
Schlechte Bedingungen? Zalando reicht wegen RTL-Bericht Klage ein
Zalando findet die RTL-Reportage über die Arbeitsbedingungen seiner Mitarbeiter gar nicht witzig. Das Unternehmen hat Anzeige eingereicht: Wegen des Verrats von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen.
Zalando ist wegen vermeintlich übler Arbeitsbedingungen in seinen Logistikzentren erneut ins Kreuzfeuer der Kritik geraten. Eine RTL-Journalistin hatte sich drei Monate lang als Pickerin in Erfurt eingeschleust, Artikel für Bestellungen aus den Regalen gesammelt und einen TV-Bericht darüber gedreht. Bemängelt werden Scanner zur Mitarbeiterüberwachung, lange Arbeitswege von bis zu 27 Kilometer pro Tag, zu lange Gehzeiten zu den Pausenräumen und eine radikale Diebstahlprävention, bei der nach dem Zufallsprinzip Mitarbeiter per Detektoren abgescannt und 500 Euro Prämie für jeden angezeigten Diebstahlsversuch ausgelobt werden.
Als die Tarnung der Reporterin am 28. März 2014 aufflog, wurde die 21-jährige Reporterin mihilfe eines Polizeieinsatzes aus dem Unternehmen entfernt. Noch am selben Tag hat das Unternehmen Anzeige eingereicht - wegen des Verrats von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen. "Wir müssen verhindern, dass unsere Prozesse und Systeme, die wir zum Teil auch selbst entwickelt haben, irgendwo auf Film verfügbar sind", so Zalando-Sprecher Boris Radke gegenüber dem "Handelsblatt". Die Reporterin ihrerseits hat gemeinsam mit Verdi eine Kündigungsschutzklage gegen Zalando eingereicht.
Zalando wehrt sich gegen die Vorwürfe
Zalando selbst nimmt auf seiner Website zu den Vorwürfen Stellung: Die Darstellung enspreche in keiner Weise der Unternehmenskultur und Mitarbeiterstimmung an den Logistikstandorten, heißt es da. In einer vertraulichen Mitarbeiterumfrage von Oktober 2013 hätten 88 Prozent der Mitarbeiter angegeben, ihre Tätigkeit mache ihnen Spaß, 84 Prozent wollten langfristig bei Zalando bleiben und 80 Prozent seien stolz, bei Zalando zu arbeiten. Pro Quartal würden Arbeitsbedingungen und Sozialstandards durch die Dekra überprüft - mit einem Gesamtergebnis von zuletzt 1,3 von 4 in Erfurt. Trotzdem nehme man die Vorwürfe sehr ernst und wolle alle Kritikpunkte gründlich und selbstkritisch prüfen. Allerdings sei es in Produktionsbetrieben üblich, Leistung von Prozessen, Teams und einzelnen Mitarbeitern zu messen, um auf dieser Basis Prozesse zu verbessern. Stasi-Methoden seien dies jedoch nicht.
Darüber hinaus kritisiert Zalando die Recherchepraxis von RTL. Bis zur Ausstrahlung des Berichts habe es keine offizielle Anfrage der "RTL Extra"-Redaktion gegeben. Man habe daher bis gestern nicht gewusst, dass es sich bei der Journalistin um eine Reporterin von RTL gehandelt habe. Zwar habe die Journalistin am 7. April 2014 eine dreiseitige Faxanfrage geschickt, da man sich zu dem Zeitpunkt aber schon in einer arbeitsrechtlichen Auseinandersetzung mit ihr befunden habe, habe man sich entschieden, ihre Fragen nicht zu beantworten.
Im Social Web ist über Zalando alias Sklavando der übliche Shitstorm entbrannt. Ernsthafte Umsatzeinbußen wird das Unternehmen aber nicht zu befürchten haben. Erst vor kurzem sagte Unternehmenssprecher Boris Radke im Interview mit der INTERNET WORLD Business, die E-Commerce-Schelte in den Medien jucke Kunden wenig und habe kaum Auswirkungen auf ihr Kundenverhalten.
Darüber hinaus ist Zalando die Situation als Buhmann nicht neu. Schon im Juli 2012 gab es nach Medienberichten einen Shitstorm im Web, bei dem Zalando selbst Versäumnisse einräumte. Gestärkt von der Erfahrung reagiert das Unternehmen heute viel offensiver und professioneller mit der öffentlichen Medienschelte.
Die gab es vor kurzem auch bei einem ganz anderen Thema: Schuhe der Zalando-Eigenmarken Zign, Pier One, Taupage und Zalando Collection waren mit Chrom VI belastet. Bei einer amtlichen Analyse der Schuhe durch das Landeslabor Berlin-Brandenburg wurden teilweise deutlich erhöhte Werte der Chemikalie festgestellt worden. Der Online-Händler hat deshalb einen Rückruf gestartet. Von den betroffenen Modellen wurden 1.500 Paar verkauft.