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Lüge

Erhebung zur Online-Präsenz Sport- und Outdoor-Branche: Die Marktplatzlüge

shutterstock.com/pathdoc
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Die meisten Hersteller und Händler wissen, dass eine Marktplatzpräsenz ­unabdingbar wird. Doch viele belügen sich selbst und setzen Strategien bestenfalls halbherzig um.

Wer erfolgreich auf Online-Marktplätzen wie Amazon oder eBay verkaufen will, muss schon lange mehr tun, als nur Produkte online zu stellen. Insbesondere Amazon ist ohne eine dezidierte Vertriebsstrategie und spezielle Systeme kaum mehr gewinnbringend nutzbar. Und mit stetig neuen Playern wie Alibaba oder Otto nimmt die Komplexität im Umgang mit Marktplätzen eher zu als ab.

In einer gemeinsamen Studie analysierten die Sportfachzeitschrift "SAZsport" und die Digitalisierungsexperten von Ecom Consulting die Marktplatzstrategien von Herstellern und Händlern im Sport- und Outdoor-Markt. Dazu wurden 60 Sporthändler und 56 Markenhersteller im Rahmen einer Online-Erhebung befragt.

Eines der Kernergebnisse lautet: Hersteller und Händler haben zwar die ­Zeichen erkannt und wissen, dass eine Präsenz auf Marktplätzen für eine erfolgreiche Zukunft nahezu unabdingbar ist, eine Bereitschaft, konsequent zu handeln, ist jedoch noch nicht überall zu sehen. Das zeigt schon die Tatsache, dass 42 Prozent aller befragten Händler ihr Sortiment überhaupt nicht online anbieten - und größtenteils auch nicht vorhaben, dies in Zukunft zu tun. Die Hersteller sind bereits einen Schritt weiter: Hier pflegen inzwischen fast neun von zehn Anbietern digitale B2C-Vertriebskanäle.

Bei ihren digitalen Vertriebsoffensiven unterscheiden sich Händler und Hersteller in ihrer Strategie gravierend. Während die Hersteller sich auf ihren eigenen Online Shop fokussieren, suchen die Händler ihr Heil auf Marktplätzen. So sind 47 Prozent der Händler auf Marktplätzen vertreten, eigene Online Shops betreiben nur 32 Prozent der Umfrageteilnehmer. Bei den Herstellern ist es genau umgekehrt: Hier betreiben 50 Prozent einen eigenen Online Shop, während nur 45 Prozent ­eine Marktplatzpräsenz pflegen.

Hersteller forcieren Direktvertrieb

Auch bei der Umsatzverteilung sind die Strategien von Herstellern und Händlern unterschiedlich. Während der Anteil der Händler, die auf Marktplätzen aktiv sind, mit zunehmendem Umsatz steigt, sind es bei den Herstellern vor allem die kleineren Brands mit bis zu 50 Millionen Euro Umsatz, die auf Marktplätze setzen. Je höher die Umsätze ausfallen, welche die Brands erwirtschaften, desto seltener sind sie bei Amazon, eBay und Co zu finden. Dieses Ergebnis ist insofern bemerkenswert, als die Hersteller mit ihren angestrebten Online Shops in den Direktvertrieb und damit in den Direktkontakt mit den Endkonsumenten einsteigen, während ihre Händler beim Direktkontakt "kapitulieren" und vermehrt auf die Marktplätze ausweichen.

Eine weitere spannende Erkenntnis der Erhebung: Viele Sportunternehmen betreiben ihr Marktplatzgeschäft mehr oder ­weniger im Blindflug - ohne dezidierte Strategie und vor allem ohne tief greifendes Wissen über die erheblich besseren Möglichkeiten, die ihnen die Marktplätze eigentlich bieten würden. So gibt mehr als jeder dritte Händler, der auf Marktplätzen aktiv ist, zu, Zusammenhänge im Business mit Amazon, Zalando, Alibaba und Co nicht ausreichend zu verstehen.

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Hersteller sind selbstbewusster

Selbstbewusster präsentieren sich die Hersteller: Von ihnen haben 94 Prozent das Gefühl, die Mechanismen im Markt zu beherrschen. Allerdings - so richtig profund ist das Wissen dann offenbar doch nicht: Auf einer Skala von 1 (= kein Verständnis) bis 7 (= sehr hohes Verständnis) bewerten Händler ihr Know-how in Bezug auf Amazon und eBay lediglich mit einer mittelmäßigen 4,1. Hersteller fühlen sich auf Amazon (4,8) relativ gut bewandert, ihr Wissen zu Zalando bewerten sie mit 4,5, das zu eBay mit 4,4.

