
Internet World Messe Siroop-CEO Hilt: "Ein bunter Blumenstrauß an Händlern"
Siroop-CEO Constantin Hilt spricht am Mittwoch, 8. März, auf der TrendArena der Internet World Messe in München über die Digitalisierung des Schweizer Handels.
Siroop-CEO Constantin Hilt spricht am Mittwoch, 8. März, auf der TrendArena der Internet World Messe in München über die Digitalisierung des Schweizer Handels.
Die Siroop AG ist angetreten, alle Schweizer Händlern, egal ob groß oder klein, stationär oder online auf einem Marktplatz zusammenzuführen. Die Resonanz ist groß, die technische Herausforderung auch.
Im November 2015 ist in der Schweiz die Siroop AG mit ihrem Online-Marktplatz Siroop.ch an den Start gegangen. Das Ziel: den Schweizer Handel digitalisieren. Dafür will das Unternehmen das Angebot möglichst vieler unterschiedlicher Händler auf einem Marktplatz bündeln - ganz egal, ob sie Online-Pure-Player sind, traditionsreiche Einzelhändler, der kleine Laden um die Ecke oder Multichannel-Anbieter.
Die Beta-Phase dauerte bis Mai 2016, seither ist der Marktplatz im offiziellen Betrieb. Hinter Siroop stehen große Namen: Die Siroop AG ist ein Joint Venture des Schweizer Coop-Gruppe und des Telekommunikationsunternehmens Swisscom. Siroop.ch ist zudem eines der ersten Projekte, das auf Basis der modularen E-Commerce-Software Spryker realisiert wurde. Nach gut einem Jahr ziehen CEO Constantin Hilt und CTO Isabel Steiner im Gespräch mit Internet World eine erste Bilanz.
Sie haben mit Siroop das erste Weihnachtsgeschäft nach dem offiziellen Launch im Mai 2016 hinter sich. Wie ist es gelaufen?
Constantin Hilt: Es waren extrem aufregende Weihnachten. Wir hatten eine sehr hohe Erwartungshaltung und ich kann sagen, dass es sehr gut gelaufen ist, sowohl vom Traffic her als auch vom Abverkauf bis hin zur Shop-Performance. Wir haben einen sehr guten Jahresabschluss hingelegt.
Wie waren denn die Besucherzahlen?
Hilt: Wir kommunizieren grundsätzlich keine konkreten Zahlen. Aber ich kann sagen, dass wir seit Mai die Traffic-Zahlen stetig steigern konnten und jetzt in der Weihnachtszeit fast auf Konkurrenzniveau waren. Das ist sechs Monate nach dem Launch schon ein sehr gutes Ergebnis.
"Wir sind der erste offene Marktplatz in der Schweiz"
Siroop ein Online-Marktplatz für Schweizer Händler. Was ist das Besondere daran?
Hilt: Wir sind der erste offene Marktplatz in der Schweiz, so etwas gab es vorher noch nicht. Unsere Idee ist, möglichst ein breites, tiefes, relevantes Sortiment für den Schweizer Kunden anzubieten und zwar gebündelt an einem Ort. Wir orientieren uns immer am Kunden, das war von Anfang an unser Fokus. Und wir messen auch, ob wir unseren Kunden Mehrwert bieten, etwa über den Net Promoter Score. Unser Net Promoter Score liegt bei über 50, das ist für ein so junges Unternehmen wie wir eines sind ein sehr guter Wert.
Auffällig ist ja auch der Multichannel-Ansatz von Siroop, also der Anspruch, alle Händler auf einer Plattform zu vereinen, egal, ob klein, ob groß, stationär, online oder beides. Wie wichtig ist das?
Hilt: Uns ist wichtig, alles aus der Kundenperspektive heraus anzugehen. Es bringt nichts, das größte Sortiment der Welt zu vereinen, wenn der Kunde das nicht sucht. Deswegen holen wir immer wieder Kundenfeedback ein. Und es hat sich gezeigt, dass der Kunde einerseits die alltäglichen Produkte sucht, andererseits aber auch ganz spezielle Artikel. Diesen Ansatz haben wir konsequent verfolgt: Wir haben sowohl die großen Händler wie beispielsweise Brack.ch oder Ochsner Sport als Ankerhändler bei Siroop als auch die speziellen Händler, die man sonst nur lokal um die Ecke findet, sei es ein Alpenhirt mit seinem Bündner Fleisch oder ein Messer Klötzli. Dadurch haben wir eine gute Kombination aus alltäglichen und ausgefallenen Produkten, die Sie sonst nirgends finden. Damit wird es auch attraktiv für den Kunden, weil er wirklich von A bis Z alles findet. Das ist auch für Händler sehr spannend.
