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E-Commerce-Ambitionen "Google Zertifizierte Händler" unter der Lupe

shutterstock.com/ljh images
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Noch ist das E-Commerce-Angebot von Google uneinheitlich und lückenhaft. Angebote wie "Google Zertifizierte Händler" und Google Shopping sollen vorrangig das eigene Anzeigengeschäft pushen.

Von Matthias Hell

Die Elektronikversender Pearl und Redcoon, der Online-Schuhhändler Spartoo.de oder der Kindermode-Shop Tausendkind - sie alle sind von "Google Zertifizierte Händler". Wie sie haben mittlerweile Dutzende von deutschen Online-Shops das Google-Programm durchlaufen. Oftmals fällt in diesem Kontext auch das Stichwort: "Google Trust" als Indikator für Vertrauen. Doch was will der Internet-Gigant mit der Initiative erreichen? Will er etwa Anbieter von Shop-Gütesiegeln angreifen?

Andreas Bauer, Chief Product Officer beim Aschaffenburger E-Com­merce-Dienstleister 004, behält den neuesten E-Commerce-Vorstoß von Google seit einiger Zeit genauestens im Auge. Für ihn sagt das Google-Zertifikat, verglichen mit Zertifikaten von Anbietern wie etwa Trusted Shops, deutlich weniger aus. "Wir stellen immer wieder fest, dass die Google Services international sehr generisch gehalten sind", erklärt Bauer. "Google Zertifizierte Händler" sei nicht umfassend für den deutschen Markt umgesetzt worden.

Schnittstelle zu Google

Tatsächlich fällt der Leistungsumfang des Google-Programms deutlich geringer als bei Mitbewerbern, wie Trusted Shops, aus: Um Aufnahme in das kostenlose Programm, können sich Online-Händler, unabhängig von Größe und Bekanntheitsgrad, bewerben. Teilnehmende Händler müssen eine Schnittstelle zu Google in ihren Shop einbinden und dürfen ein anklickbares Gütesiegel in der rechten unteren Bildschirm­ecke anzeigen. Dieses signalisiert den Kunden, dass sie sich in einem Shop befinden, den Google in Hinblick auf Versand und Kundenservice als vorbildlich einstuft.

Sollte es dennoch zu Unregel­mäßigkeiten kommen, garantiert Google einen Käuferschutz von bis zu 1.000 ­Euro - allerdings nur als letzte Instanz: "Zuerst sollen mögliche Probleme zwischen dem Händler und seinem Kunden geklärt werden", erklärt Malte Will, Product Partnerships Manager, Shopping, Commerce, Ads EMEA bei Google.

Einen umfassenderen Käuferschutz oder die rechtliche Absicherung von Online-Shops bietet "Google Zertifizierte Händler" im Gegensatz zur deutschen Konkurrenz nicht. Das liegt an der Motivation, die hinter der Entwicklung des Produkts steht: "Unser Ziel ist es in erster Linie, mit dem Programm die Trust-Werte von ausgesuchten Online-Shops für die Kunden zu erhöhen", erklärt Malte Will.

Indirekter Nutzen für Google

Für Google habe das Programm vor allem einen "indirekten Nutzen": Je mehr Konsumenten ihre Einkäufe ins Netz verlagern, umso mehr profitiere auch der Internet-Konzern davon - zum Beispiel durch steigende Ausgaben der Shop-Betreiber für kostenpflichtige Angebote wie Google Adwords und Google Adsense. Auswirkungen auf das Listing teilnehmender ­Unternehmen in der Google-Suche gebe es nicht, so Will.

Auch wenn der Anwendungsbereich von "Google Zertifizierte Händler" eher beschränkt ist und das Produkt von Google aus einer klaren Nutzenerwägung heraus entwickelt wurde - beim teilnehmenden Online-Händler Redcoon erhält das Programm durchweg gute Noten. "Gerade für Neukunden ist dieser Service eine Bestätigung unserer Professionalität", lässt der zu Media-Saturn gehörende Elektronikversender durch einen Sprecher mitteilen. "Durch das Gütesiegel ist dem Kunden bewusst, dass unsere Prozesse durch eine externe Instanz bewertet werden und die Einhaltung bestimmter Bedingungen permanent geprüft wird."

Dass die Shop-Präsenz von Redcoon auch bereits durch Trusted Shops und EHI Retail Institute abgesichert ist, betrachtet das Unternehmen nicht als Argument ­gegen "Google Zertifizierte Händler": "Die Google Händlerzertifizierung ist ­eine sinnvolle Erweiterung unserer Kundenansprache, denn jedes Siegel adressiert eine eigene Zielgruppe."

Google Shopping wird immer attraktiver

Ein Gütesiegel als Marketing- und Image-Programm: Was für „Zertifizierte Händler“ gilt, stimmt in abgewandelter Form auch für einen anderen Dienst: Google Shopping.

Die Preisvergleichsseite des Web-Konzerns wurde lange Zeit eher stiefmütterlich behandelt, ehe Google vor drei Jahren auf ein Modell mit bezahlten Listings umstellte und auch die Attraktivität des Angebots deutlich ausbaute. Inzwischen wird die Produktsuche von Google, wie Malte Will erklärt, nicht nur vom Handel "sehr positiv angenommen", auch beim Funktionsumfang muss sich Google nicht verstecken: Bei produktbezogenen Suchanfragen werden Shopping-Ergebnisse automatisch in die Trefferanzeige einbezogen; seit September 2014 zeigt Google Shopping auch lokale Verfügbarkeiten an. Tracking- und Analyse-Tools bieten auch Shop-Betreibern gute Einblicke in das Verhalten ihrer Kunden.

