
Kundengewinnung Beacons: Erste Test-Erfahrungen in Hamburg
Beacons gelten als neues Wundermittel für die Gewinnung von Neukunden. Jedoch hat die Technologie, die immer mehr im Kommen ist, noch Tücken.
Hamburg Ballindamm, eine feine Adresse an der Alster - für Laufkundschaft aber zu weit entfernt vom belebten Jungfernstieg. Um junge, an Technik interessierte Verbraucher anzulocken, hat Tobias Müller daher auf ein Beacon-Projekt gesetzt. Der Manager des ersten Mercedes Me Store in Deutschland ist einer von 400 stationären Händlern in der Hansestadt, die an dem Beacon-basierten Loyality-Programm von Yoints teilnehmen.
Wer die Yoints-App auf seinem Smartphone installiert hat, bekommt zunächst Läden in der Nähe angezeigt, die Yoints-Bonuspunkte vergeben. Kommt der Nutzer dem Concept Store des Autobauers dann näher, löst ein Beacon im Eingangsbereich den Versand einer Nachricht an den Nutzer aus: "Schauen Sie in den ersten Mercedes Me Store rein und entdecken Sie Mercedes auf eine neue Art!"
Sobald der Kunde den Laden betritt, erhält er 100 Bonuspunkte gutgeschrieben. Wenn sich der Besucher länger im Store aufhält, erfasst dies ein zweiter Beacon. Damit wird der Versand einer weiteren Nachricht ausgelöst, dieses Mal mit dem Vorschlag, eine Probefahrt zu vereinbaren.
Seit Mitte September sind die beiden Beacons installiert, eine erste Auswertung soll in diesen Tagen beginnen. Doch eines ist für Müller jetzt schon klar: "Das Programm liefert einen schönen Mehrwert und bringt uns Leute in den Laden, die ohne Beacon nicht gekommen wären. Und wenn ein Teil von ihnen hinterher sagt, 'wow, das war ein Mercedes‘, haben wir schon etwas gewonnen."
Deswegen bereut er auch nicht, sich für Yoints entschieden zu haben, obwohl er zunächst mit einem eigenen Beacon-Projekt für den im Juni eröffneten Store geliebäugelt hatte. "Auf uns allein gestellt, hätten wir nie eine so große Community erreicht", gibt er zu. Natürlich gebe es auch Nutzer, die definitiv nur zum Punktesammeln kommen, "in der Gesamtbetrachtung" stören sie aber nicht.
Größere Reichweite eines Beacon von Nöten
Auch die Stadtparfümerie Pieper in Düsseldorf hat sich für eine Loyalty-Community entschieden. Der Location-Based-Mobile-Marketing-Spezialist Gettings hat dort ein Beacon-Projekt mit mehr als 70 Händlern angestoßen.
Gut vier Monate lang hat Online-Leiterin Ilka Janssen unterschiedliche Aktionen getestet, beispielsweise ein Geschenk beim Kauf eines bestimmten Produkts oder einen Rabatt von 20 Prozent. Ihr Fazit: "Das Gesamtprojekt ist leider etwas schleppend verlaufen. Um eine aussagekräftige Auswertung machen zu können, haben nicht genügend Kunden das Angebot genutzt."
Knackpunkt war unter anderem auch die technische Reichweite der Beacons: Nach 16 Metern war Schluss. Gewünscht hätte sich Janssen eine Distanz von rund 30 Metern. Damit spricht sie eines der Probleme bei den Beacons an: Theoretisch haben etliche der Sender eine Reichweite von 50 Metern und mehr, praktisch gilt das aber nur in Ausnahmefällen.
"Im Schnitt sendet ein Beacon 15 Meter weit", erklärt Hermann Lichte, Director Innovation Management bei Net Mobile, dem Technologiepartner von Gettings. Allein eine Wärmeschutzverglasung an der Ladenfront könne die Reichweite von einem Beacon drastisch senken.
Auch die individuellen örtlichen Gegebenheiten stellen die Dienstleister immer wieder vor Herausforderungen. So sorgte der Materialmix aus Holz, Glas und Beton in den Räumen des österreichischen Weinguts Hillinger für eine sehr unterschiedliche Reichweite der einzelnen Beacons. Dort sorgen insgesamt acht Mini-Sender für eine Indoor-Navigation sowie weiterführende Produktinformationen.
Ohne ein Mindestmaß an Erfahrung ist eine gute Konfiguration und Ausrichtung der Beacons nur schwer zu erreichen. Die Installation auf dem Weingut ist Teil eines Vorzeigeprojekts des österreichischen Location-Based-Marketing-Dienstes Loc Place. Mit im Boot sind die Agentur Sevenval, die die App für Hillinger entwickelt hat, sowie Sensorberg, ein Technologieanbieter, der neben den Beacons auch eine Cloud-basierte Beacon-Management-Plattform bereitstellt.
Sie dient als Content Management System für die Verwaltung der Sender und der dazugehörigen Kampagnen. Der Kunde kann dort beispielsweise festlegen, wann welche Textnachricht verschickt werden soll.
Signale der Beacons überschneiden sich

Der Mercedes Me Store will neue Kunden per Beacon in den Laden locken
Sensorberg hat auch die Einrichtung der Beacons übernommen. Die Platzierung und Konfiguration hat einen Tag in Anspruch genommen. Denn auch die relativ kleinen Räume des Weinguts stellten die Macher vor Probleme: Die Signale der Beacons überschnitten sich, weil an den Wänden ein Echo entsteht. Außerdem beeinflussen WLAN-Sender das Beacon-Signal.
