Google: Mögliche Folgen der Interstitial-Abwertung

Welche Auswirkung hätte die Abwertung von Inhalten hinter Interstitials durch Google für Publisher und Werbungtreibende? INTERNET WORLD Business hat sich in der Branche umgehört.
Markus Koczy, Geschäftsführer AKM3:
"Für Publisher bedeutet die Abwertung der Inhalte hinter Interstitials, dass sie abwägen müssen, ob die Einnahmen durch die Werbeeinblendung beziehungsweise der Gewinn von Fans in sozialen Netzwerken wirklich mögliche Rankingverluste ausgleicht. Grundsätzlich gehören Overlay-Einblendungen - insbesondere natürlich auf dem Smartphone - nicht zu den benutzerfreundlichsten Einbindeformen von Online-Werbung. Hier ist also ein Abwägen gefragt. Die Frage, ob es sich lohnt Interstitials einzusetzen, wird man oft nur individuell beantworten können. Werbungtreibende hingegen müssen sich darauf einstellen, dass Publisher von inhaltsstarken Webseiten auf die Einbindung von Interstitials entweder grundlegend verzichten oder sich die Einbindung deutlich teurer vergüten lassen."

Manfred Klaus, Geschäftsführer der Plan.net-Gruppe:
"Google erhöht damit weiter den Druck auf die Publisher direkt an der Quelle ihrer Erlöse. Damit wird jetzt explizit eine Grenze überschritten und tief ins Geschäftsmodell der Wettbewerber eingegriffen. Was kommt als Nächstes - alle Properties außer Seiten mit GDN (Google Display Netzwerk) werden abgewertet? Das Risiko der Macht eines Monopolisten wird hier deutlich, unabhängig davon, ob die Werbeform als solche noch zeitgemäß ist oder nicht. Das geht zu weit. Die konkreten Auswirkungen sind aktuell noch unklar, weil der Aspekt ja nur einer unter über 250 Aspekten der Bewertung durch Google ist. Als Publisher muss man dann abwägen, ob man die Konsequenzen in Kauf nimmt oder dem Druck nachgibt. In den USA sieht man schon heute Seiten, die Interstitials erst nach dem zweiten Klick auf der Seite einsetzen."

Marcus Tober, Gründer und CTO von Searchmetrics:
"Interstitials, insbesondere Prerolls (also eine Werbung, die bei Seitenaufruf großflächig ausgespielt wird), sind schon relativ lange ein Thema, kamen aber insbesondere mit dem Google Mobile Update erneut als negativer Ranking-Faktor auf. Unseren Erfahrungen zufolge sind solche Einblendungen, die in der Regel den kompletten Inhalt einer Seite überdecken, tatsächlich ein sehr negatives Ranking-Signal. 'Auslöser' ist dabei nicht prinzipiell die Werbung an sich, sondern das Verstecken des eigentlichen Contents. Aus Google-Perspektive vollkommen nachvollziehbar, schließlich bekommt einerseits der Bot einen anderen Inhalt ausgespielt als der User (wenn die Werbung, was in der Regel der Fall ist, per Java Script und hinter der Robots.txt liegt), andererseits erwartet auch der User einen Inhalt und bekommt erst einmal etwas völlig anderes zu sehen. Schlechte User Experience und höhere Absprungraten sind die logische Folge. Zusammen mit der Fähigkeit, die Texte mit der geränderten Version von Seiten zu vergleichen, misst Google all dies bekanntlich, was die negative Auswirkung von Interstitials erklärt."

Olaf Brandt, Director Customer Acquisition & Communications bei Etracker:
"Die Äußerung von Google sorgt für eine gewisse Verunsicherung, solange keine definitive Aussage erfolgt. Natürlich wird jetzt viel spekuliert. Wir wurden gefragt, ob auch Overlays oder Pop-ups von Publishern zur Website-Personalisierung davon betroffen sein könnten. Zum Beispiel, wenn eine Medienseite oder ein Shop auf ihren Newsletter oder interessante Angebote per Einblendung aufmerksam macht. Ich glaube nicht, dass diese im Fokus von Google stehen, da sie nicht direkt nach dem Seitenaufruf erscheinen. Auch gibt es ja einen fundamentalen Unterschied zwischen Smart Messages, also personalisierten Einblendungen, und Interstitials. Letztere sind Werbeeinblendungen, die direkt auf Publisher-Seiten erscheinen und den eigentlichen Inhalt verdecken, zu dem in den Suchergebnissen verlinkt wurde. Smart Messages hingegen sind eher als Zusatzangebote und Hilfestellungen des Publishers selbst zu sehen und sind optimalerweise auf das Nutzerprofil des Besuchers abgestimmt. Wie genau der Bot aber differenzieren wird und kann, bleibt abzuwarten."

