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Rechtsextreme Facebook-Gruppe Wenn Hetzer im Internet von der Wirklichkeit eingeholt werden

Fotolia.com/peshkova
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Unsere Gesellschaft hat moralische Grundsätze - offline wie online, mahnt Thomas de Maizière. Dass das Strafrecht auch im Internet gilt, ist vor allem angesichts der aktuellen Facebook-Gruppe "Groß Deutschland" wichtig.

Die Facebook-Gruppe gab sich selbst den Namen "Groß Deutschland". Die Mitglieder tauschten im Netz monatelang Hass-Botschaften aus. Sie posteten Bilder mit Hakenkreuzen, verbreiteten böse Feindseligkeiten gegen Ausländer, Juden, Muslime, Flüchtlinge - und sie riefen zu Gewalt auf. Im November 2015 gründete sich die Truppe. Mehrere Hundert Menschen aus mindestens 13 Bundesländern gehören dazu. Bei einigen von ihnen stand am Mittwoch nun die Polizei vor der Tür.

Die Staatsanwaltschaft im bayerischen Kempten ermittelt gegen 36 Mitglieder der Facebook-Gruppe. "Einige sind sehr mühsam zu identifizieren", sagt der Sprecher der Staatsanwaltschaft, Bernhard Menzel. Die Beschuldigten seien zwischen 20 bis 51 Jahre alt. Ob sie rechtsextremen Gruppen angehören, müssten die Ermittlungen zeigen.

42 Wohnungen in ganz Deutschland

Im Zusammenhang mit dem Fall durchsuchten Polizisten am Mittwoch 42 Wohnungen in ganz Deutschland, sechs davon in Bayern. Die Ermittler stellten Laptops, Computer, Smartphones und Kameras sicher. Zu Festnahmen kam es nicht.

Die Ermittlungen gegen die Gruppe sind Teil einer groß angelegten Aktion. Das Bundeskriminalamt (BKA) koordinierte erstmals bundesweite Razzien wegen Hasskriminalität im Netz. Ab dem frühen Mittwochmorgen, sechs Uhr, durchsuchten Polizisten in 14 Bundesländern die Wohnungen von insgesamt 60 Beschuldigten. Die Verdächtigen sollen im Internet Menschen beleidigt, bedroht und genötigt haben, zu Straftaten aufgerufen und volksverhetzende Parolen verbreitet haben.

"Sie werden sich dafür nun vor Gericht verantworten müssen", sagt Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU). "Unsere Gesellschaft hat moralische Grundsätze - offline wie online", mahnt er. "Vermeintlich rechtsfreie Räume sind nicht hinnehmbar. Unser Strafrecht gilt auch im Internet."

Pseudonym ist kein Schutz

Manch einer, der im Netz Hasstiraden loslässt, fühlt sich sicher, weil er unter einem Pseudonym unterwegs ist. Ein Trugschluss. Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) klagt, vielen sei nicht bewusst, dass sie auch für das gerade stehen müssen, was sie im Netz von sich geben. "Der Rechtsstaat wird es sich nicht länger gefallen lassen, dass Menschen im Internet bedroht und verunglimpft werden, dass gegen Minderheiten gehetzt wird. Das sind Straftaten, die auch geahndet werden müssen", sagt er. "In Zukunft sollte sich jeder überlegen - bevor er sich an die Tastatur setzt - was er da im Internet absondert."

Es drohen empfindliche Strafen. Im vergangenen Oktober verurteilte das Amtsgericht Kitzingen in Bayern einen jungen Mann zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten - ohne Bewährung. Er hatte über Monate bei Facebook gegen Flüchtlinge, Ausländer und Juden gehetzt und zu Gewalt und Mord aufgerufen. Der Unterfranke hatte etliche Vorstrafen, deshalb brachte ihn die Facebook-Hetze ins Gefängnis. Aber auch bis dahin Unbescholtene müssen mit mehrmonatigen Bewährungsstrafen oder Geldstrafen rechnen.

Freiheitsstrafen von bis zu fünf Jahren

Für Volksverhetzung oder die öffentliche Aufforderung zu Straftaten sieht das Gesetz Freiheitsstrafen von bis zu fünf Jahren vor. Noch ärger kann es ausgehen, wenn jemand zu Gewalt aufruft und ein anderer die Tat tatsächlich umsetzt. Der Hetzer im Internet wird dann als Anstifter behandelt und bestraft.

Von der sprachlichen Gewalt zur realen Gewalt ist es oft tatsächlich nicht weit. BKA-Chef Holger Münch mahnt: "Angriffe auf Flüchtlingsunterkünfte sind häufig das Ergebnis einer Radikalisierung, die auch in sozialen Netzwerken beginnt."

Seit dem Beginn der Flüchtlingskrise entlädt sich besonders viel Feindseligkeit und Zorn im Netz. Da wird hemmungslos Stimmung gemacht gegen Flüchtlinge, Ausländer und alles Fremde. Die Zahl der politischen Hass-Postings ist nach oben geschnellt: 1.119 zählte das BKA im Jahr 2014, im vergangenen Jahr dann 3.084. Der Großteil davon kommt aus der rechten Ecke. Die Zahl rechtsmotivierter Hassbotschaften im Netz hat sich zwischen 2014 und 2015 verdreifacht - von 945 auf 2.853. Und das sind nur die bekannten Fälle. Längst nicht jede Drohung oder Pöbelei landet in der Polizeistatistik.

Das BKA ruft Bürger auf, Anzeige bei der Polizei zu erstatten, wenn sie im Internet auf Hass-Postings stoßen. In einigen Bundesländern gibt es Online-Portale, über die das auch anonym möglich ist.

Maas appelliert an die Bürger, generell mehr gegen radikale Hetze zu tun - nicht nur im Internet, sondern auch in der U-Bahn, auf dem Sportplatz oder bei der Arbeit. "Die schweigende Mehrheit darf nicht länger schweigen."

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