"Das Händlerinteresse ist überwältigend"
Sie wollten bis Ende 2016 250 Händler auf Siroop haben, tatsächlich waren es über 300. Ist das Händlerinteresse so groß?
Hilt: Ja, das Interesse der Händler ist sehr groß. Neben den mehr als 300 Händlern, die schon angebunden sind, haben wir noch über 2.000 Händler in der Pipeline, die mit Siroop zusammenarbeiten möchten. Das ist überwältigend.
Wie viele Händler wollen Sie bis zum Jahresende online haben?
Hilt: Grundsätzlich ist nicht unser Ziel, x-tausend Händler auf der Plattform zu haben. Um aber das Sortiment abbilden zu können, das wir haben wollen, sollen es schon 750 Händler sein.
Was für Händler sind das überwiegend? Kleine stationäre ohne eigenen Online Shop oder sind es große Pure Player?
Hilt: Es ist ein ganz bunter Blumenstrauß an Händlern. Wir haben große Händler wie eben Brack.ch, wir haben Local Heros wie Loeb aus Bern, der mit Siroop seine Produkte jetzt schweizweit anbieten kann, wir haben den kleinen Händler um die Ecke, der schon einen eigenen Online Shop hat, und wir haben Traditionsunternehmen, die bisher noch nicht online verkauft haben, wie Franz Carl Weber, eine bekannte Spielwarenkette, die jetzt erstmals online über Siroop verkauft hat. Außerdem kommen die Händler aus den unterschiedlichsten Kategorien.
Alle Händler proprietär angebunden
Wie lassen sie diese unterschiedlichen Händler technisch anbinden?
Isabel Steiner: In der Pilotphase haben wir wirklich jeden Händler proprietär angebunden. Wenn man so schnell wachsen will wie wir, kann man keine großen Forderungen an den Händler stellen. Jetzt versuchen wir zu standardisieren. Für kleinere Händler etwa, die beispielsweise sehr gerne mit Excel operieren, haben wir ein Händler-Portal gebaut, in das sie ihre Dateien hochladen können. Große Händler lassen sich aber nur sehr schwer standardisieren. Deswegen erfolgt die Anbindung meist individuell, indem unsere Technik gemeinsam mit dem Händler überlegt, wie es am besten funktioniert. Ich glaube das ist ein Geheimnis der schnellen Anbindung: Der Händler muss sein Tagesgeschäft erledigen. Dadurch, dass wir die technische Integration vorantreiben und ihm vieles abnehmen, wird es für ihn leichter.
Was bezahlt der Händler denn für die Integration?
Steiner: Im Moment nichts. Und wir haben auch keine Pläne, das zu ändern. Wir möchten die besten Händler auf die Plattform bekommen und wenn diese dann bei uns verkaufen, profitieren wir ja beide.

Markus Lamprecht
Wie wichtig ist der Einsatz der E-Commerce-Lösung Spryker als offenes, modulares Baukastensystem dafür? Könnten Sie mit einer anderen Lösung ähnlich flexibel auf die unterschiedlichen Anforderungen der Händler reagieren?
Steiner: Wir haben uns die traditionellen Systeme angeschaut und gesehen, dass wir mit Spryker flexibler einen Marktplatz bauen können als etwa mit Hybris. Und es war schnell klar, dass wir in jedem Fall etwas zusätzlich bauen müssen, um die verschieden Händler integrieren zu können - ganz egal, für welche Lösung wir uns entscheiden. So haben wir auch um Spryker herum Microservices entwickelt.
Können Sie ein Beispiel nennen?
Steiner: Ja. Wir wollten zum Beispiel nicht jeden Händler direkt an unseren Shop anbinden. Deswegen haben wir eine Schnittstelle zu vorgelagerten Systemen wie dem Händler-Portal gebaut, auf denen die Daten vereinheitlicht und von dort aus möglichst problemlos in unseren Shop transportiert werden.
"Im Sport haben wir ein eigenes Sortiment"
Tritt Siroop selbst mit einem eigenen Sortiment als Anbieter auf?
Hilt: In einzelnen Bereichen haben wir ein eigenes Sortiment, beispielsweise im Sport. Das kommt aus der Geschichte heraus: Wir haben teilweise keine Händler gefunden, die über Siroop bestimmte Produkte liefern konnten. Deswegen haben wir dort einen eigenen Einkauf gemacht. Mittlerweile haben wir ganz viele Sporthändler gewinnen können. Dennoch halten wir an unserem Sortiment fest, solange es gut läuft. Aber wir kommunizieren dies gegenüber unseren Händlern sehr transparent.
Was kostet einen Händler der Verkauf über Siroop?
Hilt: Auch hier sind wir sehr transparent, Sie finden das auf der Homepage. Für Elektronikprodukte berechnen wir sechs Prozent Kommission für jeden erfolgreichen Verkauf, in allen anderen Bereichen 9,9 Prozent. In diesen Gebühren ist die Vermarktung enthalten und das ganze Payment. Das sind sehr faire Konditionen, wenn Sie das am Markt vergleichen.
