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Menschenmenge

Serie, Teil 1 Einfluss gewinnen mit Influencer Marketing - Grundlagen

shutterstock.com/Arthimedes
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Influencer Marketing baut auf soziale Nachrichtenkanäle, vor allem aber auf die Reichweite und die Reputation von Nutzern von Communities und Blogs.

Von Björn Wenzel, Mitgründer der Agentur Lucky Share­man

Die Freundin meint, ihr Lippenstift halte besser als der aus dem Werbespot. Wem glauben Bekannte mehr? Ein Werbetestimonial schwärmt von Ibiza. Aber der Instagrammer, dessen Fotos der Reiselustige abonniert, kommentiert seine wunderbaren Kreta-Ansichten sehr persönlich. Wohin fährt der Tourist?

Meinungen und Empfehlungen von Bekannten sind das wichtigste Argument bei Entscheidungen. Darauf setzt das Influencer Marketing. Unternehmen bedienen sich dabei Prominenter oder Stars, neuerdings aber noch lieber Bloggern und Teilnehmern von Communities, deren Beiträge und Posts tausendfach, wenn nicht sogar millionenfach angeklickt werden. Sie lassen diese Meinungsmacher oder Influencer Produkte und Angebote testen - in der Hoffnung, dass deren Empfehlung weitere Interessierte anzieht.

Als Communities für Influencer Marketing haben sich Facebook und Twitter sowie die Film- und Fotonetzwerke YouTube, Snapchat, Instagram, Pinterest oder Tumblr etabliert, für B2B-Kampagnen bieten sich die Business-Kontaktnetzwerke Xing oder Linkedin an. So förderte Sennheiser die Bekanntheit des Kopfhörers Urbanite mit Hilfe von Influencern bei Instagram. In Deutschland, Großbritannien und in den USA bekamen jeweils vier Meinungsmacher die Hörgeräte geschenkt. Sie posteten Fotos vom Einsatz und kommentierten Erfahrungen.

Das Ergebnis kann sich sehen lassen: Knapp sieben Millionen Menschen nahmen die Fotos wahr, 300.000 vergaben ein "Like"-Herz und rund 3.400 kommentierten sie. Gleichzeitig wuchs die Gefolgschaft des Sennheiser-Accounts um 58 Prozent auf 71.500 Fans. Effekte auf den Absatz lassen sich nicht eindeutig zuordnen.

Vertrauensvorschuss von Meinungsmachern nutzen

Menschen vertrauen Freunden oder Prominenten, die sie schätzen, und neuerdings auch Unbekannten, deren Interessen sie teilen und deren Meinung oder Erfahrungen aus Blogbeiträgen oder Community-Posts ihnen glaubwürdig erscheinen. Diese Erfahrung bildet das Fundament von Mund-zu-Mund-Propaganda, von Kundenbewertungen und jetzt fürs Influencer Marketing. Seine Bedeutung im Marketing-Mix steigt auch deshalb, weil Online-Communities immer mehr Menschen verbinden und damit neue Chancen für Tipps bieten.

Der Begriff "Influencer Marketing" geht zurück auf das 2001 veröffentlichte Sachbuch „Influence: Science and Practice“ (Einfluss: Wissenschaft und Praxis) von Robert Cialdini. Der US-amerikanische Psychologe und Wirtschaftswissenschaftlers definierte den Influencer als Menschen mit sozialer Autorität, Vertrauenswürdigkeit, Engagement und konsistentem Verhalten. Cialdini stellte zudem fest, dass Menschen sich in der zunehmenden Komplexität des Alltags nicht mehr in allen Themenfeldern informieren (können) und sich daher bei ihren Entscheidungen auf den Rat der Influencer verlassen.