Jörg Schneider, Country Manager Deutschland bei Undertone:
"Zu behaupten, Interstitials wären per se schlecht für User, ist eine Unverschämtheit. Das kann ich nicht nachvollziehen und ist auch de facto falsch. Zahlreiche Werbewirkungsstudien von Vermarktern und Werbeanbietern weisen großflächigen Display-Formaten Werbewirkung und User-Akzeptanz nach. Natürlich müssen Targeting, Kreation, Dauer und Häufigkeit des Werbemittels stimmen. Besonders empfindlich würde es auch den Bereich mobile Werbung treffen. Interstitials sind gerade dort eines der wenigen interessanten Werbemittel für Brands. Eine Algorithmus-Änderung würde somit die gesamte Werbeindustrie treffen."

Lars Hasselbach, Geschäftsführer bei Ligatus:
"Wenn Interstitials, Pop-under oder Pop-ups richtig eingesetzt werden, das heißt mit einem vernünftigen Frequency Capping, an den richtigen Stellen und mit passenden Kampagnen, können diese einen wertvollen Beitrag zur Finanzierung von redaktionellen Inhalten liefern, ohne die Nutzererfahrung entscheidend zu beeinflussen. Hier muss jeder Publisher den für sich optimalen Mix finden. Die drohende pauschale Abstrafung dieser Werbeformen durch Google ist eine unnötige Bevormundung."

Henning Langer, Leiter Digital bei der Hamburger Morgenpost:
"Seit einigen Jahren wissen wir, dass Usability-Faktoren Einfluss auf das Google-Ranking haben. Websites mit einem hohen Anteil an Display-Werbung mussten sich schon früher mit dieser Herausforderung befassen. Dass jetzt Interstitials besondere Aufmerksamkeit erhalten, ist eine selbstverständliche Folge vorheriger Maßnahmen. Besorgniserregend für die Reichweitenmonetarisierung der Medienbranche mit Display-Werbeformen ist vielmehr die aktuelle Häufung von Gegenmaßnahmen: Mobile Safari erlaubt in Zukunft Ad-Blocker, in Chrome werden Flash-Werbemittel automatisch verhindert und nun auch Interstitials als negativer Ranking-Faktor. Muss die Branche umdenken? Wir glauben: Ja."

Alexander Bauernfeind, Senior Display Manager bei Eprofessional:
"Page-Overlay-Formate wie Interstitials bieten vielfältigen Gestaltungsspielraum bei der Kommunikation der Werbebotschaft und schaffen hohe Aufmerksamkeit beim Nutzer. Setzt Google seine Andeutungen tatsächlich um, müssen Publisher darüber nachdenken, für ihre Werbekunden mit Branding-Fokus gleichwertige Inpage-Werbeflächen zu schaffen. Diese müssen einerseits die gleichen kreativen Optionen zulassen und andererseits die gleichen kommunikativen Leistungen bieten. Performance-Display-Kampagnen sehe ich von diesem möglichen Algorithmus-Update nicht betroffen."

Andreas Kisner, Teamleiter SEO bei Artaxo:
"Aus Googles Sicht ist diese Entwicklung konsequent und fast schon überfällig, schließlich postuliert das Unternehmen seit jeher, stets im Interesse des Users zu handeln. Es steht außer Frage, dass Interstitials keine gute User Experience erzeugen. Aus SEO-Sicht ist diese Meldung auch nicht überraschend, da bereits seit 2012 mit dem Page-Layout-Algorithmus, auch Top-Heavy-Algorithmus genannt, Seiten in den Suchergebnissen abgewertet werden, die einen verhältnismäßig hohen Anteil an Werbemitteln im sichtbaren Bereich haben. Interstitials sind ja nicht nur Werbung im sichtbaren Bereich, sie versperren dem Nutzer sogar den direkten Zugang zum eigentlichen Content. Daher bleibt abzuwarten, wann Google die entsprechenden Anpassungen vornimmt und wie stark dieser Faktor gewichtet sein wird."

Alexander Krapp, Geschäftsführer bei Soulsurf:
"Was die US-Notenwelt für die Finanzwelt ist Google für das Online-Marketing: Jede Ankündigung löst ein kleines Erdbeben aus, so aktuell etwa der Plan der Suchmaschine, künftig Inhalte hinter Interstitials abzuwerten. Für Publisher eine Abwägungsfrage: Ist der Mehrumsatz mit Overlay-Werbeeinblendungen höher zu bewerten als die Abwertung durch Google. Und von Google selbst ein geschickter Schachzug: Es nutzt (vordergründig) dem User und stärkt die Position der Suchmaschine für die Werbewirtschaft: Je unattraktiver klassische Werbeformate werden, desto stärker bekommen SEO und vor allem auch SEA Gewicht."