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Zalando Paket neues Design
Plattformen 23.12.2014
Plattformen 23.12.2014

Customer Experience Zalando arbeitet am perfekten Kauferlebnis

Das neue Design des Zalando-Pakets

zalando.de

Das neue Design des Zalando-Pakets

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Schrei vor Glück - das ist der Werbeslogan von Zalando. INTERNET WORLD Business hat dem Unternehmen über die Schulter geschaut, wie es daran feilt, die Customer Experience zu perfektionieren.

Von außen betrachtet könnte der ­unauffällige graue Plattenbau in der Berliner Mollstraße 1 auch die Verwaltungsangestellten der örtlichen AOK beherbergen. Doch die vielen jungen Leute, die morgens kurz vor neun eilig ihre Fahrräder vor dem Haus anketten und dann in Scharen in das Gebäude strömen, lassen erahnen: Der Eindruck täuscht. Denn hier, nur einen kurzen Fußmarsch vom Alexanderplatz entfernt, schlägt das technische Herz von Zalando.

An schier endlos scheinenden Tischreihen, aufgestellt in kaum zu überblickenden Großraumbüros, arbeiten unzählige Entwickler daran, die Customer Experience - also die Art und Weise, wie Mode eingekauft wird - nachhaltig zu verändern. Dabei ist ihre eigene Konsumhistorie noch verhältnismäßig kurz: Die meisten Zalandoaner haben gleich nach dem Studium bei dem Fashion-Start-up angeheuert. Das Durchschnittsalter liegt bei 29 Jahren.

Christoph Lütke Schelhowe ist einer von denen, die in der Mollstraße 1 den Takt angeben. "VP Customer Experience" steht auf seiner Visitenkarte. Sein Job ist es, ­dafür zu sorgen, dass Menschen beim virtuellen Einkaufsbummel auf Zalando ­irgendwann einmal mehr Spaß haben als in stationären Geschäften.

In Sachen Service ist Zalando dies schon gut geglückt. Das Unternehmen steht für ein großes Sortiment, faire Preise und ein kulantes Rückgaberecht. Doch für Lütke Schelhowe ist dies bereits State of the Art. "Inzwischen wollen Kunden beim Einkaufen relevante Erfahrungen machen - im Sinne von Personalisierung und Convenience", ist der Herr über die Optimierung des Kunden­erlebnisses überzeugt.

Um die Customer Experience zu verbessern und damit herauszufinden, wie die Konsumenten von heute ticken, begleiten er und sein Team Kunden bei ihrem Einkaufsbummel und schauen ihnen beim Shoppen genau über die Schulter. Zeitweilig stehen Zalando-Mitarbeiter sogar mit kleinen Klemmbrettchen und Stift vom Aufstehen bis zum Zubettgehen neben ­ihren Musterkunden - und lernen dabei beispielsweise, dass kurz nach dem Aufwachen ein guter Zeitpunkt für modische Inspirationsversuche ist.

"Häufig greifen Kunden nach dem Aufwachen als Erstes zu ihrem Smartphone und schauen, wie das Wetter an diesem Tag wird", ­erzählt Lütke Schelhowe. "Das ist einer von vielen tollen Momenten, um Menschen mit Mode zu verbinden." Auch gemeinsame Einkaufsbummel in der Stadt oder die Analyse von Schaufenstergestaltungen helfen den Teams, das stationäre Einkaufserlebnis für den Online-Handel zu übersetzen.


Versuchslabor auf dem Alexanderplatz

Zalando Großraumbüro

In riesigen Großraumbüros wird am perfekten Kauferlebnis gefeilt

www.zalando.de

Sind auf diese Weise erste Ansätze für neue Projekte entstanden, heißt es für die Produktmanager erneut: "Get out of the building." Auf dem Alexanderplatz oder in ­einem nahe gelegenen Starbucks werden willkürlich Verbraucher auf einen Kaffee eingeladen und mit den neuesten Zalando-Ideen, oftmals nur schnell auf Papier gescribbelt, konfrontiert.

