Prognosen für 2022: So entwickeln sich Commerce-Plattformen und Shop-Systeme

Shore
Omnichannel, hybrid, headless: In Sachen Commerce-Plattformen und Shop-Systeme gibt es aktuell einige Bewegungen. Welche Trends im neuen Jahr spannend werden, erklären ausgewählte Branchenexperten.
Nikbin Rohany CEO Shore:
"Besser spät als nie: Ich erwarte, dass im kommenden Jahr viele kleinere Unternehmen im Dienstleistungssektor, die sich bislang noch zurückgehalten haben, in das E-Commerce-Geschäft einsteigen und eine Shop-Lösung nutzen werden. Denn gerade hybride Modelle liegen im Trend: Auf der einen Seite genießen Menschen wieder das Einkaufen im stationären Handel, trotzdem wollen sie von diesem überrascht werden und den Komfort des Online-Handels nicht missen. Aus diesem Grund spielen eine Ergänzung und Verknüpfung von Online- und Offline-Angeboten eine wachsende Rolle, unter anderem durch Social Shopping, etwa via Instagram."

Shopify
Hagen Meischner, Partner Manager Lead bei Shopify:
"Für Einzelhändler wird es in Zukunft wichtiger denn je, ihre Kund:innen auf möglichst vielen Kanälen zu erreichen und ihre Produkte anzubieten. Denn wir sehen, dass die Umsätze im Online-Handel einerseits weiter steigen, andererseits aber auch stationäre Geschäfte beliebt bleiben und Kund:innen sich zudem über Social-Media-Kanäle Inspiration holen. Nur wer alle Kanäle gleichermaßen bespielt und einen echten Omnichannel-Ansatz verfolgt, kann potenzielle Kund:innen dort erreichen, wo sie sich aufhalten und ist für den Handel der Zukunft gut aufgestellt."

Turbine Kreuzberg
Sarah Hoidn, Senior Consultant, Turbine Kreuzberg:
"Die Baumarktkette Hornbach ist ein gutes Beispiel, wie sich E-Commerce im Jahr 2022 entwickeln wird: Sie haben in diesem Jahr in ihre durchaus komplexe IT-Landschaft einen Shop auf Spryker-Basis nahtlos integriert. Genau solche, flexiblen, modularen Ansätze sind es, die aufgrund ihrer großen Flexibilität künftig monolithische Shop-Systeme ablösen werden."

OMMAX
Igor Smirnov, Data Solutions Specialist bei OMMAX:
"Damit Unternehmen auch künftig optimierte Online-Marketing-Kampagnen ausspielen können, sollten sie sich mit dem Thema First-Party-Daten beschäftigen. Dabei handelt es sind um unternehmenseigene Kundendaten, die mit Zustimmung der Kunden und User gesammelt werden. Derzeit sehen wir einen starken Trend zu Privacy-First-Tech-Lösungen. Sie erfordern neue Wege und Strategien für das Sammeln, Speichern, Verarbeiten und Nutzen von Kundendaten. Zugleich setzen Unternehmen in den letzten Jahren immer mehr verschiedenen Tools und Services ein, um verschiedene Elemente der Marketing-Performance zu optimieren. Die Kombination dieser beiden Entwicklungen - also steigende Relevanz von E-Privacy und Heterogenität in der Tool-Landschaft - führt potenziell zu einem Verlust der Hoheit und Transparenz über die Daten. E-Commerce-Unternehmen brauchen deshalb neue Strategien, um Kunden eine reibungslose Omnichannel User Experience zu gewährleisten, ohne beim Datenschutz Kompromisse einzugehen. Ein Multi-System-Tech-Setup ermöglicht weiterhin effektives Marketing, bringt jedoch höhere Anforderungen an die Datenstrategie und -prozesse mit sich. Die Integration und Verknüpfung verschiedener Datenquellen und Systeme muss daher ein künftiger Fokus von E-Commerce-Datenstrategien sein. So verschaffen sich Unternehmen auch weiterhin entscheidende Wettbewerbsvorteile."

Faire Wholesale
Jeff Kolovson, COO von Faire Wholesale:
"2022 wird der Handel noch viel stärker lokal und digital. Wir beobachten auf internationaler Ebene den anhaltenden Trend, dass Konsumenten bevorzugt das kuratierte Angebot kleiner, unabhängiger Händler in Anspruch nehmen - sowohl online als auch stationär. Diese Entwicklung können wir am starken Zuwachs unserer ausschließlich kleinen Retail-Kunden festmachen."

