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Markus Koczy

Gastkommentar Googles Phantom-Updates: Was steckt dahinter?

Markus Koczy, Managing Director bei Performics

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Markus Koczy, Managing Director bei Performics

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In den vergangenen Jahren gab es einige sogenannte Phantom-Updates von Google. Was dran ist am Phantom und ob es überhaupt zu fassen ist, erklärt Markus Koczy von Performics.

Von Markus Koczy, Managing Director bei Performics

Es ist immer wieder erstaunlich, wie Google es schafft, Online Marketer in angeheizte Spekulationen zu neuen Ranking-Faktoren zu treiben. Seit den letzten "großen" Updates Panda (seit 2011) und Penguin (seit 2012) wurde besonders im Laufe der vergangenen Monate viel gemutmaßt, in welche Richtung die nächste gravierende Aktualisierung gehen würde. Auslöser war ein kleines, aber deutlich sichtbares "Erdbeben" im Bereich der Visibility:

Deutliche Fluktuationen in den SERPS und Domain-Sichtbarkeitsverluste von bis zu 60 Prozent bei kleinen und großen Websites sorgten seit Anfang/Mitte Mai 2015 für Spekulationen, ob Google die Algorithmen zum Penguin  oder Panda Update ohne Ankündigung angepasst haben könnte.

Google hielt sich mit Details bedeckt und bestätigte lediglich, einige Veränderungen im Kern-Algorithmus vorgenommen zu haben (Core Algorithm Update), die nichts mit Panda, Penguin oder etwa dem Mobile Update von 2015 zu tun hätten. Auch die Einführung des vollständig AI-basierten Algorithmus "RankBrain" zur automatischen Einordnung von Suchanfragen sei hiermit nicht in Verbindung zu bringen. Auf die entscheidenden Einflussfaktoren für Rankings wurde jedoch nicht eingegangen. So verbreitete sich diese schwer greifbare, nicht weiter betitelte Änderung unter dem ominösen wie ironischen Namen "Phantom Update". Über die wahren Merkmale des Updates gibt es seither viele Hypothesen.

Was ist dran an Googles "Phantom"?

Nach den spürbaren Fluktuationen stellte sich die Frage, welche signifikanten Veränderungen sich seit dem Rollout des "Phantoms" im Vergleich zu den Vorgänger-Updates abzeichnen? Das Phantom Update machte sich weltweit erstmals in der Woche des 4. bis 11. Mai 2015 bemerkbar und sorgte in einem darauffolgenden zweiten Update (auch wahlweise als "Phantom II" oder "Quality Update" bezeichnet) für weitere Änderungen.

Das dritte Update konzentrierte sich augenscheinlich vor allem auf die Relevanz des Contents in Bezug zur Intention der User. Phantom Update Nummer vier sorgte schließlich Anfang Juli dieses Jahres für neue spürbare Ausschläge im Ranking des deutschen Indexes, wobei sich im Vergleich zu Phantom II nicht immer konsequente "Gewinner" oder "Verlierer" feststellen lassen. Gerade das macht das "Phantom" als Algorithmus so schwer greifbar.

Unique Content: Ein zentrales Instrument

Wie schon zuvor beim Panda-Update ist Unique Content auch beim Phantom Update ein zentrales Instrument zur Ranking-Optimierung. Inhalte, die sich wiederholen, zu dünn sind oder dem Nutzer keinen konkreten Mehrwert bieten, werden auch vom "Phantom" konsequent abgestraft. Der User muss zielgerichtet qualitativ hochwertige, originelle und interessante Inhalte finden, die zu seinen Bedürfnissen passen - das ist nach wie vor die primäre Direktive aller zielführenden SEO-Maßnahmen. So erklärt sich womöglich auch die spürbare Auswirkung seit Phantom II auf Seiten mit User Generated Content: Leidtragende waren hier seinerzeit etwa Rezepte-Seiten wie kuechengoetter.de und chefkoch.de, die teils deutliche Einbußen in ihrer Visibility hinnehmen mussten.

