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Metaverse
Social Media 23.08.2022
Social Media 23.08.2022

Kommentar Carsten Rossi, BVDW: "Das Metaverse ist ein Knaller!"

Aleem Zahid Khan
Aleem Zahid Khan

An dieser Stelle meldete INTERNET WORLD-Redakteur Frank Kemper kürzlich Zweifel daran an, ob das Metaverse wirklich "The Next Big Thing" wird. Carsten Rossi, Lableiter Society im Metaverse-Ressort des BVDW will das so nicht stehen lassen. Hier ist seine Gegenrede.

Von Carsten Rossi, Lableiter des Ressorts Metaverse im Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW) e.V.


Vor einigen Wochen schrieb Frank Kemper einen kritischen Kommentar über die Metaverse-Euphorie. Ich schätze konstruktive Kritik, vertrete allerdings die Auffassung, dass der Beitrag über das Ziel hinausschießt. Das Metaverse „als großer Knaller“ wird nicht in absehbarer Zeit beerdigt. Die vorgebrachten Argumente erscheinen nicht besonders stichhaltig. Die folgenden Schwächen des Metaverse-Hypes seien laut seinem Kommentar:

  • Fehlendes Interesse der Konsumentinnen und Konsumenten
  • Wenig Umsatzvolumen und Investitionen und unseriöse Crypto-Währungen
  • Unhandliche und schwere VR-Brillen
  • Für Zuckerberg und Meta sei Metaverse ein letzter Strohhalm

Meine Meinung: Es interessieren sich zum heutigen Zeitpunkt genau die richtigen Menschen in ausreichender Zahl für das Thema, an Geld fehlt es nicht, die (ärgerlichen) Debatten um Crypto- und Grundstücksspekulationen stellen keinen Showstopper dar, die Technik ist bereits ziemlich gut und die Rolle von Meta wird überschätzt.

Doch werfen wir ein Blick in die Details.

Das Interesse am Metaverse

 In dem Kommentar wird beklagt, dass nach einer Umfrage von Fittkau & Maaß Consulting nur zwölf Prozent der Nutzer echte Begeisterung zeigen. Offensichtlich wird eine Inkongruenz zwischen der - zugegebenermaßen häufig sehr aufgepumpten - Berichterstattung in den Medien und dem verhaltenen Interesse in der Öffentlichkeit gesehen. Ungewöhnlich ist eine anfänglich geringe Begeisterung nicht.

Derzeit befinden wir uns in einer sehr frühen Phase, dem "Early Market", der Entwicklung. Laut der etablierten Verbreitungstheorie für Innovationen "Technology Adoption Lifecycle" von Rogers und Moore spricht jede bahnbrechende Neuerung zu Beginn nur maximal 15 Prozent der Gesamtpopulation an. Mit anderen Worten: Wir liegen mit dem Metaverse laut genau im Erwartungshorizont.

Das Geld und die vermeintlich unseriöse Crypto-Währung

In dem Kommentar steht, das Marktvolumen des Metavers sei kleiner als das Privatvermögen von Bill Gates, also weniger als 100 Milliarden Dollar. Die herangezogene Berechnungsgrundlage? Genannt wird die Marktkapitalisierung der Crypto-Währungen (Crypto-Currency) von Bitcoin, Ether und anderen Cryptos.
Nur die implizite Gleichsetzung von Crypto-Märkten und Metaverse ist schlicht falsch.

Carsten Rossi, BVDW

Carsten Rossi, der Autor dieses Kommentars, ist Lableiter des Labs Metaverse: Society - General Framework, Ethics and Sustainability im Ressort Metaverse im Bundesverband Digitale Wirtschaft.
Hauptamtlich ist er Geschäftsführer bei der Agentur Kammann Rossi GmbH

BVDW

Crypto-Currencies basieren zwar auf der Blockchain-Technologie, diese wird aber höchstwahrscheinlich eine gewisse Rolle bei der weiteren Entwicklung des Metaverse spielen. Doch weder die aktuellen Plattformen und Projekte noch die Zukunft des Metaverse hängen von Cryptos ab. Die geringe Marktkapitalisierung der Blockchain-Währungen als Hinweis auf ein nicht zukunftsfähiges Metaverse heranzuziehen, funktioniert meines Erachtens nicht.