Für Harald Schiffauer, Geschäftsführer des Wettbewerbers Guenstiger.de, ist ­dennoch klar: "Google Shopping ist eher ein Werbeformat und weniger ein Preisvergleich." Schließlich erfolge die erste Sortierung nicht nach dem günstigsten Preis, sondern - ähnlich wie bei Adwords - nach einem Bieterverfahren und der ­berechneten Klickwahrscheinlichkeit.

Dennoch sei Google Shopping für Guenstiger.de ein sehr ernst zu nehmender Wettbewerber - "gerade weil Google so wie kein anderer in der Lage ist, Nutzer mit hoher Kaufwahrscheinlichkeit zu erkennen und mit passender Werbung zu versorgen. Durch die Dominanz in der Suche kann Google diesen Such-Traffic auf das eigene Angebot lenken".

Alles für die Werbung

Dass es Google Shopping mit der Produktsuche und anderen E-Commerce-Angeboten primär darum geht, das eigene Anzeigengeschäft voranzutreiben, kann auch ­Google-Mitarbeiter Malte Will nicht ­abstreiten: "Der Löwenanteil der Umsätze von Google stammt aus dem Werbegeschäft. Alles, was mit Werbung zu tun hat, steht deshalb sehr hoch in der Prioritätenliste von Google."

Der Handel verfüge nicht nur über sehr hohe Werbebudgets, sondern habe auch den Marketingkanal Online sehr früh adaptiert. Welche Ambitionen Google im E-Commerce-Geschäft verfolgt, wird damit ­erkennbar: Google Shopping will zwar weder in die Händlerrolle schlüpfen, noch einen Marktplatz aufbauen und betreiben. Wenn E-Commerce-Angebote bei den Nutzern jedoch die Bedeutung der Suchmaschine erhöhen oder sogar noch ­höhere und zusätzliche Werbeeinnahmen in Aussicht stellen, dann engagiert sich das Unternehmen aus Mountain View sofort und erweitert seine Services.

Zur ausschließlich gewinnorientierten Sicht von Google scheinen jedoch einige E-Commerce-Aktivitäten nicht so recht zu passen: Mit dem 2013 gestarteten Lieferdienst Google Express geht der Suchgigant weit über eine Produktsuche hinaus. Kunden können auf der Webseite des Suchmaschinenbetreibers Einkäufe zusammenstellen, die dann vom eigenen Lieferdienst taggleich zugestellt werden.

Noch ist der Service auf eine Handvoll amerikanischer Großstädte begrenzt und eine Ausweitung jenseits der USA nicht geplant. Doch überraschte das Angebot auch Experten - schließlich ­engagiert sich Google hier sehr stark im ­E-Commerce und baut sogar eigene ­Logistikkapazitäten auf. Aber so bringt sich ­Google Express in den USA gegen Amazon und dessen Lieferservice Amazon Fresh in Stellung.

Google Shopping hat starke Konkurrenz

Damit liegt eines der wesentlichen Motive für den Aufbau von Google Express auf der Hand: Google will sich gegen den ­E-Commerce-Primus behaupten.

Denn Amazon stößt immer stärker ins Revier von Google vor. So ergab eine Forrester-Studie im dritten Quartal 2014, dass nur elf Prozent der US-Online-Shopper eine Produktrecherche bei Google starten, ganze 39 Prozent dagegen die Webseite von Amazon besuchen. In diesem Bereich versucht der Amazon Marktplace seit Jahren eine Marktmacht auf- und auszubauen. 

Google kann ­diese Entwicklung nicht gleichgültig sein - aus Werbesicht sind Produktanfragen für den Konzern am wertvollsten. Nicht umsonst soll Google Shopping seinen Service in den USA bald mit einem Buy-Button ausstatten, der mit der One-Click-Technologie von Amazon zu vergleichen ist.

004-CPO Andreas Bauer ist eher skeptisch, dass es in absehbarer Zeit im E-Commerce-Geschäft zum Showdown zwischen den beiden Internet-Riesen kommen wird: "Amazon ist einer der größten Kunden von Google weltweit. Dies spricht eher für eine friedliche Koexistenz." Der Vorstand des E-Commerce-Dienstleisters glaubt, dass sich Google auch künftig in erster ­Linie auf Plattformthemen konzentrieren wird, wie das bereits bei den Angeboten Logistik, Google Car und Mobile zu beobachten sei.

Guenstiger.de-Chef Harald Schiffauer ist sich da nicht so sicher: Auch Google Shopping habe lange gebraucht, um von einem Experiment zu einem ­vollwertigen Produkt im Portfolio des Konzerns zu werden. Und mit der Vertikalisierung der Suche eröffnen sich für den Suchmaschinenkonzern viele neue Möglichkeiten, aus der Wertschöpfungskette Gewinn zu ziehen. "Google ist bekannt ­dafür, vieles auszuprobieren", so Schiffauer. "Wenn die Strategie in den USA erfolgreich ist, kann davon ausgegangen werden, dass Produkte und Services auch in anderen Ländern an den Start gehen."

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