
Online-Immobilienmarkt Immobilienscout24: "Ein Gesetz verändert die Branche"
Immobilienscout24: Firmensitz in der Nähe des Berliner Ostbahnhofs
Immobilienscout24: Firmensitz in der Nähe des Berliner Ostbahnhofs
Neue Konkurrenz und das Bestellerprinzip bei Vermietungen: Immobilienscout24 setzt auf agile Strukturen und Tempo, um sich weiterhin als Marktführer des Online-Immobilienmarktes zu behaupten.
Der Online-Immobilienmarkt ist 2015 in Bewegung geraten: Mit dem so genannten Bestellerprinzip regelte der Gesetzgeber, dass nicht mehr Mieter die Provision von Maklern bezahlen, sondern Vermieter. Im Umfeld des neuen Maklergesetzes sind mehr als 30 junge Dienstleister angetreten, um den Immobilienmarkt nachhaltig zu verändern. Sie setzen auf Big Data und Algorithmen, um Mieter besser mit Vermietern oder Käufer mit Interessenten zusammen zu bringen. Vor allem aber erweitern sie die Präsentationsmöglichkeiten von Wohnungen und Häusern um Rundum-Ansichten, Videos oder 3-D-Darstellungen von Grundrissen.
Mit 32nd Floor, einer spezialisierten Beteiligungsgesellschaft, reagierte der norwegische Finanzdienstleister Skjerven auf diese Entwicklung. "Die Erfolgsgeschichte der Verbindung von Immobilien und Internet hat erst begonnen", sagt Investor Einar Skjerven. Erstes Investment seiner Gesellschaft ist 123makler, das Start-up erleichtert Eigentümern die Suche nach einem Vermittler. Das neue Gesetz und vor allem die neuen Dienstleister fordern aber auch die etablierten Portale heraus: Während Immowelt und Immonet im vergangenen Jahr miteinander fusionierten, ging die Scout24-Gruppe, zu der Marktführer Immobilienscout24 gehört, an die Börse.
Portale reagieren auf neue Konkurrenz
Beide Portale erhöhen gerade die Geschwindigkeit und bringen neue Funktionen und Marketing-Services für Makler und Mieter auf ihre Plattformen. Auch sie bieten zwischenzeitlich neue Darstellungsformen und vereinfachen Bewerbungen wie auch die Auswahl von Mietern und Käufern. Immowelt setzt außerdem auf Regionalität - und jagte Immobilienscout24 Kooperationspartner Meinestadt.de ab. Die Berliner kontern mit Marktmacht, kauften junge Unternehmen auf oder beteiligen sich an ihnen.
"Die 360-Grad-Ansicht von Objekten und Wohnungen ist gerade ein heißes Thema", sagt Volker Wohlfahrt, der sich bei Immobilienscout24 um die Kundenwerbung kümmert, im Interview mit INTERNET WORLD. "Leider gibt es noch keine virtuelle Wohnungs- oder Hausbesichtigung." Aber die kann ja bald entstehen - von neuen Konkurrenten oder in der Entwicklung des Portals mit Sitz in Berlin.

Volker Wohlfahrt ist Vice President Customer Marketing beim Portal Immobilienscout24
Foto: Unternehmen
Haben Sie die Einführung des Bestellerprinzips auf dem Immobilienmarkt auf Immobilienscout24.de gespürt?
Volker Wohlfarth: Wir haben unsere gewerblichen Nutzer aktiv darauf vorbereitet, über die Pläne des Gesetzgebers, Einführungstermine und Änderungen auf der Plattform informiert und uns zur Ausgestaltung des Bestellerprinzips öffentlich Stellung bezogen. Von der Einführung selbst waren wir als Portal nur mittelbar betroffen. Was wir beobachten konnten ist, dass einige Makler sich sehr gut auf die Gesetzesänderung vorbereitet haben. Es war bereits im Vorfeld zu beobachten, dass viele Mietwohnungen, und nur dieses Segment betrifft das Gesetz, provisionsfrei vermietet wurden. Diese Objekte hatten bei uns eine höhere Sichtbarkeit, weil Mieter solche Angebote natürlich mehr schätzten. Die Attraktivität für Nachfrager wächst durch provisionsfreie Angebote. Die Kontaktanfragen für Mietangebote bei Immobilienscout24 sind in den letzten Monaten um rund 15 Prozent gestiegen.
Makler klagten auch darüber, dass ihre Existenz bedroht ist. Spüren Sie das?