Im Unterschied zu persönlichen Bekannten sind Influencer heute Unbekannte, die durch ihr Engagement in sozialen Medien Aufmerksamkeit für ihre Anliegen und Liebhabereien anziehen. Unternehmen nutzen deren Reputation und Reichweite, um die Relevanz ihrer Botschaften zu verstärken und so entweder den Absatz oder ihre Bekanntheit zu fördern (siehe Kasten rechts). Studien zufolge erreichen Influencer heute ein breiteres Publikum als herkömmliche, breit gestreute Werbemaßnahmen, die zunehmend als störend oder unglaubwürdig empfunden werden. "Influencer", stellt daher das Online-Magazin Marconomy.de fest, "sind die neuen Supertargets im Marketing. Sie stärken die Reputation eines Anbieters, verhelfen Produkten, Marken und Services zum schnellen Durchbruch."

Zeit, Planung, Manpower

Einfach Instagrammer, Pinterester, Twitterer oder Snapchatter ansprechen und sie für eigene Ziele gewinnen - das klingt jedoch einfacher als es ist. Influencer Marketing erfordert Zeit, Planung, Manpower, Fingerspitzengefühl und vor allem Vertrauen seitens der Werbungtreibenden. Meinungsmacher sind Botschafter und keine simplen Werbeplakate. Sie vermitteln Image oder Produktvorteile in Texten, Fotos, Filmen auf ihre Weise und sollten authentisch bleiben dürfen. Unternehmen, die jede Formulierung und jedes Bild kontrollieren wollen, ist folglich vom Influencer Marketing abzuraten.

Jedes Unternehmen verfügt über Angebote, die einen Account in Communities rechtfertigen. Wer ins Influencer Marketing einsteigt, sollte die bekannten Netzwerke, ihre Funktionsweise und Zielgruppen kennen und Erfahrungen darin sammeln. Damit steigt die Souveränität bei der Umsetzung und Beurteilung von Kampagnen. Influencer bieten übrigens mit ihrem Vertrauensvorschuss wertvolle Hilfe beim Bekanntmachen eigener Accounts.

Um den Account mit attraktivem Content zu versehen und zur Pflege der entstehenden Community sollten Firmen ebenfalls ausreichend Zeit und Geld einplanen. Ein stummer Account ist nutzlos, und gekaufte Follower fallen auf, sie werfen ein schlechtes Licht auf die Marke.

Originalität, Glaubwürdigkeit und Beliebtheit

Sennheiser konzentrierte sich bei der Influencer-Kampagne für den Urbanite-Kopfhörer auf Instagram: Keine andere Foto-Community bietet so engagierte Fans und mit durchschnittlich sieben Prozent die höchsten Interaktionsraten. Instagram trifft den Nerv fotoaffiner Nutzer, weltweit nutzen aktuell rund 500 Millionen das Netz. Mit der App lassen sich Fotos leicht bearbeiten und in einer persönlichen Galerie posten und teilen. 80 Millionen Bilder werden täglich hochgeladen, mit Herzchen versehen oder kommentiert. 47 Prozent der Nutzer sind männlich, 53 Prozent weiblich. Und längst begeistert Instagram nicht mehr nur Teens: Knapp zwei Drittel der Nutzer sind älter als 19 Jahre.

Das alles macht Instagram für Unternehmen interessant. Ihnen bieten sich hier viele Möglichkeiten fürs visuelle Storytelling. In drei Ländern sprach Sennheiser jeweils vier Influencer an. Sie gehörten mit Reichweiten zwischen 50. 000 und 2,5 Millionen Followern nicht immer zu den Bekanntesten, dafür aber passten ihre Interessen zur Marke. Sie setzten sich mit Musik, Lifestyle und Design auseinander. Über sie wollte Sennheiser Kontakt zu Kunden aufnehmen, die für Hörqualität mehr ausgeben.