Wenn so viele Händler Schlange stehen, wie treffen Sie eine Auswahl?
Hilt (lacht): Es ist sehr spannend, dass wir mittlerweile in der Situation sind, sie auswählen zu dürfen. Wir haben dafür Kategorien festgelegt, auf die wir uns fokussieren. Das sind momentan Themen wie der Beauty-, der Sport- und der Elektronik-Bereich. Daneben beobachten unsere Category Manager, welche Sortimente, Produkte und Brands bei den Kunden am beliebtesten sind, aber auch, welche speziellen Produkte interessant sein könnten. Zudem muss der Händler einiges mitbringen, vor allem gute Produktbilder und -daten. Und er muss sich zur Einhaltung bestimmter Services Levels verpflichten, etwa bei der Lieferung. Das überprüfen wir auch, zum Beispiel mit Testbestellungen. Denn unser größtes Interesse ist, dem Kunden ein einheitliches Kauferlebnis auf Siroop zu bieten.
Siroop baut eigene Logistik auf
Welche Logisikanforderungen muss der Händler denn erfüllen? Liefert er aus seinem Lager oder wird gebündelt von einem Siroop-Lager aus geliefert?
Hilt: Der Händler muss in jedem Fall sicherstellen, dass die Produkte auf Lager sind, damit wir eine schnelle und zuverlässige Lieferung garantieren können. Darüber hinaus ist er grundsätzlich frei in der Wahl seiner Logistikpartner. Wir arbeiten momentan auch an eigenen Logistik-Kapazitäten, so dass die Händler die Möglichkeit haben, bei uns einzulagern und alles bis zu Pick&Pack- und Retourenprozess über uns abwickeln zu lassen.
Das ist aber noch nicht für alle Händler verfügbar?
Hilt: Wir gehen auch hier iterativ, also in kleinen Schritten vor, das heißt wir haben das Angebot mit fünf Händlern pilotiert, Feedback eingeholt, Prozesse angepasst und werden den Service nun sukzessive aufbauen.
Das bedeutet aber auch, dass der Kunde im Zweifel fünf Pakete bekommt?
Hilt: Ja, das ist richtig. Aber auch hier ist die Frage, was möchte der Kunde? Möchte er ein Paket und das langsamste bestimmt dann den Lieferzeitpunkt oder möchte er mehrere schnell geliefert bekommen? Unsere Kunden signalisieren, dass sie es lieber schnell möchten.
Ist der Versand für den Kunden kostenlos?
Hilt: Ja, in der B-Post mit Lieferung in zwei bis drei Tagen ist es kostenlos. Wählt der Kunde die schnellere A-Post, kostet das fünf Franken. Auch hier hören wir auf das Feedback unserer Kunden und Händler und werden sicher noch die eine oder andere Veränderung vornehmen.
"Wir messen konsequent den Net Promoter Score"
Sie haben es mehrfach gesagt, Sie achten sehr auf das Kundenfeedback. Woher bekommen Sie dieses Feedback?
Hilt: Beim Start in die Betaphase haben wir die Kunden über ein Formular um ihr Feedback gebeten. Das war extrem wertvoll, wir haben über 1.500 Feedbacks erhalten. Diese haben wir dann priorisiert und in unsere Produkt-Roadmap einfließen lassen. Seit wir live sind, analysieren wir ausführlich unsern Traffic, machen konsequentes A/B-Testing, und holen darüber indirektes Feedback ein. Zudem messen wir konsequent den Net Promoter Score.
Können Sie mir ein Beispiel nennen, wo Sie aufgrund des Kunden-Feedbacks etwas verändert haben?
Hilt: Als wir gestartet sind, haben wir gesagt, wir verzichten auf die Navigation und bieten nur eine Suche an. Aus dem Feedback wurde sehr schnell deutlich, dass wir für die Schweizer Kunden unbedingt eine Navigation einführen müssen. Da hatte sich unser Ansatz schnell falsifiziert.
Steiner: Wir messen anhand der Conversion Rate sehr genau, wo wir Kunden verlieren. So haben wir gesehen, dass wir sehr hohe Absprungraten haben, wenn wir im Checkout-Prozess immer wieder versuchen, den Kunden zum Login zu bewegen. Das haben wir jetzt so verändert, dass der Kunde wirklich ein gutes Checkout-Erlebnis hat. Ein anderes Beispiel: Wir haben beim Start überlegt, ob wir nicht die Rechnung als Zahlart weglassen könnten. In Tests haben wir schnell herausgefunden, dass wir viele Kunden in der Schweiz nicht adressieren können, wenn wir keine Rechnung anbieten. Manche Ideen von uns sind vielleicht ein bisschen zu progressiv und deswegen testen wir viel.