Ist das Feedback positiv, wird ein richtiger Prototyp gebaut und ins hauseigene User-Labor im ersten Stock gegeben. "Der dritte Schritt ist dann klassisch ein A/B-Test, wenn auch vielleicht nicht an prominentester Stelle", schildert der "VP Customer Experience" das Prozedere.

Eine der Produktmanagerinnen, die mit den Prototypen in der Hand Starbucks-Besucher um ihre Meinung zu neuen ­Ideen bittet, ist Stefanie Roloff. Zusammen mit ihrem Team ist sie für die Produkt­detailseiten auf Zalando verantwortlich. Und hier hat sich in den vergangenen ­Wochen und Monaten eine Menge getan. "Unsere Aufgabe im Team ist es, Kunden mit allen relevanten Produktinformationen zu versorgen, damit sie am Ende die richtige Kaufentscheidung treffen können", erzählt sie.

Ein Feature für die Customer Experience, das gerade mit hohem technischem Aufwand optimiert wurde, ist die Kundenbewertung. "Kunden legen sehr viel Wert auf die Meinung anderer Kunden, weil sie die deutlich glaubwürdiger finden", lacht die Produktmanagerin. Bislang setzte Zalando hier nur auf eine freie Überschrift und Sternchenbewertung. Ab sofort können Kunden auch angeben, ob sie dieses Produkt empfehlen würden, und haben ein eigenes Feld für Freitext.

Besonders stolz ist Roloff auf einen neuen Größenberater namens "Fit Survey". Hier können Kunden andere Kunden detaillierter als bislang über die Passform eines Artikels informieren. Bei Hosen beispielsweise können die Passform insgesamt sowie Hüfte und Beinweite bewertet werden, bei Schuhen gibt es Abfragen zur Schuh- oder Schaftweite. Die Kunden sind leicht zur Mithilfe zu bewegen: 60 Prozent ­derjenigen, die eine Bewertung abgeben, setzen auch beim "Fit Survey" bereitwillig ihre Kreuzchen.

Kopflos war einmal: Mehr Emotion in Model-Pics

Fotostudio von Zalando

Im Fotostudio lichtet jedes Produktionsteam täglich rund 100 Produkte ab

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Für eine emotionalere Customer Experience hat Roloff mit ihrem Team auch an der Produktpräsentation gefeilt. Dazu wurde - zunächst nur für Schuhe - ein 360-Grad-Modus eingeführt. Interessierte Kunden können ein Produkt statt bislang mit sechs jetzt mit 30 verschiedenen Aufnahmen in Augenschein nehmen. Beim Aufruf einer Produktdetailseite dreht sich der Schuh zunächst ein Mal um sich selbst, anschließend können die Nutzer ihn via Maus oder Finger auf dem Tablet so hin und her ­bewegen, wie sie es möchten.
"Die Kunden sollen das Gefühl haben, das Produkt fast anfassen zu können", schildert Lütke Schelhowe das Ziel beim 360-Grad-Modus. "Das hat mit Emotion und Psychologie zu tun. Es macht Spaß und hat den Gamification-Faktor, dass man selber interaktiv was machen kann."

Auch bei den Mode-Shootings gibt es entscheidende Neuerungen: Künftig werden die Models nämlich im Ganzkörpermodus gezeigt und nicht mehr wie bisher oberhalb des Halses abgeschnitten. Statt steif und statisch dazustehen, dürfen sie künftig auch ein bisschen cooler und lockerer ­posen. Das ist nicht nur optisch ansprechender, auch die Kundinnen können so besser erkennen, wie Kleidung wirkt, wenn man sich darin bewegt. Eine Neuerung, die die Customer Experience deutlich verbessern soll. "Nach und nach werden wir mit den neuen Bildern das ­ganze Sortiment auffrischen", erzählt ­Roloff. Wenn der Anteil der neuen Model-Pics 80 Prozent erreicht, soll die Bilder­anordnung auf der Produktdetailseite ­geändert werden. "Aktuell fangen wir mit dem Freisteller an und zeigen die auch auf den Kategorieseiten. Aber langfristig macht es natürlich Sinn, auch hier die ­neuen Bilder einzusetzen", betont Roloff.