Das Halbwissen kommt nicht von ungefähr, denn ausgewiesene Marktplatzspezialisten findet man in allen Sportunternehmen eher selten. Nur 36 Prozent der Händler und 39 Prozent der Hersteller ­beschäftigen spezielles Personal für die Betreuung der Marktplatzaktivitäten. Auch die Abwicklung erfolgt zumeist sehr hemdsärmelig: Nur etwa jeder fünfte Hersteller hat für Artikeleinstellung und Auftragsabwicklung auf Marktplätzen eine spezielle Software im Einsatz, der Rest agiert mit Excel und viel Handarbeit. Besser sieht es bei den Händlern aus, bei ­denen zumindest knapp drei Viertel der größeren entsprechende Software einsetzt. Auch Analyse-Tools zur Auswertung von Marktplatz-Kennzahlen sind bei Sport­unternehmen die Ausnahme: Diese haben nur 23 Prozent der Händler und 18 Prozent der Hersteller im Einsatz. Auch hier gilt: Je größer die Unternehmen, desto professioneller wird die Abwicklung des Marktplatzgeschäfts gehandhabt.

Als meistgenutzter Marktplatz der Sportunternehmen kristallisierte sich in der Studie - wenig überraschend - Amazon heraus. Jeder zweite Händler und 57 Prozent der Hersteller, die überhaupt auf Marktplätzen aktiv sind, verkaufen über den deutschen E-Commerce-Platzhirsch. Auf dem zweiten Platz folgt bei den Händlern eBay (50 Prozent). Die wichtigsten Marktplätze für die Hersteller, die derartige Plattformen überhaupt nutzen, sind neben Amazon Zalando (49 Prozent), Karstadt (43 Prozent) und Otto (29 Prozent). Der vermeintliche Flohmarkt eBay, der für die Händler fast die gleiche Bedeutung hat wie Amazon, wird von den Herstellern weitgehend ignoriert.

Marktplatzpartner der Herzen ist Zalando

Überraschend allerdings ist, wie Händler und Marken ihre Zusammenarbeit mit den Plattformbetreibern bewerten. Denn es sind keineswegs die größten Anbieter eBay und Amazon, bei denen die ­Umsätze für Händler und Hersteller am zufriedenstellendsten ausfallen. Stattdessen erobert Zalando hier mit 77 Prozent "sehr zufriedener" und "zufriedener" Händler den Spitzenplatz, gefolgt von Amazon (63 Prozent) und eBay (54 Prozent).

Auch in der Zusammenarbeit wird Zalando von Herstellern und Händlern als angenehmstes Gegenüber bewertet: 97 Prozent der Sportunternehmen vergeben hier als ­Bewertung ebenfalls "sehr zufrieden" oder "zufrieden". eBay kommt hierbei mit 67 Prozent auf Rang zwei. Amazon folgt mit 46 Prozent auf dem letzten Platz der großen Drei. Bei fast jedem zweiten Amazon-Marktplatzpartner gibt es eigenen Aussagen zufolge immer wieder Stolpersteine bei der Zusammenarbeit. Bei eBay sind derartige Auseinandersetzungen ­erheblich seltener: Hier gab nur jeder vierte Händler gelegentliche Probleme zu Protokoll. Je acht Prozent der eBay- und der Amazon-Händler sind so unzufrieden, dass sie gar das Ende der Zusammenarbeit erwägen. Bei Zalando lag die ­Unzufriedenheitsquote bei null. Die Marktplatzoption Otto war für die Untersuchung noch zu kurz am Markt verfügbar.

Fazit

Insgesamt lässt sich festhalten: Sowohl Händler als auch Hersteller nutzen das Marktplatzgeschäft eher gezwungener­maßen als aus absoluter Überzeugung. Im tiefsten Herzen sind sie davon überzeugt, dass Marktplätze für den Markt eher gefährlich sind und die traditionellen Marktstrukturen zerstören.

Bei den Händlern ist diese Angst (75 Prozent) noch ausgeprägter als bei den Herstellern (60 Prozent). Dies ist nicht verwunderlich, bieten Plattformen doch den Brands die Möglichkeit, Kunden direkt anzusprechen.

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