"Chatbots testen wir erst im Kleinen"
Sie setzen im Kundenkontakt ja auch auf neue Kanäle wie Whatsapp. Hat das schon große Relevanz?
Hilt: Der große Anteil in der Kundenkommunikation läuft noch immer über die traditionellen Medien Telefon und Mail. Aber es wird verstärkt auch Whatsapp genutzt, weil es ein extrem schnelles Medium ist. Und viele unserer Kunden sind es sehr gewohnt, mit Whatsapp zu kommunizieren. Das ist ähnlich wie mit unseren Chats und wird in Zukunft weiter zunehmen.
Denken Sie über den Einsatz von Chatbots nach?
Hilt: Ja, tun wir. Auch hier testen wir erst im Kleinen mit einem Händler in Zürich. Wenn der Bedarf da ist und die Prozesse laufen, dehnen wir es auf eine größere Kunden- und Händlergruppe aus.
Kommt Ihnen auch hier der modulare Aufbau von Spryker und die Microservice-Architektur entgegen, sodass sie im Kleinen sehr schnell Neues entwickeln und ausprobieren können?
Steiner: Es sind zwei Dinge: Es ist die Mircoservices-Architektur und es ist der Anspruch API first. Alles, was wir bauen, richten wir so ein, dass wir es über die API nach außen exponieren und mit Prototypen testen können.
Hilt: Und ich möchte ergänzen, dass eine solche Vorgehensweise unbedingt auch eine entsprechende Verankerung in der DNA des Unternehmens braucht. Nur dann können Sie Ideen schnell ausprobieren, um Kundenmehrwert zu generieren.
Google und Facebook sind Wettbewerber der Zukunft
Welche Meilensteine stehen für dieses Jahr an?
Hilt: Wir werden sicherlich das relevante Sortiment weiter ausbauen. Und wir wollen geografisch den nächsten Schritt gehen, und zwar in die französische Schweiz. Außerdem wollen wir die Plattform noch zielgerichteter auf unsere Kunden ausrichten und das heißt Personalisierung.
Was heißt das konkret?
Hilt: Das gibt es viele Maßnahmen. Einiges probieren wir schon aus, etwa personalisierte Newsletter, aber auch unterschiedliche Homepages. Wir werden auch hier eine Reihe von A/B-Testings machen und prüfen, was wirklich funktioniert und dem Kunde Mehrwert bringt.
Wie positionieren Sie sich mit Siroop im Schweizer Markt?
Hilt: Unser Ziel war, die Sortimente verschiedener Händler an einem Ort schnell zusammen zu bringen. Wir haben es geschafft, in einem halben Jahr ein Sortiment mit mehr als 300 Händlern und mehr als 500.000 Artikeln aufzubauen. Sehen Sie, Siroop ist ein Ökosystem, das sich erweitern lässt. Das ist auch der Grund, warum wir unsere APIs öffnen. Wir wollen dorthin kommen, wo der Kunde ist. Denken Sie an Blogs: Ein Blogger kann über ein interessantes Produkt schreiben, und der Kunde kann es direkt im Blog einkaufen. Noch haben wir so etwas nicht realisiert, aber es ist ein Beispiel, wie eine Win-Win-Situation entstehen kann. Auch Chatbots oder Virtual Reality sind Drittkanäle, wo jemand auf verschiedene APIs zurückgreift, um ein neues Mehrwert-Angebot zu schaffen.
"Drittkanäle werden immer relevanter"
Wer sind Ihre direkten Wettbewerber?
Hilt: Ich glaube, wenn wir ein bisschen nach vorne schauen, sind es Google und Facebook. Das ist recht ambitioniert, aber ich glaube, das sind die Wettbewerber der Zukunft.
Warum diese beiden?
Hilt: Weil sie extrem nah am Kunde dran sind. Mit Google Ads und Google Shopping ist Google schon sehr nah am Shopping dran. Auch Facebook hat sich extrem entwickelt, die Community ist immer mehr zugänglich, auch den nächsten Schritt zum Shopping hin zu gehen.
Steiner: Ich denke, die letzten zehn Jahre waren geprägt von Aggregations-Plattformen, die der Kunde nutzt, weil er dort alles findet. Die nächsten fünf bis zehn Jahre werden davon geprägt sein, dass der Kunde in dem Kanal, in dem er sich bereits befindet, auch ein kaufen möchte. Und die Firmen, die den Kontext des Kunden am besten kennen, die ihm die genauesten Produktempfehlungen in diesem Kanal machen können, das werden die sein, die verkaufen. Es kann gut sein, dass auch für uns in zwei, drei Jahren die Siroop-Plattform nicht mehr der relevanten Kanal ist, sondern Drittkanäle.