
Strategische Ausrichtung So sollten Online-Händler mit Plattformen umgehen
Plattformökonomie ist schon seit Längerem das große Thema. Online-Händler sollten dabei eine eigene Strategie im Umgang entwickeln. Es stellt sich die Frage: Wann ist es sinnvoll, über Plattformen zu verkaufen? Und welche Angebote eignen sich überhaupt?
Player wie Airbnb, Amazon oder Uber haben in den vergangenen Jahren gezeigt, wie erfolgreich das Plattform-Geschäftsmodell sein kann: Kein anderes Konzept hat laut dem "BTE Handelsverband Textil" ein schnelleres Wachstum verzeichnet und mehr Branchen ins Wanken gebracht. Denn Unternehmen merken, dass sie mit ihren klassischen Geschäftsideen langfristig nicht bestehen können. Es gilt neue Wege einzuschlagen, um auch zukünftig ein nachhaltiges Wachstum zu sichern.
Hierzulande haben vor allem E-Commerce-Player wie Zalando, Otto oder Douglas das Potenzial erkannt: Sie wandeln sich zu Plattformen. Für einen Erfolg braucht es aber Handelspartner, die ihre Produkte auch über die Plattformen verkaufen wollen.
Der Nutzwert für Händler und Markenhersteller ist aber nicht immer auf den ersten Blick klar. Warum sollten sie über Plattformen verkaufen?
Vorteile für Händler
Plattformen bieten zunächst einmal den Vorteil, dass Händler und Marken durch sie eine weit größere Gruppe von potenziellen Kunden adressieren können. Denn in der Regel ist die Reichweite um ein Vielfaches höher als die eines eigenen Webshops. Dementsprechend bieten solche Absatzkanäle enormes Wachstumspotenzial für die eigene Sichtbarkeit und somit auch für die Verkäufe.
Einige Plattformbetreiber bieten ihren Partnern auch Zugang zu diversen Services beispielsweise für die Logistik oder im Marketing. Zudem ist es über Plattformen vergleichsweise einfach in andere Märkte zu expandieren. Beispielsweise kann ein Amazon-Händler mit wenig Zusatzkosten und Aufwand in andere EU-Länder oder auch in die USA verkaufen.
Nachteile für Händler
Ein großer Nachteil ist indes, dass auf Plattformen aufgrund der direkten Vergleichbarkeit der Preise für ein bestimmtes Produkt ein intensiver Preiskampf herrscht. In diesem Umfeld zu bestehen, ist eine Herausforderung. Mit Eigenmarken ist ein Erfolg noch am ehesten möglich, denn kein anderer Hersteller bietet damit das identische Produkt im Umfeld an.
Stellt ein Händler Produkte zur Verfügung, die auch von anderen Verkäufern angeboten werden, sollte man auf anderem Weg versuchen, sich von der Masse abzusetzen. Händler sollten die Geschichte ihres Unternehmens transportieren und so Vertrauen zu ihren Kunden aufbauen. Sie müssen Kunden einen Grund geben, warum diese das Produkt gerade dort kaufen sollten.
Ein weiterer Nachteil ist, dass Plattformen die Hoheit über die Kundendaten besitzen. Konkret bedeutet das, dass Händler keinen Zugang zu First-Party-Data haben. So läuft man Gefahr, den Kontakt zu seinen Kunden zu verlieren. Daten sind in der heutigen Zeit wertvoll, daher ist es grundsätzlich ratsam, diese nicht ohne weiteres aus der Hand zu geben.
Zu guter Letzt haben Verkäufer auf Plattformen keine komplette Autonomie. Als "Lieferant" müssen die Plattformrichtlinien eingehalten werden. Geschieht das nicht, drohen meist Sanktionen.
Drei Handlungsstrategien beim Umgang mit Plattformen
Laut der Studie "Gamechanger Plattformökonomie" des IFH in Zusammenarbeit mit der Universität zu Köln gibt es drei Strategien, wie man als Händler mit dem Plattformtrend umgehen kann: Innovation (Plattform als Geschäftsmodell), Kooperation (Plattform als Absatzkanal) und Konfrontation (Plattform als Wettbewerber).
Den Weg der Kooperation wählen die meisten Händler und Markenhersteller. Denn trotz aller Nachteile können es sich die Wenigsten leisten, Plattformen als Absatzkanal zu ignorieren. Das ist aber grundsätzlich von der Unternehmensstrategie abhängig.

IFH Köln/Wright Studio/shutterstock.com
Die Möglichkeit sich selbst zu einer Plattform zu transformieren, haben kleine Händler kaum. Denn dieser Prozess ist langwierig und erfordert große finanzielle und auch personelle Ressourcen. Daher bleibt diese Handlungsstrategie in der Regel den großen Playern vorbehalten.
"Hersteller und Händler müssen genauestens evaluieren, welche Strategie im Umgang mit Plattformen die richtige für sie ist. Nur die wenigsten können erfolgreich Plattform werden und gerade kooperative versus konfrontative Ansätze hängen stark vom eigenen Angebot, der jeweiligen Zielgruppe und der eigenen Markenpositionierung ab", sagt Eva Stüber, Mitglied der Geschäftsleitung des IFH Köln gegenüber dem BTE Handelsverband Textil.
Wie sich Otto, Zalando und Douglas neu aufstellen
Beim Online-Händler Otto hatte man sich zunächst die Frage gestellt, wie man die Bedürfnisse der Kunden stärker in den Mittelpunkt stellen kann. "Da haben wir erkannt, dass sich dafür das Geschäftsmodell Plattform besonders gut eignet. Deshalb ändern wir es und denken Otto als Plattform neu", sagt Tim Buchholz, Principal Platform Business bei Otto.