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Main Content und reine Nutzer-Kommentare

Unklar ist, inwiefern das Phantom Update zwischen Main Content und reinen Nutzer-Kommentaren unterscheidet. Da gerade in diesem Bereich oftmals Duplicate oder Thin Content vorherrschen, ist ein Sichtbarkeitsabfall solcher Sites in diesem Kontext zumindest keine Überraschung. Es kann gemutmaßt werden, ob Google den Aspekt User Generated Content (UGC) in Zukunft differenzierter bewertet und Betreiberinhalte von denen der Nutzer gezielter zu trennen versucht. In jedem Fall scheinen unter anderem Ratgeber-Seiten mit dichtem Aufkommen an UGC und Werbeanzeigen vorerst sensibel für die Auswirkungen des neuen Updates zu sein.

Mit dem Penguin Update hatte Google seinerzeit Websites mit vermehrtem SPAM-Aufkommen den Kampf angesagt. Manche von ihnen, die mit Keyword-Stuffing, Cloaking und anderen Arten von Black Hat SEO-Strategien punkten wollten, wurden von Google nahezu in die Unsichtbarkeit verbannt. Wer sich nicht an Googles Richtlinien für Webmaster und technisch sauber strukturierten Seitenaufbau orientiert, hat also schnell das Nachsehen. Doch was lässt sich nun für den aktuellen Stand des Phantom-Updates an Erkenntnissen gewinnen? Bei genauerer Eingrenzung der Google-Ranking-Faktoren bleibt, wie immer, vieles im Bereich der Spekulation. Ein paar Trends scheinen sich derzeit aber dennoch herauszukristallisieren:

Ein großes Thema scheint beim Phantom 4 Update das Verhältnis zwischen Nutzerintention und Content-Struktur zu sein. Wer hier sich hierbei nicht gut präsentiert, erhält negative User-Signale und verliert augenscheinlich an organischen Traffic und Visibility. Aber auch das Design, das als visuelle Einbettung von Content für die Usability und somit für die User Experience wichtig ist, scheint seit Phantom II ein zusätzlicher Faktor zu sein. Die Erkenntnis, dass Look und optische Benutzeroberfläche auf technischer wie visueller Ebene das Nutzererlebnis und den Mehrwert einer Site beeinflussen, wird somit erneut bestätigt. Interessant ist auch die Beobachtung, dass mit dem Update Phantom III (Herbst 2015) offenbar ein Zusammenhang zwischen Nutzerintention und Relevanz des gebotenen Contents bezüglich zielgerichteter Kaufberatung hergestellt wurde. So können Inhalt und Struktur von Kategorie-Unterseiten im eCommerce ebenfalls zum Faktor werden.

Übermäßige Werbung

Ein weiterer Anhaltspunkt ist die Abstufung von Websites mit übermäßiger Werbung, Pop-Ups und Above-the-fold Ads. Die in Bezug auf die Usability für manche Nutzer irritierend wirkenden Banner fallen in der Wertung des Phantoms offenbar herunter, weil sie vermeintlich nicht der Intention des Users entsprechen, gezielt Inhalte zu finden. Hier könnte Google mit dem Phantom Update auch den Irritationsgrad solcher Werbung über User-Signale, in Bezug auf Indikatoren wie Bounce Rate und Verweildauer, stärker bewertet haben. Ähnlich verhält es sich offenbar mit automatisch startenden Videos, die unter Umständen auch als Störung oder Ablenkung empfunden werden können.  

Weiterhin ist interessant, dass sich beim Phantom Update eine differenziertere Auswertung von Duplicate Content abzuzeichnen scheint. Demnach verbuchten Online-Wörterbücher wie leo.org und merriam-webster.com nach dem Rollout von Phantom III einen deutlichen Visibility-Zuwachs, obwohl sie naturgemäß weniger zusammenhängende Inhalte, sondern ähnlich ausgerichteten Content anbieten.

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Dies könnte darauf schließen lassen, dass Google daran arbeitet, besser zwischen sinnvollen von weniger sinnvollen Doppel-Inhalten zu unterscheiden. Auch hier könnte die Nutzerintention das Zünglein an der Waage sein. Darüber hinaus könnten fremde Brand-Keywords auf anderen als den originalen Hersteller-Seiten künftig ebenfalls schlechter gewertet werden, wie das Beispiel von focus.de zeigt.
 