Motesque
Kai Oberländer, CEO & Co-Gründer Motesque:
"Der Virtualisierungs-Trend aus den vergangenen 1,5 Jahren wird sich auch in 2022 weiter fortsetzen. Er vereint sehr viele Vorteile - von Kostenersparnissen über die Schonung der Umwelt bis hin zur Steigerung von Effizienz und Flexibilität. Wir haben bereits letztes Jahr eine wissenschaftlich fundierte 3D-Avatar-Lösung auf den Markt gebracht, die Körpermaße und -Proportionen eines Kunden im Onlineshop erfasst, analysiert und im Anschluss das perfekt für ihn passende Produkt empfiehlt. Diese Anwendung gibt es aktuell für Matratzen und Fahrräder. Wir sehen aber eine gesteigerte Nachfrage für weitere Produkte, die wir im nächsten Jahr bedienen werden."

authorized.by
Nathalie Bureick, CMO von authorized.by:
"Die OECD schätzt, dass Produktpiraten weltweit mehr als 500 Milliarden US-Dollar Umsatz mit gefälschten Produkten machen - die wirtschaftlichen Schäden sind also enorm. Doch darüber hinaus schaden Fake Shops und Co. vor allem dem Vertrauen der Konsument:innen in Marken selbst. Wir bemerken, dass Marken im Onlinehandel verstärkt darauf achten, ihre Produkte sowie Händler-Partner durch Gütesiegel zu verifizieren."

Taxdoo
Roger Gothmann, Co-Founder und Co-CEO Taxdoo:
"Der internationale Handel boomt, doch für Händler, Marktplätze und Shop-Betreiber geht damit immer mehr bürokratischer Aufwand einher. Jüngstes Beispiel: die EU-weite Umsatzsteuer-Reform, die am 1. Juli 2021 in Kraft trat. Die Reform sollte die umsatzsteuerliche Abwicklung vereinfachen - doch hat sie im Prinzip das Gegenteil bewirkt. Zu viele Ausnahmeregelungen rund um den neu eingeführten One-Stop-Shop (OSS), der eine zentrale Abwicklung sicherstellen sollte, haben für mehr Aufwand und mehr Unsicherheit gesorgt. Um rechtskonformes Handeln sicherzustellen, braucht es daher ein immer fundierteres Expertenwissen oder technologische Lösungen. Wir sind überzeugt, dass zunehmende Regulierung den Trend zu technologischen Lösungen im E-Commerce massiv befeuern wird."

Jooli
Wolfgang Boyé, CEO Jooli:
"Ein klarer Trend für 2022 ist in anderen Ländern der Welt schon Alltag: Video-Shopping per App. Darunter darf man sich aber nicht das eingestaubte Teleshopping vorstellen, sondern kurzweilige, inspirierende Produktvideos, welche die Konsument:innen im besten Fall emotional abholt und ihnen darüber hinaus mehr Informationen zuspielt als über bloße Produktfotos und -beschreibungen. Video-Shopping durchbricht die Mauer zwischen Hersteller:innen und den Kund:innen selbst. In einer Zeit, in der die Menschen ganz genau wissen möchten, wer oder was sich hinter einer Marke oder einem Produkt befindet, ist Video-Shopping die optimale Lösung."

Freshworks/Lina Zangers
Jens Leucke, General Manager DACH Freshworks:
"Meiner Meinung nach wird die technische Optimierung des Kundenservice im E-Commerce auch 2022 im Fokus stehen: Dieses und das vergangene Jahr haben gezeigt, dass Händler:innen bei einem schnell steigenden Anfragevolumen im Customer-Service oftmals zu kämpfen haben. Das liegt auch an den hohen Erwartungen an den Customer-Support. Eine aktuelle Freshworks-Studie hat ergeben: 78 Prozent der deutschen Verbraucher:innen sind durchaus bereit, auch persönliche Daten für einen besseren und schnelleren Kundenservice bereitzustellen. Solche Möglichkeiten werden Unternehmen 2022 im E-Commerce stärker nutzen und zunehmend KI-basierte Lösungen einsetzen, um beispielsweise Kundenanfragen treffender zu priorisieren und dringende Anfragen schneller zu beantworten. Als KPI für guten Service spielt der Customer Effort Score (CES) eine immer größere Rolle, um den Aufwand, den Mitarbeiter:innen und Kund:innen betreiben müssen, um ein Problem zu lösen, systematisch zu verkleinern."

XPRESS Ventures
Matthias Friese, Managing Partner XPRESS Ventures:
"Neben dem eigentlichen Online-Shop, ist das, was das E-Commerce-Erlebnis für Kund:innen zum Hit or Miss macht, wohl die Logistik. Lieferzeiten sind etwas, was Unternehmen und Speditionen weiterhin dauerhaft verkürzen wollen. Neuer Rekord: 10-Minuten-Lieferungen für alles rund um Lebensmittel und Produkte des täglichen Bedarfs. Was hier einen entscheidenden Einfluss hat, sind lückenlose Daten - und deren Auswertung. Die Folgen: Effizienzoptimierung, Verbesserungen im Hinblick auf den ökologischen Fußabdruck und transparente Lieferketten. Dahinter steckt das bereits bekannte Konzept von Big Data. Und auch wenn das nicht erst eine Erfindung dieses Jahres ist, werden die Chancen und Vorteile, die sich hier über verschiedene Anwendungsfälle erstrecken, für Logistik-Unternehmen immer präsenter und greifbarer."