
Corona-Krise Fördermaßnahmen: Was Händler sich von der Politik wünschen
Marcus Diekmann sieht Nachbesserungspotenzial beim Schutzschirm für Corona-Opfer.
Marcus Diekmann sieht Nachbesserungspotenzial beim Schutzschirm für Corona-Opfer.
Die Initiative "Händler helfen Händlern" hat mit Vertretern des HDE, dem bevh, dem Bundeswirtschaftssenat des BVMW, der IFH Köln und dem Kompetenzzentrum Handel einen Forderungskatalog an die Politik formuliert. Mitinitiator Marcus Diekmann erklärt, worum es geht.
Von Marcus Diekmann, Mitinitiator der Initiative "Händler helfen Händlern"
Die deutsche Wirtschaft rutschte so unverschuldet wie unerwartet von einem Tag auf den anderen in die Corona-Krise. Zu den größten Leidtragenden zählt der traditionelle Handel. Wer keine lebensnotwendigen Produkte verkauft, musste die Pforten schließen, um die Abflachung der Infektionskurve zu unterstützen. Damit fiel adhoc ein Vertriebskanal aus, über den die Unternehmen zwischen 70 bis 100 Prozent ihrer Umsätze erwirtschaften.
Der deutsche Staat reagierte schnell. Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) und Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) versprachen, niemanden im Regen stehen zu lassen. Unendlich viel Geld wurde in Aussicht gestellt - und das einfach und unbürokratisch. Soweit die Theorie. Doch wie sieht es in der Praxis aus?
Händler sind enttäuscht über die Hilfsmittel
Heute hat die Bundesregierung ihren Nachtragshaushalt vorgestellt. Und viele Händler zeigen sich enttäuscht über die angekündigten Hilfsmittel. Denn unendlich viel Geld wurde letzten Endes doch nicht zur Verfügung gestellt. 156 Milliarden Nachtragshaushalt stehen für Not leidende Unternehmen zur Verfügung. Hinzu kommen Mittel der verschiedenen Bundesländer. Für NRW beispielsweise stehen hier zusätzlich 25 Milliarden Euro zur Verfügung.
Einfach Geld bekommen die Unternehmen auch nicht. Denn die meisten Förderprogramme müssen bei der Hausbank beantragt werden. Die prüft, ob es eine positive Fortführungsprognose gibt. Dazu müssen die Unternehmen auf Basis der Bilanz 2018, der BWA 2019 und der Planung 2020 und 2021 ein Konzept erarbeiten, wie die Kapitaldienstfähigkeit nach Corona gewährleistet ist. Nur dann erhält man seinen Anteil der "Bazooka".
Unternehmer sollten nicht mit ihrem Privatvermögen haften müssen
Nicht deutlich kommuniziert wurde auch, dass die Haftungsfreistellung, von der die Politiker immer sprechen, nur eine Haftungsfreistellung für die Hausbank ist, nicht aber für die Unternehmen. Entsprechend häufig wird das verwechselt. Gut ist, dass aktuell über Institute wie die KFW, die NRW_Bank oder die Bürgschaftsbank diese Haftungsfreistellungen für die Banken bezogen werden können. Aber der Unternehmer oder Gesellschafter muss fast immer für das Darlehen mit seinem Privatvermögen haften - auch bei Kapitalgesellschaften, wie zum Beispiel der GmbH.
In normalen Zeiten wäre es natürlich super, dass man in Krisen Geld bekommen kann, das ohne die KFW nicht beantragt hätte werden können. Und natürlich muss jeder Unternehmer auch sein unternehmerisches Risiko tragen. Aber in diesem Fall sprechen wir über eine Krise, die nicht auf einem unternehmerischen Fehler beruht, sondern auf einem unkalkulierbaren Virus. Somit ist es Auftrag der Gesellschaft und des Staates, hier gemeinsam einzuspringen und neue Arten von Förderprogrammen zu etablieren.
Haftungsfreistellung muss auch für die Unternehmen gelten
Zusammen mit führenden Handelsverbänden fordert die Initiative "Händler helfen Händlern" daher, dass die Haftungsfreistellung nicht nur für die Banken gelten muss, sondern auch für die Unternehmen. Zudem muss das Antragswesen vereinfacht werden. Die meisten Unternehmen haben keine ausreichende neue Planung und kein ausreichendes Strategiepapier in der Schublade, das die Kapitaldienstfähigkeit 2021 ausreichend nachweisen kann. Erfahrungsgemäß lassen sich derartige Dokumente auch nicht einfach in einer Woche erstellen. Vor allem die vielen kleinen Mittelständler sind damit überfordert.
Natürlich ist der staatliche Ansatz verständlich, dass keine Unternehmen gefördert werden sollen, die bereits 2019 ihre Kapitaldienstfähigkeit nur schwer darstellen konnten. Aber wer bis zur Corona-Krise noch keine Insolvenz anmelden musste, hätte häufig doch noch Wege gefunden, sich zu sanieren. Diese Möglichkeiten wurden ihnen durch die Corona-Krise jedoch genommen.
Kredite müssen weniger bürokratisch und zinsfrei vergeben werden
Eine weitere Forderung ist, dass Betriebsmittelkredite unbürokratisch auf Basis der Kostenstrukturen der vergangenen sechs Monate zur Verfügung gestellt und schnell ausbezahlt werden. Das verschafft dem Handel sechs Monate Zeit, um eine eigene Strategie zu erarbeiten, sich auf die Wiedereröffnung der Stores vorzubereiten, mit Lieferanten über neue Zahlungskonditionen zu verhandeln, neue Einkaufsprozesse zu definieren und mit den Banken neu zu verhandeln. Zudem hat auch der Staat Zeit, sinnvolle mittelfristige Programme aufzusetzen.
Darüber hinaus erscheint es aus heutiger Sicht utopisch, dass die Unternehmen, wie aktuell vorgesehen, langfristige Programme nach zwei Jahren zurückbezahlt oder monatlich getilgt werden. Jetzt müssen Unternehmen erst einmal die Chance bekommen, die Krise zu meistern, nach der Wiedereröffnung, um die Kunden zu kämpfen und die anstehenden Rabattschlachten zu überleben, mit der die gegenwärtigen Sortimente abverkauft werden müssen. Die meisten Händler werden in den kommenden eineinhalb Jahren nicht in der Lage sein, Gewinne zu erzielen. Und ohne Gewinn sind die Unternehmen häufig auch nicht kapitaldienstfähig und können nicht tilgen.
Besser ist es darum, Darlehen mindestens drei Jahre lang tilgungsfrei zu stellen, damit die Unternehmen Geld verdienen, Liquidität aufbauen und in die Zukunft investieren können. Darüber hinaus sollten die Programme mit einer Null-Prozent-Finanzierung getilgt werden können. Andernfalls wird die Liquidität belastet, obwohl die Händler unverschuldet in die Misslage geraten sind.