Auf den Weg hin zu einer Plattform hat sich Otto Ende 2018 gemacht. Seither wurden an den Marktplatz rund 500 Partner angebunden. "Speziell im Onboarding neuer Partner wollen wir künftig schneller werden und das Tempo mit den ersten automatisierten Anbindungen ab 2020 deutlich steigern. Es war von vornherein unser Ziel, im Jahr 2020 mit einer bis dahin entsprechend entwickelten Infrastruktur und Organisation Otto als Plattform im Markt zu etablieren und immer mehr Marken und Händler anzubinden", so Buchholz. Durch den neuen Self-Service für die Anbindung wird für das kommende Jahr mit 2.000 weiteren Partnern gerechnet.
Auf der Plattform von Otto vertreiben die Partner ihre Artikel im eigenen Namen und auf eigene Rechnung. Die Produkte sind im Webshop von Otto gesondert gekennzeichnet, indem der Name des Verkäufers zusätzlich ausgewiesen wird.
Profitieren von der Kundenreichweite
Zalando hingegen vollzieht bereits seit 2014 den Wandel zu einer Plattform. Die Partner können ihre Bestände direkt auf der Zalando-Plattform anbieten und sollen vor allem von der Kundenreichweite profitieren. Aber auch für Zalando ergeben sich einige Vorteile. Der Fashion-Händler erweitert so das Sortiment und die bessere Verfügbarkeit vergrößert Zalandos Kundenreichweite - die wiederum mehr Marken auf die Plattform zieht.
Des Weiteren bietet das Unternehmen seinen Marktplatz-Teilnehmern digitale und Infrastrukturleistungen unter anderem in den Bereichen Analytik, Werbung und Logistik.
Bisher konnte Zalando mit diesem Angebot 320 Partner mit mehr als 1.000 Marken anbinden. Mehr als 100 Marken nutzen zudem aktuell den Logistikservices von ZFS (Zalando Fulfillment Solution). Unter dem Hut von "Connected Retail" - Anbindung physischer Stores an die Plattform - hat Zalando inzwischen 1.300 stationäre Läden versammelt. Dabei versenden die Geschäfte aus ihren Beständen, falls die Ware nicht bei Zalando selbst vorrätig ist. Bis Ende 2019 sollen es 1.500 werden.
Eine Plattform für nachhaltiges Wachstum
Ein junger Teilnehmer im Plattformgeschäft ist Douglas. Der Beauty-Händler ist erst vor wenigen Monaten in das Geschäft eingestiegen. Mit diesem Schritt erweitert das Unternehmen sein Sortiment von rund 50.000 Artikeln im Douglas Webshop um zahlreiche Marken ausgewählter Partner.

Vanessa Stützle, Executive Vice President E-Eommerce und CRM bei Douglas
Douglas
Den Anfang machen 10.000 Produkte aus den Bereichen Accessoires und Naturkosmetik. Mit 100 potenziellen Partnern befindet sich Douglas eigenen Angaben zufolge derzeit in Verhandlungen. Strategisch plant das Unternehmen so neue Umsatzfelder erschließen und damit den Grundstein für nachhaltiges Wachstum zu legen.
"Dank unserer Kunden- und Marketingreichweite können wir neben den bestehenden Industriepartnern noch weitere Partner für Kooperationen gewinnen. Dies steigert die Relevanz unseres Unternehmens für beide Seiten: KundInnen und Partner", sagt Vanessa Stützle, Executive Vice President E-Commerce und CRM.
Die angebundenen Partner sollen bei der Plattform von Douglas auch durch die Verknüpfung von On- und Offline profitieren. Ein Vorteil, den andere Plattformbetreiber wie Zalando, Amazon, Otto und Co in der Form nicht bieten können. So gelingt die Verknüpfung der Kanäle beispielsweise in Form von Angeboten wie dem Click und Collect Service.
Dabei ermöglicht es der Marktplatz den Partnern, die bestehende Infrastruktur und Logistik (Shop, Zahlungsabwicklung) zu nutzen und von der Marktstellung von Douglas zu profitieren. Außerdem können sich die Partner über Unterstützung im Marketing freuen. "Wir werden unseren Markenpartnern verschiedene Marketingservices bis hin zur kompletten Kampagnenumsetzung im Bereich Retail Media anbieten", so Stützle.
Doch so ohne Weiteres geht die Transformation auch beim Beauty-Händler nicht von statten. Zu Beginn war es die größte Herausforderung, die technischen Voraussetzungen für einen Marktplatz zu schaffen und reibungslose Prozesse sowohl für den Endkunden als auch für die Partner aufzusetzen. Deswegen gilt es laut Stützle, Partner nach hohen Standards auszuwählen, robuste, performante Schnittstellen aufzubauen und gemeinsam an Verbesserungen zu arbeiten, um bei der Zusammenarbeit für die Zukunft gut aufgestellt zu sein.
Fazit
Ob es für Händler notwendig ist auf Plattformen in Zukunft präsent zu sein, ist keine die Frage mehr. Wer langfristig wachsen möchte und nicht die Kapazitäten hat, um selbst zu einer Plattform zu werden, muss sich Plattformen anschließen.
Dabei ist es auch wichtig, nicht nur auf ein Pferd zu setzen. Wird man auf einem Marktplatz gesperrt, kann es existenzbedrohend werden, sonst keine Präsenz zu haben. Für welchen Händler welche Plattformen die richtigen sind, hängt von der strategischen Ausrichtung ab. Die entscheidende Frage ist für Händler: Welchen Mehrwert bietet die Plattform meinem Geschäftsmodell?