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Kai Hudetz

Kai Hudetz, IFH Köln "Es ist gefährlich, sich von einer Plattform abhängig zu machen"

Kai Hudetz, Geschäftsführer des IFH Köln

IFH Köln

Kai Hudetz, Geschäftsführer des IFH Köln

IFH Köln

Zu viele Händler haben den Zugang zum Kunden an Plattformen abgegeben, warnt Kai Hudetz vom IFH Köln. Seine düstere Prognose von 2014, nach der 90 Prozent der Online-Händler bis 2020 aufgeben werden, könnte immer noch eintreffen - Marktplatz-Händler sind gefährdet.

Herr Hudetz, 2014 haben Sie im Rahmen eines ECC-Thesenpapiers vorausgesagt: Bis 2020 werden 90 Prozent der Online Pure Player verschwinden. Wie sehen Sie diese Voraussage heute?
Kai Hudetz:
In der Rückschau kann ich sagen, dass wir zum damaligen Zeitpunkt die Relevanz der Plattformen unterschätzt haben. Es ist nach wie vor nicht unwahrscheinlich, dass 90 Prozent der Online Pure Player, die 2014 am Markt waren, den direkten Kundenzugang verloren haben. Statt ganz zu verschwinden, haben sie aber vielfach ihr Geschäft auf die großen Plattformen, insbesondere den Amazon Marketplace verlagert. Dieses Geschäftsmodell sehe ich nach wie vor kritisch. 

Warum?
Hudetz:
Während Amazon für viele Anbieter auf der einen Seite ein sehr reichweitenstarker zusätzlicher Vertriebskanal sein kann, halte ich es auf der anderen Seite für gefährlich, sich vollständig von der Plattform abhängig zu machen. Hinzu kommt, dass wir den Konzentrationsprozess im Online-Handel ebenso korrekt vorhergesagt haben, wie die Entwicklung, dass auch die großen - ehemaligen - Online Pure Player von Amazon bis Zalando immer mehr in vernetzte Systeme mit Flächenkonzepten investieren.

Vor allem klassische Reseller-Händler, die Ware von meist asiatischen Lieferanten beziehen und in Europa auf Marktplätzen weiterverkaufen, klagen über mangelnde Planungssicherheit auf den Plattformen. Oder wie Michael Atug kürzlich auf der Trend-Arena der INTERNET WORLD EXPO klagte: "Die Bestseller macht Amazon, uns lassen sie den Mist übrig." Eine realistische Einschätzung Ihrer Meinung nach?
Hudetz:
Das ist drastisch ausgedrückt, aber nicht falsch. Amazon betreibt die mit Abstand relevanteste Online-Plattform in Deutschland und agiert dort selbst als Händler. Das eigene Geschäftsmodell wird datenbasiert sehr gut gesteuert. Amazon weiß natürlich auch, in welchen Kategorien sich der Eigenhandel lohnt und in welchen Bereichen Dritthändler effizienter sind. Die Plattform regelt den Kundenzugang - das muss jedem Akteur klar sein.

Mit welchen Strategien können Händler auf Plattformen auch weiterhin erfolgreich sein?
Hudetz:
Zunächst einmal brauchen Händler eine klare Plattformstrategie. Die entscheidende Frage lautet: Welchen Mehrwert biete ich auf der Plattform, den andere nicht bieten. Anbieter, die sich nicht über Mehrwerte positionieren können, müssen über den Preis agieren und werden nur schwierig nachhaltig Geschäft aufbauen können. Ist eine Differenzierung über das Produkt möglich, - Stichwort Eigenmarken - sieht die Welt schon besser aus. Ich halte für eine gute Strategie, wenn auch nicht für einen Selbstläufer. Vielen wird tatsächlich nur die Nische bleiben, da die Massenmärkte längst schon durch hochprofessionelle Anbieter besetzt sind. 

Ist ein Leben abseits der großen Plattformen für Händler auch in Zukunft noch möglich?
Hudetz:
In jedem Fall ist es sinnvoll, auch weitere Vertriebskanäle zu nutzen und diese so gut wie möglich mit den Plattformaktivitäten zu verzahnen. In ihrem eigenen Online Shop beispielsweise haben Händler natürlich sehr viel mehr Möglichkeiten, Differenzierungsmerkmale wie bestimmte Services, eine Community oder Beratungsleistungen auszuspielen. Auf einer Plattform bleiben am Ende meistens nur Produkt, Preis und Verfügbarkeit als Entscheidungskriterien übrig. Wer als Händler nachhaltig erfolgreich sein will, sollte sich nicht ausschließlich auf Plattformen verlassen.

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