Die Trennschärfe der Beacons - die Spezialisten rechnen in der Praxis je nach Gerät mit einem Mindestabstand von einem bis fünf Metern - ist häufig ein nicht zu unterschätzendes Problem. Diese Erfahrung machte auch die Hamburger Agentur Elephant 7, die im vergangenen Februar eine Beacon-Anwendung als unternehmenseigenes Experiment gestartet hat.
Die Agentur hat die sieben Stockwerke im Treppenhaus ihres Bürogebäudes sowie Fahrstuhl und Eingang mit Beacons ausgestattet und einen Wettbewerb um den fleißigsten Treppensteiger ausgerufen. An der Türe und im Aufzug bekamen die Mitarbeiter eine Nachricht, die sie motivieren sollte, die Treppe statt des Fahrstuhls zu nehmen. Im Treppenhaus schließlich wurden Nachrichten zum Anfeuern verschickt.
Feintuning der Beacons ist zeitaufwendig
Da das Treppenhaus nach oben offen ist und die Stufen letztlich auf sehr kleiner Grundfläche nach oben führen, war es schwierig, die Beacons richtig auszusteuern. "Anfangs haben die Beacons das Smartphone über zwei oder drei Stockwerke erfasst, sodass nicht klar war, in welcher Etage sich das Smartphone tatsächlich befindet", erinnert sich Tim Schröder, Leiter der IT-Abteilung bei der Elephant-7-Mutter Publicis Pixelpark. Lösen lässt sich das Problem über die Stärke des gesendeten Signals, dennoch "bleibt das Feintuning zeitaufwendig", so Schröder.
Ein anderes Thema, das immer wieder für Ärger sorgt, ist die Stromversorgung. Meist ist ein Beacon batteriebetrieben und die Zeit, die eine Batterie hält, ist nun einmal begrenzt. Zwei Jahre Laufzeit garantiert Yoints seinen Kunden. "Bevor eine Batterie gewechselt werden muss, steht vermutlich eher eine neue Gerätegeneration ins Haus", sagt Yoints- Chef Sarik Weber.
Andere sind deutlich zurückhaltender. Hermann Lichte von Net Mobile hält eine Lebensdauer von wenigen Monaten in den meisten Fällen für realistisch. Oftmals stellen die Dienstleister den Händlern Apps zur Verfügung, mit denen sie die Batteriestärke überprüfen können. Einige bieten auch die Wartung der Beacons durch ihre Service-Mitarbeiter an.
Net Mobile hat ein eigenes System entwickelt, bei dem automatisch über die Nutzer-App die Batteriestärke ausgelesen und an den zentralen Server übermittelt wird. Der Händler kann so benachrichtigt werden, wenn die Batterie des Beacon nahezu leer ist.
Das wohl größte Problem aber ist die Steuerung der ausgelieferten Inhalte. Viele Anbieter gehen nicht feinfühlig genug vor und reduzieren die Beacon-Technologie auf das Format einer "digitalen Postwurfsendung", bemängelt Richard Lemke, Gründer des Bamberger Start-ups Favendo, das Hard- und Software für Beacon-Projekte liefert. Die Technologie werde als "Werbezettel 3.0" missbraucht. Die Angebote müssen unbedingt aus der Sicht des Endkunden gedacht werden, mahnt er.
Überdosierung durch Beacon-Spamming ist tödlich
Das sieht Jan Webering, CEO der Agentur Sevenval, genauso: "Die Kundenansprache per Beacon ist ein scharfes Gewürz: Jede Überdosierung ist tödlich", betont er. Seiner Meinung nach sollten Händler daher auf das Know-how von Marketingspezialisten mit Erfahrung im One-to-One-Marketing zurückgreifen.
Sie können helfen, ein schlüssiges Konzept zu entwickeln. Anbieter wie Gettings oder Yoints versteht er als eine Art Beacon-Werbenetzwerk mit Vermittlerrolle beziehungsweise Steuerungsinstanz gegen Beacon-Spamming.
Denn alle sind sich einig: "Hat der Kunde drei, vier Mal eine irrelevante Nachricht erhalten, ist er verärgert und deinstalliert die App", bringt Lichte es auf den Punkt. Net Mobile arbeitet daher mit einer selbst entwickelten Routine, die neben dem Standort weitere Kontextinformationen bei Beacons miteinbezieht. Auf diese Weise will Net Mobile anonyme Profile erstellen, die die Auslieferung relevanter Nachrichten gewährleisten sollen.
Auch Ilka Janssen von der Stadtparfümerie Pieper sieht, dass Kunden schnell verschreckt sind. Dennoch ist sie froh, die Beacon-Technologie ausprobiert zu haben "Die Kunden, die wir erreicht haben, waren begeistert. Vor allem Jüngere reagieren positiv auf die Beacons und wir brauchen ja auch junge Zielgruppen", sagt sie. Ihrer Meinung nach sind die deutschen Endverbraucher noch nicht bereit für die Technologie. "In zwei Jahren wird das schon ganz anders aussehen, dann wird es interessant", glaubt sie.
Derzeit testen einige Unternehmen Beacons, Beispiele sind Swisscom, Mymuesli oder Mc Donald's.
Big Data und Mobile beschleunigen die Auflösung gewohnter Handelsstrukturen. Was die Zukunft bringen wird, ist in Laboren und Boutiquen schon zu sehen.