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Oliver Prothmann

Konkurrenz aus China "Die Verantwortung der Marktplätze muss ausgeweitet werden"

Oliver Prothmann, Präsident des ­Online-Handelsverbands BVOH

BVOH

Oliver Prothmann, Präsident des ­Online-Handelsverbands BVOH

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Fast 30 Prozent der Top-Seller auf Amazon.de stammen aus China - und viel zu viele von ihnen halten sich nicht an europäische Regularien und Gesetze, beklagen deutsche Handelsverbände wie der BVOH. Forderungen nach einer Marktplatz-Haftung werden lauter.

Oliver Prothmann, Präsident des ­Online-Handelsverbands BVOH, kennt den chinesischen Markt und seine Händler sehr gut - und warnt deutsche Händler eindringlich vor chine­sischen Konkurrenten, die mit ganz anderen Vorstellungen eines angemessenen Geschäftsgebahrens auf die europäischen Märkte drängten. Er fordert mehr Regulierung und Überwachung des E-Commerce - und eine Marktplatzhaftung.

Herr Prothmann, warum drängen chinesische Seller in den letzten Jahren verstärkt auf den ­europäischen, speziell auf den deutschen Markt? 

Oliver Prothmann: In Europa zu verkaufen, ist viel einfacher als in China. Der Marketingaufwand in China ist enorm und der Wettbewerb riesig. Die hier ­bekannten Marktplätze sind über Performance zu beeinflussen, wohingegen in China in erster Linie der Einsatz von Marketingbudget zählt.

Spricht man mit deutschen Händlern über die chinesische Konkurrenz, hört man oft, die Händler aus China würden von unfairen Vorteilen wie geringen Versandkosten profitieren und sich ­zudem nicht an europäische Gesetze halten. Schummeln chinesische Händler wirklich so viel? 

Prothmann: Natürlich sind nicht alle Händler aus China unfair. Allerdings herrscht in China ein anderes Wett­bewerbsverständnis als in Europa. Dadurch werden Systemlücken schneller und konsequenter ausgenutzt. Durch das neue Mehrwertsteuergesetz, das Anfang 2019 in Kraft getreten ist, sollte der Missbrauch durch Nichtabführung der Mehrwertsteuer erledigt sein, ­obwohl wir hier schauen müssen, ob die Finanzämter in der Lage sind, die Steuern auch einzutreiben. Bei den anderen Regularien und Registern sieht es viel problematischer aus. In China habe ich nicht vernehmen können, dass Kenntnis und Problembewusstsein darüber herrscht. Hier bedarf es Aufklärarbeit bei Staat und Marktplätzen. Ich gehe davon aus, dass in naher Zukunft eine ähnliche Lösung wie bei der Mehrwertsteuer auf die Marktplätze ergehen wird.

Sie spielen auf eine Marktplatzhaftung an, wie sie das Land Bayern im Bundesrat gefordert hat. Der Bundesrat hat den Antrag abgelehnt beziehungsweise hin zu einer „Entschließung zu Fairness im E-Commerce“ abgemildert. 

Prothmann: Die Verantwortung der Marktplätze muss ausgeweitet werden. Mit einer Marktplatzhaftung würde man in Kürze und nachhaltig die Händler ­informieren, welche Pflichten sie haben. Amazon und die anderen Marktplätze sollten sich der Verantwortung bewusst sein, dass nur sie für einen fairen Wettbewerb auf der Plattform sorgen können. Des Weiteren rate ich allen Plattformen, sich mit dem „normalen“ Geschäftsgebaren in China auseinanderzusetzen. Nur wenn Marktplatzbetreiber und auch die Händler in Deutschland das verstehen und kennen, kann entsprechend ­reagiert und agiert werden.

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