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Gastkommentar Serious Social Media: Warum lustige Posts oft keinen Mehrwert bieten

Shutterstock/Andrey Popov
Shutterstock/Andrey Popov

Unternehmen haben es mit ihren Produktmeldungen oft schwer, die Aufmerksamkeit der User auf sich zu ziehen. Was deshalb teilweise en masse in Social-Media-Kampagnen eingesetzt wird, ist Humor. Ein Fehler, sagt Brian O’Connor von rethink.

Von Brian O’Connor, Social-Media-Experte und Gründer von rethink

Lustige Videos kommen im Social Web meist gut an. Kein Wunder, denn die meisten Nutzer öffnen Instagram, TikTok und Co. täglich genau dafür - um unterhalten zu werden oder um sich abzulenken. Unternehmen haben es mit ihren Produktmeldungen und Neuigkeiten oft schwer, die Aufmerksamkeit der User auf sich zu ziehen.

Was deshalb oft als Geheimzutat verkauft wird und von einigen Unternehmen en masse in Social-Media-Kampagnen eingesetzt wird, ist Humor. Wer kennt sie nicht? Die lustigen Musikvideos aus den EDEKA-Filialen, in denen zwischen Schmand und Klopapier gerappt wird oder die flotten Sprüche der BVG und SIXT. Aber sind sie wirklich die Paradebeispiele für erfolgreiche Social-Media-Posts?
 
Eben weil User:innen auf Social Media entertained werden wollen, hat lustiger Content auf jeden Fall seine Daseinsberechtigung. Der Unterschied zwischen den Content Creator:innen, die lustige Videos auf TikTok posten, und Corporate Accounts, die ihre Anspruchsgruppen erreichen wollen, ist aber die Zielsetzung. Erstere posten, um User:innen, Content zu bieten, der unterhält, wohingegen zweitere selten die ultimativen Lacher als Endziel ihrer Kommunikation haben.

Brian O’Connor

Brian O’Connor, Social-Media-Experte und Gründer von rethink

rethink

Zwar möchten beide im besten Fall reichweitenstarke Inhalte generieren, aber schlussendlich sollen die Social-Media-Postings der Unternehmen auf die Unternehmensziele und deren Wertschöpfung einzahlen. Und da greift Humor oft zu kurz, denn er bietet keinen echten Mehrwert, der User:innen und Unternehmen zusammenbringt. Nur weil man mal über ein Video oder einen Spruch gelacht hat, heißt es noch lange nicht, dass man am Ende auch wirklich die Produkte kauft. 

Keine langweiligen Posts, sondern Mehrwert schaffen

Natürlich heißt das nicht, dass die Social-Media-Kommunikation aller Unternehmen jetzt auf einmal staubtrocken und langweilig sein sollte. Gerade Humor kann durchaus auch ein Türöffner für bestimmte Zielgruppen sein. Aber gleichzeitig ist auch immer die Frage damit verknüpft, welchen Mehrwert man mit Kommunikation bieten möchte. Meistens sind das Informationen, die über das Produkt oder das Unternehmen transportiert werden. Denn schlussendlich sind es meist diese Details, die dazu führen, dass Leute sich zum Kauf eines Produktes entscheiden. Schaffe ich mir ein neues Smartphone an, vergleiche ich die Features, die Preise und die Qualität mit anderen Modellen.

Das Gleiche bei Autos, Versicherungen und Urlaubsangeboten. Warum diese kaufentscheidenden Inhalte nicht in einer seriösen Social-Media-Kommunikation mit einfließen lassen und die Qualität der Produkte in den Vordergrund stellen? In den meisten Fällen kann der Humor in den Posts nämlich dies nicht vermitteln, sondern ist nur eine Strategie der Social-Media-Teams und kein Garant für wirklichen Mehrwert. Hollywood macht es vor: Gute Geschichten basieren auf vielen verschiedenen Emotionen, die über Humor hinausgehen, und sie deshalb erst zu Blockbustern machen. Genauso können Kommunikator:innen auf Elemente aus Drama, Abenteuer oder Fantasy zurückgreifen, um erfolgreiches Storytelling zu betreiben.

Zielgruppe direkt erreichen

Der Mehrwert, den Social-Media-Posts für Unternehmen haben, ist, dass sie ihre Zielgruppen direkt erreichen und Aufmerksamkeit schaffen können. Dabei haben Unternehmen aber nicht nur eine Zielgruppe, sondern durchaus mehrere dutzend. Welche auch oft recht unterschiedlich sind. Deshalb sollte bei Social-Media-Posts, die generisch mehrere Zielgruppen auf einmal erreichen, eine Ansprache gewählt werden, die im Optimalfall alle mit einschließt. Das tut Humor meistens nicht, denn der ist oft sehr individuell und bubble-spezifisch. So kann ein lustiger Post vielleicht eine Zielgruppe besonders stark ansprechen, gleichzeitig springen zehn weitere Anspruchsgruppen nicht darauf an - und wenden sich im schlimmsten Fall vom Unternehmen ab.
 
Wenn wir über zielgruppenspezifische Ansprache reden, müssen wir auch immer die Absender:innen betrachten. Für manche Unternehmen mag Humor recht verankert in der Unternehmenskultur sein, bei den meisten ist es aber oft nur die Kommunikation, die versucht witzig zu sein. Ist die Geschäftsführung genauso witzig wie der neue Post auf Instagram? Hauen die Busfahrer:innen die gleichen Sprüche raus, wie das Social-Media-Team der BVG? Viel sinnvoller und authentischer ist es also, sich auf das Unternehmen und dessen Produkte zu fokussieren und inhaltlich relevantes für die Zielgruppen zu posten.

Likes als Metrik

Der vermeintliche Fehler und Grund, warum so viele Social-Media-Teams auf den Humor-Trend-Zug aufspringen, liegt in einer ausgelaufenen Erfolgsmessung. Performance wird oft hauptsächlich in Likes gemessen - und lustige Posts bekommen davon oft viele. Dass diese jedoch den tatsächlichen Erfolg eines Beitrags zeigen, ist ein Trugschluss. Likes als Metrik haben mittlerweile keine Relevanz mehr. Zwar sind sie prinzipiell ein Zeichen dafür, wie viele Menschen ein Beitrag erreicht hat und gefällt. Aber richtiges Engagement oder Verbundenheit mit der Marke zeigen sie eben nicht.

Und hier schließt sich der Kreis zur Zielsetzung: Corporate Accounts produzieren Content ja eben nicht um des Contents willen und dafür, dass er Leuten gefällt, sondern weil er sich positiv in der Erreichung ihrer (kommunikativen) Ziele niederschlagen soll. Und genau das können Likes alleine nicht abbilden. Viel wichtiger sind hier Interactions, die Viewzeit oder die Click-Through-Rate.
 
Statt sich also den Kopf zu zerbrechen, welches Meme adaptiert oder welche lustige Anekdote als nächstes erzählt werden kann, sollten Social-Media-Teams sich damit befassen, wie sie den Fokus in ihrer Kommunikation auf die Qualität ihrer Produkte und die Ernsthaftigkeit ihres Unternehmens legen können. Denn das zahlt sich langfristig mehr aus als flotte Sprüche, gibt den User:innen wirklichen Mehrwert und trägt somit zur direkten Zielerreichung bei.

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