Wohlfarth: Wir sehen, dass einige kleinere Mietmakler ihr Geschäft inzwischen aufgegeben haben. Die Zahl der bei uns registrierten Makler sank 2015 um rund 1.500, darunter sind aber auch solche, die sich aus Altersgründen zurückziehen. Im internationalen Vergleich sind zwei Monatsmieten, die hier zu Lande in der Regel für die Vermittlung einer Mietwohnung verlangt werden, hoch. Wenn sie diese Preise mittelfristig halten wollen, werden Makler jetzt den Vermietern ihre Dienstleistungen klar aufzeigen, oder aber sie senken ihre Provisionen und achten auf mehr Effizienz, beispielsweise bei der schnellen und gezielten Auswahl von Bewerbern. Immobilienscout24 hat zur Unterstützung neue Services eingeführt, etwa das Branchenbuch, in dem sich Makler potenziellen Auftraggebern präsentieren und von Kunden bewerten lassen können, oder die Profilfunktion für Bewerber, die sich dem Anbieter mit allen erforderlichen Unterlagen - wie beispielsweise einem Einkommensnachweis - vorstellen können. Außerdem bieten wir neue Informations- und Kommunikationstools und weitere Services rund um den Aufbau einer Online-Marke für Makler, aber auch Eigentümer an. Wir verstehen uns nicht mehr als Datenbank für Immobilienangebote, sondern auch als Dienstleister, der Makler in die Lage versetzt, eine lokale Marke digital aufzubauen und professionell Online-Marketing zu betreiben.
Das schreiben sich auch die rund 30 Start-ups auf die Fahnen, die im letzten Jahr starteten. Wächst da neue Konkurrenz für Immobilienscout24 heran?
Wohlfarth: Wettbewerb ist gut, und eine Gesetzesänderung in einem so lukrativen Markt verändert natürlich die Branche und bringt neue Geschäftsmodelle hervor. Wir arbeiten aber selbst schon länger an neuen Matching-Methoden und Strategien, die Daten aus Inseraten und von Nutzern für eine bessere Immobilienvermittlung zusammenzuführen. Mit den meisten Start-ups haben wir uns ausgetauscht, auch in Hinblick auf mögliche Kooperationen. Als Marktführer haben wir die finanzielle Power und 550 Mitarbeiter, um neue Ideen selbst umzusetzen und auf unserem Marktplatz zu integrieren. Die 360-Grad-Ansicht von Objekten und Wohnungen ist gerade ein heißes Thema, leider gibt es noch keine virtuelle Wohnungs- oder Hausbesichtigung. Start-ups wie VR-Now oder Eywalk, die aktuell an unserem Accelerator-Programm teilnehmen, arbeiten daran. Wir versuchen Makler davon zu überzeugen, dass sie gerade beim Verkauf mit hochwertigen Exposés punkten können. Aber in begehrten Lagen reicht manchmal schon ein Zettel am Baum, um eine Wohnung zu vermieten oder vielleicht sogar zu verkaufen. An dieser Situation wird sich gerade in den gefragten Ballungszentren wenig ändern, weil der Wohnungsmarkt wegen der zu geringen Bautätigkeit weiter angespannt bleiben wird.
Wieviele der neuen Unternehmen werden Ihrer Meinung nach überleben können?
Wohlfarth: Das kann und mag ich natürlich nicht beurteilen. Heute kann man Websites und Online-Dienste mit geringem Aufwand aufbauen und betreiben. Um schnell auf Trends und neue Entwicklungen reagieren zu können, haben wir Immobilienscout24 in kleine, flexible Einheiten strukturiert, so können wir schnell neue Services integrieren oder selbst aufbauen.
Planen Sie Zukäufe?
Wohlfarth: Wir schauen uns immer um und haben im vergangenen Jahr beispielsweise die Flohmarktapp Stuffle sowie den Technologieanbieter Classmarkets übernommen und uns gerade an Salz&Brot beteiligt. Das Start-up betreibt ein Portal für Mietwohnungen und setzt auf Social-Media-Kanäle. Außerdem sind wir auch durch das Programm You is Now gut vernetzt in die Gründerszene und kennen einige Start-ups sehr gut. Einige der neuen Unternehmen wie zum Beispiel Vendomo von Rocket Internet stellen sich als digitale Makler auf, aber genau das wollen wir nicht sein. Viele Gründer wollen außerdem das Zusammenkommen von Mietern und Vermietern oder von Käufern und Verkäufern verbessern. Während sie erst noch Daten aufbauen müssen, greifen wir zum Beispiel auf über zwölf Millionen Objektdaten zurück, kennen den Markt schon seit Jahren und können das folglich auch am besten.
Neue Preise verägern die Makler
Nicht nur Start-ups knabbern an Marktanteilen, durch die Fusion von Immowelt und Immonet kommt Ihnen jetzt auch der Wettbewerb der Portale wieder näher.
