Big Data aus Nutzerhand: Was halten Sie generell von so einer Idee und halten sie sie für praktikabel?
Stephan Noller, CEO Nugg.AD: Ich halte diese Idee nicht nur für praktikabel, sondern sehe darin einen festen Bestandteil der Zukunft des Internets. Die Entwicklung, die sie beschreiben, hat ja schon begonnen. Auch wir selbst treiben solche Entwicklungen im Bereich "good data" durch unser Inkubatorprogramm voran. Dienste wie zum Beispiel thin.gs oder Enliken aus New York setzen gezielt auf die Nutzer, die tatsächlich den Spieß umdrehen und als Souveräne ihrer Daten agieren. Sie sind sich des Werts ihrer Daten bewusst und wissen genau, was sie preisgeben und wofür sie es preisgeben. Der datensouveräne User wird wissen, welche Daten beispielsweise ein Social Network von ihm verlangt und wie es diese verwendet und sich dann für oder eben gegen die Nutzung desselben entscheiden. Ähnliches gilt für werbefinanzierte Services und Websites. Das ist dann ein tatsächlicher "fair deal" zwischen Online-Industrie und Nutzer, von dem alle Seiten profitieren.
Sehen Sie Bedarf für solche Daten oder reicht das vorhandene Datenmaterial aus?
Noller: Das kommt ganz auf die jeweiligen Marketing- und Kampagnenziele an. Für unsere Zwecke, also vornehmlich Branding-Ziele, benötigen wir keine feingranularen Daten. Außerdem ist im Brand-Advertising ja gerade die Idee, dass der User noch nicht weiß, dass er das Produkt mögen wird. Im Performance-Bereich oder gerade auch für die Befeuerung von Diensten oder Apps sieht das sicher ganz anders aus. Generell wird sich mit ‚good data’ die Datenqualität natürlich verbessern und Werbung wieder mehr als Information gesehen werden.
Mit welchen Art von Zielgruppendaten arbeiten Sie, welche Vor- und Nachteile haben diese gegenüber den selbsterfassten der Konsumenten?
Noller: Wir arbeiten einerseits mit Bewegungsdaten, also dem tatsächlichen Surfverhalten von Nutzern, und zusätzlichen Daten aus Online-Fragebögen sowie externen Data Providern, die uns Echtdaten zu Aspekten wie z.B. Kaufverhalten etc. liefern. Das funktioniert für unsere Kunden sehr gut und in vielen Fällen sind solche indirekt erhobenen Daten sogar besser als vom User selbst angegebene. Wenn der Konsument allerdings relativ spezifisch unterwegs ist, sich also z.B. für ein Hauskauf oder ein bestimmtes Auto interessiert, kann es sehr hilfreich sein, wenn er dies auch aktiv als Interesse angeben kann. Erfahrungsgemäß sind solche Ansätze für Werbung allerdings limitiert und viele Konsumenten dauerhaft nicht zur Pflege derartiger Daten bereit.
Wie viel wären solche voll personalisierten Daten denn wert?
Noller: Eine Umfrage, die der Hessische Rundfunk 2012 zu dem Thema machte, zeigte, dass Nutzer den Wert ihrer Daten oft deutlich überschätzen. Es ist ja faktisch so, dass ein Advertiser wie BMW nicht daran interessiert ist, Herrn Schmidt in der Musterstraße 1 direkt anzusprechen, sondern ein Millionenpublikum. Dafür reichen also relativ grobe Segmente, wie Geschlecht, Alter, Interesse an Autos etc. Sie können sich denken, dass die Daten des Einzelnen dagegen in puncto Monetarisierung verblassen. Schöne Lösungen gibt es aber z.B. von den eben genannten Enliken, die ihr Konzept auch auf unseren Data Days letztes Jahr präsentierten. Statt Geld erhalten dort Nutzer Punkte für ihre Daten, die sie dann zur Unterstützung gemeinnütziger Projekte einsetzen können. Wichtig ist es aber nochmal festzustellen: Der bewusste Umgang des Nutzers mit seinen Daten generell ist für die Industrie und natürlich auch die Nutzer selbst von unschätzbarem Wert.