Interessanter sind folgende Zahlen: 2022 haben Unternehmen, Venture-Capital- und Private-Equity-Firmen mehr als 120 Milliarden Dollar in das Metaverse investiert - mehr als Bill Gates ausgeben könnte. Ganz zu schweigen vom geschätzten Marktvolumen von fünf Billionen Dollar bis 2030, das McKinsey vorhersagt. Klingt nicht nach einem Flop.

Crypto ist nicht das Metaverse, NFTS sind nicht das Metaverse und das Metaverse ist ganz sicher mehr als digitaler Einzelhandel und virtuelle Güter. Das Metaverse stellt ein "dezentralisiertes, interoperables, beständiges und mit allen Sinnen wahrnehmbares, digitales Ökosystem" dar, zu dem Virtual Reality genauso gehört wie Augmented Reality. Es umfasst ein enormes Spektrum, fängt bei Gaming an, spannt sich über virtuelle Arbeits- und Lernräume, über Gesundheitsthemen sowie digitales Entertainment und führt bis hin zu digitalem Kundenservice.

Das Metaverse steckt voller Möglichkeiten - von den gesellschaftlichen Chancen für Partizipation, Inklusion und digitaler Transformation unserer Demokratie ganz zu schweigen.

Die Brille

Ja, die MetaQuest liegt schwer auf dem Gesicht. Sie ist beinahe massig, um nur ein Gerät exemplarisch zu nennen. Jetzt im Rekord-Sommer schwitzt man unter ihr ganz fürchterlich. Ein rundherum komfortables Erlebnis bietet die Technik derzeit nicht. Daraus abzuleiten, dass das Metaverse keine Zukunft hat, erachte ich jedoch als fatal. Warum?

Es gab schon früher Annahmen über technologische Entwicklungen, die sich im Nachgang als nicht richtig erwiesen haben. Erinnern Sie sich an die frühen tragbaren Autotelefone im C-Netz? Damals hieß es von den koffergroßen Geräten, mobiles Telefonieren habe keine Zukunft. Heute nutzen rund drei Viertel der Deutschen ein Smartphone und die Verbreitung von mobilen Telefonen liegt deutlich darüber. Noch einmal: Das Metaverse steht am Anfang der Entwicklung.

Der Markt

Metas Konzernstrategie und -Pläne kann und werde ich nicht kommentieren. Meta ist aktuell ein wichtiger Player und maßgeblich verantwortlich für die große Aufmerksamkeit, die das Thema bekommt. Die Initiativen des Social-Media-Riesen definieren allerdings nicht das Metaverse, sie sind auch nicht die einzigen und vielleicht auch nicht die wichtigsten.

Die diversen "Metaverse Market Maps" verdeutlichen, wie viele Unternehmen weltweit ihr Schicksal ganz oder teilweise mit diesem Thema verbinden. Ob Kempers These, wonach aus großen Konzernen keine disruptiven Innovationen mit Ansage kommen könnten, Bestand hält, wird sich zeigen. Aber große Plattformen stellen nur ein Ausschnitt dar. Eine viel tragendere Rolle fällt der riesigen Creator Economy zu, die mittlerweile entsteht. All die Einzelkämpfer, die kleinen und mittelgroßen Unternehmen bauen Plattformen, produzieren virtuelle Güter und erproben neue Geschäftsmodelle. Kurzum: Sie treiben die Entwicklung voran.

Das Metaverse ist kein Geschäftsmodell, das Metaverse ist eine Bewegung. Und aus all diesen Gründen sagt mir eine innere Stimme: Das Metaverse wird kein Knaller, das Metaverse ist ein Knaller.

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Anmerkung von Frank Kemper: Liebe Leserinnen und Leser, wie ist Ihre Meinung dazu? Schreiben Sie mir gerne eine Mail! Ich leite Ihre Kommentare an Carsten Rossi weiter.

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