Sichtbare Visibility-Gewinne seit dem Phantom 4 Update verzeichnen unter anderem Computer-Magazine wie pc-magazin.de und pcwelt.de.

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Content bleibt wichtig, Nutzerabsicht wird wichtiger

Weil Google nach wie vor eher auf seine eigenen Webmaster Guidelines verweist, als konkret zu werden, waren die Spekulationen über sichere Ranking-Faktoren des Phantom Updates bei Webmastern und Agenturen naturgemäß groß: Da jedoch sowohl Publisher als auch Brands von den starken Auswirkungen des Updates betroffen waren, ließ sich schwer festmachen, auf welche Qualitätsmerkmale Google genau abzielte. Sistrix etwa kam zu dem Schluss, dass vermutlich nicht einzelne Verzeichnisse, sondern Domains im Ganzen vom Update betroffen waren. Die Resultate von Phantom II legten den Schluss nahe, durch Fokussierung auf einzelne Landing Pages die Domains indirekt zu beeinflussen.

Gewinner und Verlierer beim Phantom-Update

Was erkennbare Gewinner und Verlierer angeht, muss man beim Phantom-Update jedoch ziemlich relativieren. So sind Portale wie billiger.de, onmeda.de und auch bisherige Profiteure von Phantom II wie die News-Seite focus.de und der Onlineshop schlafwelt.de seit dem Phantom-4-Update aktuell von Sichtbarkeitsverlusten betroffen. Focus verlor, laut Searchmetrics, insbesondere bei Anfragen zu fremden Brand-Keywords wie "Google", "Kleinanzeigen" oder "Deutsche Bahn", was einen zusätzlichen Bezug zu neuen Nutzermetriken und eine Überschneidung mit Googles Query Deserves Freshness-Algorithmus nahelege. Demnach richtet sich das Ranking hier womöglich auch nach der Aktualität gesuchter Themen im Vergleich zwischen Publishern und Brands.

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Umgekehrt konnten jedoch auch Verlierer des zweiten Updates von Phantom Nummer vier profitieren, etwa das PKW-Vergleichsportal 12Gebrauchtwagen.de, das soziale Büchernetzwerk Lovelybooks.de und der Flugpreisvergleich billig-flieger-vergleich.de.

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Redaktionelle Portale wie auto-motor-und-sport.de waren von Phantom II zunächst noch negativ betroffen, und Ratgeber mit hochwertigem Content wie brillen-sehhilfen.de verloren ebenfalls Prozente, während Beratungsseiten wie computeruniverse.net vor allem bei ihren Kategorie- und Kaufberatungsverzeichnissen punkten konnten.

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In jedem Fall scheint, trotz der unterschiedlichen Auswirkungen auf Marken klar zu sein, dass Brand-Authority alleine beim Phantom-Update letztlich keine Sicherheit für das Ranking bringt.

Fazit: Das Phantom bleibt schwer zu fassen

Abschließende Aussagen über die Entwicklung des "Phantoms" zu treffen, gestaltet sich also schwierig. Bemerkenswert ist aber, dass vor allem der Zusammenhang zwischen Content-Qualität, Usability und Nutzerintention seit Rollout des Phantom-4-Updates offenbar stärker ins Gewicht fällt. Dies wird Seitenbetreiber und Marketer künftig wohl zu einer noch genaueren Abstimmung ihrer SEO-Maßnahmen in Hinblick auf die Zielrichtung ihrer Brands, Shops und Ratgeber zwingen. Google beweist sich hierbei wieder einmal gleichermaßen als Förderer und "Vollstrecker", was die Bedürfnisse der konsumierenden User angeht.

Aktuell wird es vor allem darauf ankommen, signifikantere Stellschrauben anzulegen, um die User Experience zielführender zu gestalten und den Content strukturell und thematisch noch besser an Nutzerbedürfnisse anzupassen. Genauere Erkenntnisse werden hier mit Sicherheit nicht lange auf sich warten lassen.

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