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Urteil

Punktsieg für Wettbewerbshüter Bundeskartellamt vs. Facebook: Die Folgen des Urteils

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Mehr als vier Jahren zieht sich der Konflikt zwischen dem Bundeskartellamt gegen Facebook schon hin. Nun hat das Bundeskartellamt einen überraschenden Punktsieg verbucht: Der BGH hat zugunsten der Behörde entschieden. Eine Einordnung.

Von Marcel Nuys, Partner, und Juliana Penz-Evren, Rechtsanwältin der Kanzlei Herbert Smith Freehills

Mehr als vier Jahren zieht sich der Konflikt zwischen dem Bundeskartellamt gegen Facebook schon hin. Nun hat das Bundeskartellamt einen überraschenden Punktsieg gegen Facebook verbuchen können: Der Bundesgerichtshof (BGH) hat im Verfahren um einstweiligen Rechtsschutz zugunsten der Behörde entschieden.

Worum geht es?

Das Bundeskartellamt wirft Facebook vor, es missbrauche seine marktbeherrschende Stellung auf dem Markt für Soziale Netzwerke. Kern des Vorwurfs: die Nutzungsbedingungen der Social-Media-Plattform. Diese erlauben es Facebook unter anderem, sowohl Daten aus der Nutzung Facebook-eigener Dienste als auch Daten, die bei Drittanbietern über Facebook-Business-Tools wie den Like-Button entstehen, zu nutzen.

Das Bundeskartellamt hält die Nutzungsbedingungen für missbräuchlich, weil - so das Kernargument - die Datensammlung und Verwertung von Facebook gegen Datenschutzrecht verstoße. Im Februar 2019 hat das Bundeskartellamt schließlich einen Wettbewerbsverstoß in Form eines Marktmachtmissbrauchs festgestellt und Facebook aufgeben, die Nutzungsbedingungen zu ändern.

Gegen diese Entscheidung hat Facebook Beschwerde beim Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf eingelegt. Um die Nutzungsbedingungen bis zu einem Urteil des OLG nicht ändern zu müssen, hat Facebook in einem separaten Eilverfahren die Aussetzung des Vollzugs der Entscheidung beantragt. Und vom OLG Recht bekommen: Mit einer seltenen Deutlichkeit erteilte das Gericht der Entscheidung des Bundeskartellamtes eine Absage. Es meldete "ernstliche Rechtmäßigkeitszweifel" an der Entscheidung des Bundeskartellamts an und ordnete an, den Vollzug der Entscheidung vorerst auszusetzen.

Was sagt der BGH?

Dass der BGH nun von der Auffassung des OLG Düsseldorfs abgewichen ist, überrascht aus zwei Gründen: Zum einen ist der Prüfungsmaßstab des BGH in Fällen des einstweiligen Rechtsschutzes stark begrenzt; der BGH prüft hier lediglich, ob ernstliche Zweifel an der Entscheidung der Vorinstanz bestehen. Weil das OLG Düsseldorf seinen Beschluss sehr genau begründet hatte, war durchaus angenommen worden, dass der OLG Beschluss dieser Plausibilitätskontrolle standhält.

Zum anderen ist die Entscheidung des BGH auch in der Sache teilweise unerwartet: Datenschutzverstöße, wie sie das Bundeskartellamt in den Vordergrund gestellt hat, sind für den BGH in diesem Zusammenhang "nicht maßgeblich". Entscheidend sei vielmehr, dass Facebook als marktbeherrschendes Unternehmen, "den privaten Facebook-Nutzern keine Wahlmöglichkeit lasse". Facebook müsse aber den Nutzern die Wahl geben, ob sie mit einem Zugriff des Netzwerks auf Daten, die aus der "Off-Facebook"-Internetnutzung resultieren, einverstanden sind oder nicht. Hätten die Nutzern diese Möglichkeit nicht, würden sie ausgebeutet und Wettbewerber behindert.

Was bedeutet die Entscheidung für Facebook?

Für Facebook ist diese Entscheidung ein Rückschlag, der so wohl nicht erwartet worden war. Obwohl das Hauptsacheverfahren noch anhängig ist, wird Facebook jetzt die Umsetzung der Bundeskartellamtsentscheidung wohl in Angriff nehmen müssen. Besonders spannend ist die Frage: Wie wird sich die etwaige Umsetzung der Entscheidung des Bundeskartellamts auf das Geschäftsmodell von Facebook auswirken? Denn sollte Facebook zukünftig tatsächlich auf Daten von Drittseiten verzichten müssen, ist damit zu rechnen, dass dem Unternehmen erheblich weniger Daten zur Verfügung stehen werden.

Dennoch: Mit der Entscheidung des BGH ist noch nicht das letzte Wort in dieser Datensaga gesprochen. Es ist nicht ausgeschlossen, dass das OLG, das bislang die Auffassung von Facebook gestützt hat, dies im Hauptsacheverfahren auch weiterhin tun wird. Es muss nicht auf die Position des BGH beziehungsweise des Bundeskartellamts einschwenken, sondern ist in seiner Entscheidung frei.

Die letzte Runde in diesem Verfahren wird ohnehin auf sich warten lassen. Egal wie das OLG in der Hauptsache entscheiden wird, ist es - angesichts der Bedeutung des Verfahrens für beide Seiten - ziemlich wahrscheinlich, dass der BGH auch zu der Hauptsache angerufen werden wird. Schon jetzt zeigt sich aber, dass die Anwendung des Kartellrechts in der digitalen Welt weiterhin Schwierigkeiten bereitet und selbst zu unterschiedlichen Meinungen bei Gerichten führt. Für Unternehmen im Online-Bereich ist es daher umso wichtiger, bei der Gestaltung ihrer Nutzungsbedingungen wohlüberlegt vorzugehen.

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