und wesentlich herausforderndere Stufe hin zum User Tracking ist die device-übergreifende Identifizierung ein und desselben Benutzers. Hier spielen die Internet-Grössen Google und Facebook ihren Trumpf aus, denn nur sie können über signifikant viele Login-Daten deterministisch auf den Benutzer vor dem Gerät Rückschlüsse ziehen. Andere Anbieter verfügen meist nicht über genügend deterministische Daten.
Einen interessanten Ansatz verfolgt der amerikanische Anbieter Augur: Über eine Javascript-Bibliothek, die auf immer mehr Seiten integriert wird, werden Nutzerdaten aus Formularen, Logins von Social Networks oder
Kommentarfunktionen genutzt, um eine anonymisierte User-ID zu generieren, die vollständig auf deterministischen Daten beruht.
Probabilistische Algorithmen
Neben deterministischen Daten lassen auch probabilistische Algorithmen die Identifizierung eines Users auf unterschiedlichen Geräten zu. Dabei wird das Nutzer-Verhalten auf verschiedenen Geräten untersucht und anhand von möglichst vielen Datenpunkten das Surfverhalten und die Web-History genau untersucht und zu Mustern modelliert. Es entsteht eine Art User-DNA. Der statistische Abgleich von diesen Mustern auf verschiedenen Devices lässt in Echtzeit und mit hoher Genauigkeit auf den gleichen User schliessen. Wie genau ist allerdings umstritten - Angaben der Dienstleister schwanken zwischen 70 Prozent und 98 Prozent.
Der deterministische Ansatz basiert auf 1st-Party Daten. Persönliche Informationen, die eindeutig auf dieselbe Person auf unterschiedlichen Devices schliessen lassen, sind zum Beispiel Log-in Daten, Email Adressen und ähnliches. Die Datenqualität ist hoch, die Reichweite jedoch begrenzt, denn nicht jeder Benutzer kann so identifiziert werden.Gerade für Branding-Kampagnen mit hohen Reichweite-Anforderungen ist das ein Problem. Die fehlende Reichweite kann der probabilistische Ansatz ergänzen.
Kombination aus beidem
Um Reichweite und Genauigkeit für ein Cross Device User Tracking gewährleisten zu können und Audience Buying für Branding Kampagnen zu professionalisieren, können beide Ansätze kombiniert werden. Um Branding-Zielgruppen mit hohem Volumen und mit wenig Streuverlust zu erreichen, ist es notwendig, Ansätze und Technologien mehrstufig zu kombinieren und regelmässig über Audits und Studien zu validieren.
Als Basis dient ein solides Device-Fingerprinting für Desktop, Mobile Web und Mobile App. Deterministische und probabilistische Datenquellen können dann kontinuierlich ausgebaut werden und helfen dabei, Nutzer eindeutig über verschiedene Geräte zu identifizieren. Parallel können sozio-demographische und psychographische Daten aggregiert und mit Behaviour-Segmenten ergänzt werden.
All diese Datenquellen bilden die Basis für device-übergreifende Zielgruppensegmente im Branding-Bereich.
Diese können dann über direkte oder über semantisch-probabilistische Modelle genutzt werden, um Reichweiten und Kontaktklassen über Video-, Desktop- und Mobile Kampagnen hinweg zu kontrollieren und zu kombinieren, damit Online-Branding effizient, sicher und planbar wird. In der Theorie kommt man so an User-IDs und sozio-demographische sowie psychographische Zielgruppen über das ganze Internet hinweg, ganz egal ob über Computer, Smartphone, TV oder Kühlschrank.

Beispiel für Cross Device User Tracking
Stailamedia
Fazit
Cross Device User Tracking bleibt auch mit den richtigen Algorithmen und Verifizierungsmodellen ein technologie- und Know-how-intensives Thema. Die Kombination von deterministischen und probabilistischen Daten gewährleistet am ehesten grosse Datenreichweite und Genauigkeit. Dabei darf man nicht vergessen,
dass das Matching beider Datenquellen Zeit benötigt. Um so länger die beiden Datenquellen abgeglichen werden, desto höher wird die Genauigkeit. Es entsteht ein Graph, der sich proportional zur Datenmenge und der Zeit aufbaut. Für Werbungtreibende sind die neuen Cross-Device-User-Tracking-Modelle eine gute
Nachricht: Sie können große Reichweiten aufbauen und Streuverluste verringern und so ihre Kampagnen effizienter planen und umsetzen.