Wohlfarth: Auch hier gilt: Wettbewerb belebt das Geschäft. Noch überschneiden sich viele Listings und Nachfragen auf den genannten Portalen. Trotzdem müssen wir schneller werden, wir sind Marktführer im Online-Immobilienmarkt, aber wir sehen auch, dass unsere neuen Funktionen nachgeahmt werden. Wir sind kontinuierlich wachsam und beobachten den Wettbewerb aufmerksam. Unsere agile Organisationsstruktur trägt dem Rechnung, weil wir hierdurch noch schneller Innovationen auf die Straße bringen.
Trotzdem hat Immobilienscout24 gerade den Kooperationspartner Meinestadt.de verloren, der Reichweite brachte, und Immowelt kooperiert nun auch mit Kalaydo.
Wohlfarth: Ob wir Meinestadt.de nicht mehr haben oder nicht mehr haben wollten - das möchte ich hier nicht kommentieren. Laut Comscore greifen zwölf Millionen Unique Visitors im Monat auf unsere Seiten zu, 65 Prozent davon mobil. Meinestadt.de war ein Traffic-Bringer, aber einer von vielen. Wir entwickeln uns immer mehr zum vernetzten Marktplatz und bieten Suchenden und Anbietern innovatives Matchmaking an. Das macht den Prozess für alle Beteiligten einfacher, effizienter und stressfrei. Das sorgt für zufriedene Nutzer und Kunden.
Sie haben im vergangenen Jahr außerdem ihre Preise neu gestaltet, statt Vermarktungspakete müssen Makler und gewerbliche Immobilienanbieter jetzt für eine Mitgliedschaft bezahlen. Vielen sind die Gebühren zu hoch und zu unübersichtlich, außerdem kritisieren viele die Abhängigkeit von den Portalen und bauen regionale Plattformen auf.
Wohlfarth: Unsere Mitgliedschaft ist bei Manchen umstritten, das kann man auf unserer Facebook-Seite für gewerbliche Immobilienanbieter nachlesen, wo wir das Modelldiskutieren. Näher betrachtet ist die Mitgliedschaft aber ein Erfolgsmodell, bis September letzten Jahres haben sich von den mehr als 20.000 bei uns registrierten Kernmaklern über 70 Prozent dafür entschieden. Die Mitgliedsgebühren werden individuell ausgehandelt, um auch zwischen überregionalen Gesellschaften, regionalisierten Agenturen oder spezialisierte Anbieter differenzieren zu können. Wir haben damit ein faires Preismodell gefunden. Mitglieder können dafür unbegrenzt auf unseren Plattformen Anzeigen schalten. Wir erkennen aber ein Transparenzproblem: Kein Makler erkennt, ob er einen guten Deal abgeschlossen hat oder nicht, das ist aber eine Frage, die wir künftig durch individuelle Datenanalysen beantworten werden.
Was hat sich seit dem Börsengang im Oktober im Unternehmen verändert?
Wohlfarth: An der täglichen Arbeit hat sich kaum etwas geändert. Auch vor dem Börsengang mussten wir die Geschäfte offen legen und uns gegenüber unseren Investoren erklären. Wir arbeiten weiter mit Hochdruck daran, Immobilienscout24 sowie seine Kunden und Nutzer erfolgreicher zu machen.
Und was sind die Pläne für 2016?
Wohlfarth: Wir investieren in Trends wie Smart Data und in die tiefere Vernetzung des Marktplatzes. Wir beobachten, dass die Geräte übergreifende Nutzung von Immobilienscout24 zunimmt. Wenn Kunden dauernd eingeloggt bleiben, können wir erkennen, wie sie auf Services reagieren und ihnen mehr Unterstützung anbieten. Dabei nutzen wir natürlich immer nur diejenigen Daten, die uns die Kunden freiwillig zur Verfügung stellen. Geben Sie uns Zugriff auf ihr Bankkonto, erstellt Immobilienscout die Mietzahlungsbestätigung, mit der sich Mieter als zuverlässige Zahler präsentieren. Wir helfen Menschen, die umziehen werden, außerdem bei der Auswahl von Dienstleistern, sie können bei uns ihren Strom- und Telekommunikationsanbieter wechseln, aber auch eine günstige Finanzierung finden. Gewerbliche Vermieter und Verkäufer sprechen wir dagegen mit Marketing-Services an, die ihnen bei der Vermarktung ihrer Immobilien und beim Aufbau einer Marke helfen.
Wie viele Kunden geben Immobilienscout24 Zugriff aufs Konto und ihre Bankdaten?
Wohlfarth: Solche Zahlen kommunizieren wir nicht öffentlich. Aber Scout24 ist Ansprechpartner in den großen Momenten des Lebens - wenn Menschen eine Wohnung suchen oder eine Immobilie, steht ihnen Immobilienscout24 zur Seite, beim Autokauf wiederum Autoscout24. Auto und Immobilie sind die großen Investitionen im Leben. Nutzer geben uns dann Zugriff auf ihre Daten, wenn wir ihnen dafür relevante Informationen oder gute Services liefern.