Dafür nahm das Unternehmen sogar Mehraufwand in Kauf: Einen Share-Button wie bei Facebook gibt es bei Instagram nicht, wer ein Bild aus einem anderen Account (mit)teilt, lädt es selbst hoch. Im Gegensatz zu Facebook lassen sich Posts nicht timen, alles muss manuell hochgeladen werden. Das aber garantiert Originalität, Glaubwürdigkeit und sichert Instagram Beliebtheit. Werbungtreibenden gefällt, dass sich auf Instagram-Fotos Marken, Produkte und Standorte markieren lassen. Verbreitet wird meist nur Ästhetisches, kein Instagrammer sammelt Bilder in schlechter Qualität oder mit negativen Inhalten. Und wie in der Info-Commu­nity Twitter können Inhalte mithilfe von Hashtags verbreitet und gefunden werden.

Weniger ist mehr

Weniger ist mehr beim Influencer Marketing: Um den Eindruck von Spam und Werbedruck zu vermeiden, forderte Sennheiser von seinen Instagram-Partnern lediglich ein bis vier Posts im Kampagnenzeitraum von drei Monaten. Das Unternehmen sicherte sich die Freigabe der Motive und Texte, der Hashtag #SennheiserUrbanite sollte mit verbreitet werden.

Das hat gewirkt: Die Kampagne erreichte eine Interaktionsrate von rund fünf Prozent. Im deutschsprachigen Netz sahen sich 1,3 Millionen die Posts an, 679 kommentierten und knapp 47.000 vergaben ein "Like". Über den Hashtag flossen die Foto-Posts auf die Urbanite-Site und sorgten hier für ständig neue, sympathische Hingucker.

Was Rezipienten mit den Inhalten machen - daran misst sich im Influencer Marketing der Erfolg: von den Meinungsmachern selbst wie auch von den Kampagnen. Die Anzahl der Follower und Likes eines Influencers lassen auf die Beliebtheit seines Accounts schließen. Instagram, Pinterest oder Tumblr sind Plattformen, die durch ihre Bilderwelten bestechen, bei Facebook zählt noch die Online-Vernetzung, Twitter wiederum zieht durch Nachrichten Fans an. So sprechen Communities und Influencer unterschiedliche Zielgruppen an, auch das ist bei der Kampagnenplanung zu bedenken.

Kennzahlen

Neben Views oder Reichweite gibt es weitere relevante Kennzahlen oder Key Performance Indices (KPI) für die Bewertung von Influencer-Maßnahmen.

  • Die Interaktionsrate ist die ausschlaggebende Kennzahl zur Erfolgsmessung von Influencer-Kampagnen: Sie entsteht als Quotient der Reichweite einzelner Posts und der Zahl von Kommentaren, Likes sowie von geteilten Inhalten. Instagram verzeichnet hohe Interaktionswerte, hier lassen sich Raten bis zu zehn Prozent erzielen. Eine Interaktionsrate unter vier Prozent verweist auf sinkendes Interesse am Influencer oder aber darauf, dass Fans gekauft wurden.
  • Die Anzahl der Follower eines Influencers bildet die Basis der möglichen Reichweite für Kampagnen. Marken rechnen lieber in Ad Impressions oder Views. Das Konzept klärt, ob Vorgaben wie die von Sennheiser, sieben Millionen Ad Impressions zu erreichen, über einen oder mehrere Influencer erreicht werden soll. Die Zahl der Views eines Posts sowie die Zahl der Follower bildet die Reichweite der Kampagne.

  • Ein kampagnenspezifischer Hashtag (etwa: #Kampagne) bringt ein weiteres Erfolgskriterium: Wie oft er weiterverbreitet wird, lässt auf Relevanz schließen. Die Marke setzt dafür ins Verhältnis, wie viele Posts der Influencer mit Hashtag verbreitet hat und wie viele User das Schlagwort weitertrugen.
  • Die Zahl der neu gewonnenen Follower während der Kampagne verweist auf die Bedeutung von Inhalten für Zielgruppen sowie die Sichtbarkeit der Marke. Im Influencer Marketing gewinnt der Influencer Reichweite, aber auch der Account des Unternehmens.

Menschen zu Sprachrohren zu machen bietet der Werbung neue Chancen. Im nächsten Teil dieser Serie wird daher die Planung und Umsetzung von Kampagnen anhand praktischer Erfahrungen vertieft.

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