Im alten Berliner Postbahnhof, ehemals Hauptbahnhof von Ost-Berlin und heute Heimat des Fotostudios von Zalando, werden die neuen Vorgaben bei der Bildproduktion schon umgesetzt. Die lässige ­Atmosphäre und die laute Musik, die durch das gotische Backsteingemäuer schallt, können nicht darüber hinwegtäuschen, dass hier jeden Tag Schwerstarbeit geleistet wird. An vier Produktionsschienen wird die Kollektion abgelichtet, die morgens vom Lkw angeliefert wird.

Das Prozedere ist genau geregelt: Farbige Kleiderbügel informieren darüber, welche Kleidungsstücke Priorität haben. Moni­tore über den Produktionsplätzen zeigen den Ist- und den Soll-Stand im Tagesverlauf an. 110 Artikel pro Team sind bei der klassischen Ohne-Kopf-Bildproduktion Standard, bei den neuen Model-Pics schaffen die Teams nur rund 50 bis 60 Prozent der Menge, sagt Wenjun Tang, Team­managerin Content Creation bei Zalando.

Fotos und Texte aus einem Guss


Jedes Team produziert seinen Content vom ersten bis zum letzten Schritt bis das Produkt online geht. Zunächst werden die Model-Fotos gemacht, anschließend werden vollautomatisiert die Freisteller produziert. Wenn alle Fotos fertig sind, kommen sie in die Bildbearbeitung, in der Feintunings und Retuschierungen vorgenommen werden. Anschließend wandern die Bilder in die Content-Station: Dort wählen Mitarbeiter aus Drop-down-Menüs Bulletpoints für die Produktbeschreibungen aus. Ganz am Ende jeder Produktionsschiene sitzt das Qualitätsmanagement für die Customer Experience, das Bild und Text nachkontrolliert und, falls nötig, nachbessern lässt.

Bildbearbeitung bei Zalando

Gleich nach dem Shooting werden die Bilder für den Webshop optimiert und ferig gestellt

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"Die Produktion im neuen Format ist aufwendiger als früher, aber wir sehen es als Investition, von der unsere Kunden unmittelbar profitieren. Wir möchten mehr Fotos zur Verfügung stellen, die Zusammenarbeit zwischen Model und Fotograf ist intensiver und auch die Bildbearbeitung ist aufwendiger, weil bei der Vollansicht von Models sorgfältiger retuschiert werden muss, beispielsweise an der Frisur", weiß Tang. Doch die Mühe lohnt sich, auch dann, wenn es darum geht, neue Modemarken für Zalando zu gewinnen.

"Für uns sind die Markenpräsentation und die Wünsche der Partner sehr wichtig", weiß die Content-Managerin. "Teilweise kommen Markenrepräsentanten hierher, sind bei den Shootings dabei und bringen ihre Vorstellungen bei Styling und Modeauswahl mit ein."

Die Produktpräsentation ist aber nicht die einzige Baustelle, über die sich das Customer Experience Team in den vergangenen Wochen und Monaten Gedanken machte. Überall im Großraumbüro stehen Tafeln, auf die Mitarbeiter schnell Ideen skizzieren. In einer Besprechungsecke, mit Wänden aus Zalando-Kartons vom Großraumbüro abgetrennt, tauschen sich die Zalandoaner regelmäßig aus.

Zu den neuen Features im Shop zählen etwa eine neue, bildgestützte Produktsuche per App, die nach einem erfolgreichen Testlauf in Deutschland jetzt internationalisiert werden soll. Außerdem glaubt Lütke Schelhowe an Personalisierung. Zehn Entwickler arbeiten bei Zalando daran, eine eigene Recommendation Engine zu bauen, die im Idealfall schlauer ist als die ­tüchtigste Verkäuferin in der stationären Lieblingsboutique. Sie soll bei Produktvorschlägen den persönlichen Geschmack des Kunden treffen und außerdem in der Lage sein, zu Produkten im Warenkorb passende Ergänzungsvorschläge zu machen.

