
Buhmann E-Commerce Zalando: "Online-Schelte juckt Kunden nicht"
Das Image des E-Commerce ist mies wie nie: Online-Käufer gelten als Innenstadt-Töter, Umweltverpester und Ausbeuter. Das hält die Kundschaft nicht vom Kauf ab, meint Zalando-Sprecher Boris Radke.
Herr Radke, nie war es so en vogue wie heute, über den E-Commerce zu schimpfen. Auch Zalando kommt regelmäßig in die Schußlinie, wenn Gegner des Online-Handels über sterbende Innenstädte, Umweltverschmutzung durch Paketlaster und miese Arbeitsbedingungen in der Logistik schimpfen. Wie kommt es zu den Angriffen von Medien- und Politik-Seite und wie geht Zalando damit um?
Boris Radke: Unserer Meinung nach stehen die meisten Menschen dem E-Commerce im Allgemeinen und Zalando im Speziellen positiv gegenüber, die E-Commerce-Schelte in den Medien juckt sie wenig und hat kaum Auswirkungen auf ihr Kundenverhalten. Andererseits: Wenn eine Branche revolutioniert wird, gibt es immer Menschen, die diese Entwicklung negativ betrachten. Das ist ein normaler Mechanismus, der vielleicht in Deutschland etwas ausgeprägter wirkt. Das war uns von Anfang an bewusst, deshalb haben wir uns in der Unternehmenskommunikation eher sachlich und weniger emotional gezeigt, als im Marketing. Wir kommentieren keine Markteilnehmer, weil wir glauben, dass der Markt groß genug für alle ist.
Wie sehen Sie sich selbst im Rahmen der Debatte um sterbende Innenstädte, schlechte Arbeitsbedingungen und Umweltverschmutzung zur den Online-Handel? Was antworten Sie auf solche Vorwürfe? Sehen Sie sich und andere Online-Händler in der Pflicht?
Radke: Wir sind ein junges Unternehmen, das mehr als fünftausend langfristige Arbeitsplätze geschaffen hat. Klar machen wir nicht alles richtig, aber wir haben hier schon etwas Einzigartiges aufgebaut. Das erfüllt uns auch mit Stolz. Wir sehen uns als Speerspitze des neuen Handels, der vielleicht nicht mehr familiengetrieben ist so wie früher, aber deshalb auch nicht weniger verantwortlich agiert. Mitarbeitermitbestimmung ist für uns selbstverständlich, unsere Strukturen sind durchlässig. An der harten Arbeit auf allen Ebenen, sei es im Management, im Einkauf oder in der Logistik lässt sich aber nichts ändern. Die Situation der Innenstädte, vor allen Dingen im ländlichen Raum ist eine generelle gesellschaftliche Herausforderung und keine Aufgabe des E-Commerce.
Allgemein kann man den Eindruck gewinnen, der E-Commerce steht den Vorwürfen und Angriffen gegenüber wie ein hilfloser Prügelknabe. Warum wehren Sie sich nicht gegen die Angriffe und präsentieren Sie diese Argumente nicht in großer Runde? Warum sitzen Sie nicht in den Talk Shows und verteidigen den ach so bösen Online-Handel?
Radke: Wir sehen uns nicht in einer Runde mit Leuten, die eine scheinheilige Debatte über den bösen Online-Handel führen. Wir kümmern uns in der Zeit lieber um neue spannende Projekte für unsere Kunden. In der Politik haben wir aber von Anfang an ein gutes Verhältnis auf allen Ebenen aufgebaut, wir haben enge Drähte zu den lokalen Politikern der Regionen, in denen unsere Logistikzentren stehen, aber auch zur Bundespolitik. Unserer Erfahrung nach gibt es in der Großen Koalition einen Konsens darüber, dass der Online-Handel nicht mehr zu stoppen ist und dass eine gesetzliche Einschränkung des E-Commerce einen wichtigen Zukunftstrend ausbremsen würde.
Trotzdem kommen gerade aus der Politik in letzter Zeit beunruhigende Vorstöße, es wird laut über Öffnungszeiten für Online-Shops und Einfuhrsperren für Lieferdienste in die Innenstädte und Wohngebiete nachgedacht. Glauben Sie, der Online-Handel im Allgemeinen und Zalando im speziellen muss angesichts solcher Auswüchse in Zukunft lauter werden, seine Position deutlicher vertreten?
Radke: Natürlich ist die Kommunikation eines Start-ups eine andere als die eines etablierten Arbeitgebers in einer Region. Das sehen wir vor allen Dingen in Erfurt, wo wir nach fast zwei Jahren schon der größte private Arbeitgeber der Stadt sind. Dementsprechend bringen wir uns in der Region auch bereits an vielen Stellen ein. Generell werden wir mit Sicherheit offener. Das geht jetzt, weil wir inzwischen ein nachhaltiges Geschäft aufgebaut und eine Größe erreicht haben, angesichts derer man uns ernst nehmen muss. Ich denke, je größer Zalando in Zukunft wird, desto geringer wird die Kritik ausfallen, und das gleiche gilt auch für den gesamten Online-Handel. Aus der Größe heraus wird dann sicherlich auch in den kommenden Jahren mehr Unterstützung aus den Verbänden heraus erwachsen.
INTERNET WORLD Business untersucht das Phänomen "E-Commerce als Prügelknabe" in der kommenden Ausgabe 09/2014, die am Montag, den 14. April erscheint, genauer, nimmt dabei die Vorwürfe gegen den E-Commerce genauer unter die Lupe und gibt der Branche Argumente für eine ausgewogene Debatte an die Hand. Dabei zeigen wir auch, wie gefährlich das schlechte Image für den Online-Handel werden kann – und wie wenig die Branche dennoch dagegen tut.