Was die ­Recommendation Engine kann, ist heute schon im neuen Fashion-Feed von Zalando zu sehen. Dort werden angemeldeten Kunden im Pinterest-Style Produkte präsentiert, die ihren Vorlieben entsprechen. Richtig gut wird der Fashion-Feed aber erst, wenn die Kunden der Maschine auf die Sprünge helfen und Marken und Themen auswählen, denen sie folgen wollen. Trotzdem ist die erste Resonanz ermutigend: "Wir ­sehen, dass Bestandskunden die Empfehlungen gut nutzen und auch kaufen", schildert Lütke Schelhowe die ersten Erfahrungen. Bei weiteren Erfolgen soll der Feed prominenter platziert werden.

Der emotionalste Moment ist, wenn das Paket kommt

Briefträger bringt Zalando Paket

Der emotionalste Moment: Wenn der Briefträger mit dem Paket vor der Tür steht

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Einmal wollte das Customer Experience Team bei seinen zahlreichen Nutzerbefragungen von den Kunden wissen, welcher ­Moment im Kaufprozess eigentlich der emotionalste ist. Ist es beim Entdecken der richtigen Produkte? Oder beim Klick auf den Kaufen-Button? "Mit der Antwort der Kunden hätten wir erst mal nicht gerechnet", sagt der Kauferfahrungsverbesserer. "Bei Weitem die Mehrzahl der Kunden gab an, dass der emotionalste Moment der ist, wenn das Paket ankommt, sie es öffnen und zum ersten Mal die bestellten Kleider und Schuhe sehen."

Auch hier hat Zalando, getreu dem Motto "Retail is ­Detail", nachgebessert. "Might we improve the packing experience - keep Paula screaming", schrieb der zuständige Projekt­manager auf seine Ideentafel. Das Customer Experience Team steuerte seinen Input auf kleinen Post-it-Zettelchen bei. Das Ergebnis übergeben DHL-Lieferanten heute täglich tausendfach an die Kunden: Die Paketbeschriftung wurde überarbeitet, die Verpackungsgrößen so optimiert, dass auf Füllmaterial weitgehend verzichtet werden kann.

Statt Kartonschnipsel vom Boden zu saugen, soll sich der Kunde beim Öffnen über einen netten Spruch in verschiedenen Sprachen auf dem Karton freuen. Gutscheine wanderten auf den Kartonboden. Jetzt steht das Produkt im Fokus. Auch bei Retouren will Zalando es seinen Käufern leichter machen: Wer sein Paket zurückschicken will, muss einfach einen zweiten Klebestreifen abziehen und den Karton wieder zuklappen. "Und dann weg damit zur Post", so der Zalando-Manager.

Seit Kurzem bietet Zalando für alle Länder die Expresslieferung an. Wer in Deutschland 5,90 Euro pro Lieferung zahlt und bis Mittag bestellt, erhält seine Ware garantiert am nächsten Tag. Die durch Gratisversand verwöhnte Zalando-Kundschaft nimmt das Angebot laut Lütke Schelhowen überraschend gut an. Vielen ist Liefersicherheit das Geld wert. Für die, die weiterhin nichts bezahlen und trotzdem wissen wollen, wo ihr Paket gerade ist, hat das Customer ­Experience Team die Paketverfolgung optimiert. Wie sehr Kunden die Transparenz schätzen, zeigen die Abrufzahlen. Fast alle Kunden klicken mindestens einmal im Bestellprozess auf den Button.

Es sind viele kleine Schritte, mit denen sich Zalando dem Einkaufserlebnis aus der stationären Welt annähert und weiter ­ordentlich wächst. Im Gesamtjahr könnte erstmals die Zwei-Milliarden-Euro-Umsatzgrenze fallen. Im dritten Quartal belieferte Zalando 14,1 Millionen aktive Kunden. Größtenteils waren sie glücklich.

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